Abschiebungen nach Afghanistan„Das muss sofort aufhören!“

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Es gibt starke Proteste gegen die Sammelabschiebung der Bundesregierung. 

Berlin – Ein Flugzeug aus Deutschland mit 26 abgelehnten Asylbewerbern ist am Dienstagmorgen in der afghanischen Hauptstadt Kabul gelandet.

Wie ein Sprecher der afghanischen Flughafenpolizei der Nachrichtenagentur AFP sagte, wurden die Männer bei der Sammelabschiebung von 80 deutschen Polizisten begleitet. Mindestens einem der Afghanen gehe es nicht gut.

Die zweite Sammelabschiebung

Er müsse wegen der psychischen Belastung möglicherweise „zurück nach Deutschland gebracht werden“.

Mehrere der Afghanen sagten AFP, sie seien am frühen Montagmorgen in Deutschland festgenommen und zum Flughafen gebracht worden. Sie konnten demnach jeweils nur ein kleines Gepäckstück oder einen Rucksack mit ihren Habseligkeiten mitnehmen.

Die Maschine war nach Angaben der Flüchtlingshilfsorganisation Pro Asyl am Montagabend vom Frankfurter Flughafen gestartet. Medienberichten zufolge sollten insgesamt etwa 50 Afghanen in ihre Heimat abgeschoben werden.

Bei ihnen handelte es sich demnach um Straftäter und allein reisende oder alleinstehende Männer vor allem aus Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen. Es ist die zweite Sammelabschiebung nach Afghanistan innerhalb weniger Wochen.

Forderung nach einem bundesweiten Abschiebestopp

Die flüchtlingspolitische Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion, Luise Amtsberg, kritisierte dies. „An der Sicherheitslage in Afghanistan hat sich auch in den vergangenen Wochen nichts geändert“, sagte sie der Berliner Zeitung. „Die grüne Bundestagsfraktion hält daher nach wie vor an der Forderung nach einem bundesweiten Abschiebestopp fest.“

In den vergangenen drei Monaten seien hunderttausende Flüchtlinge aus Pakistan und Iran nach Afghanistan abgeschoben worden. Das ohnehin krisengeschüttelte Land werde auch deshalb nicht in der Lage sein, afghanische Flüchtlinge aus Deutschland adäquat aufzunehmen, „von der Gewährleistung ihrer Unversehrtheit ganz zu schweigen“.

Unter den Abgeschobenen waren zwei werdende Väter

Die Bundesregierung wolle offenbar abschrecken, fügte Amtsberg hinzu. Nicht anders sei der enorme Aufwand zu rechtfertigen. Die bekanntgewordenen Fälle aus Bayern zeigten jedenfalls, „dass auch die humanitäre Verhältnismäßigkeit völlig verloren gegangen ist“, beklagte die Grüne.

„Unter den Abgeschobenen waren zwei werdende Väter, langjährig in Deutschland lebende Menschen, Azubis und psychisch Kranke.“

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Arasch Alokosai (r) und Ramin Afschar stehen am 24.01.2017 im Flughafen in Kabul (Afghanistan). Eine Gruppe von aus Deutschland abgeschobenen afghanischen Flüchtlingen ist mit dem Flugzeug in Kabul eingetroffen.

Der Obmann der Linksfraktion im Auswärtigen Ausschuss, Stefan Liebich, erklärte: „Abschiebungen in ein Land, in dem die Bundeswehr stationiert ist, weil es sich im Krieg befindet, sind inhuman und falsch. Deutschland bringt damit Menschen, die zu uns geflohen sind, in Lebensgefahr. Das muss sofort aufhören!“ Auch die Kirchen protestierten.

Der Afghanistan-Experte Thomas Ruttig sagte dieser Zeitung: „Die Abschiebungen sind nicht zulässig. Denn Afghanistan ist kein sicheres Herkunftsland.“ Dass die Bundesregierung dennoch von anderen Voraussetzungen ausgehe, habe „im Wesentlichen mit innenpolitischen Faktoren zu tun“. 

Die Situation am Hindukusch weiter schlecht

Das UN-Flüchtlingshilfswerk komme nämlich zu der Einschätzung, dass sich die Situation am Hindukusch weiter verschlechtere, so Ruttig. „Die Auffassung teile ich.“

Der Co-Direktor des Think Tanks Afghanistan Analysts Network sieht das Land im Übrigen auch aufgrund des neuen US-Präsidenten Donald Trump „auf des Messers Schneide“ stehen. Dieser habe erklärt, dass der Afghanistan-Einsatz zu viel Geld koste.

Wenn Trump der afghanischen Regierung deshalb die Unterstützung entziehe, dann schwebe sie in Gefahr, und es erhöhten sich die Chancen der Taliban. Ruttig warnte: „Dann kann man längerfristig auch einen Zusammenbruch der Regierung nicht mehr ausschließen. Und alle Anstrengungen der letzten 16 Jahre wären umsonst gewesen.“

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