AfD-Erfolg in Mecklenburg-VorpommernTouristen sind willkommen, Fremde aber nicht?

Lesezeit 4 Minuten
Mack Pomm Tourismus

Badegäste am Strand des Ostseeheilbad Graal-Müritz

Berlin – Rund 290 Menschen leben in der kleinen Gemeinde Peenemünde auf der Ostseeinsel Usedom in Mecklenburg-Vorpommern. Gerade Mal zehn Menschen pro Quadratkilometer wohnen auf dem kleinen Zipfel im Osten des Landes, das umgeben von Wasser liegt. Doch hier scheint der Frust, der Protest und die Angst vor Fremden, vor Flüchtlingen und vor der Zukunft besonders groß zu sein. 

Mehr als jeder zweite Bürger von Peenemünde hat am Sonntag bei der Landtagswahl sein Kreuz bei der AfD (46,8 Prozent) oder bei der rechtsradikalen NPD (5,6 Prozent) gesetzt.

 „Ich habe mit einem hohen Ergebnis bei der AfD gerechnet, aber nicht in dieser Deutlichkeit“, resümiert  Rainer Barthelmes, der ehrenamtliche Bürgermeister von Peenemünde.  Einen Tag nach der Wahl ringt er mit Worten. Über die Gründe mag er nur spekulieren.

„Ich fahre jeden Morgen von Peenemünde nach Greifswald. In einem Ort auf dieser Strecke hängt ein Wahlplakat mit unserem Ministerpräsidenten Erwin Sellering. Darunter hat jemand geschrieben: `Uns hat er vergessen‘. Ich glaube, das ist genau das Gefühl, das die Menschen umtreibt“, sagt  Barthelmes. Ein Flüchtlingsproblem habe die Region jedenfalls nicht, macht der Bürgermeister klar. „Das sind hier keine Neonazis. Das sind Protestwähler.“

Es sind andere Faktoren, die die Unzufriedenheit schüren, glaubt der er: Kreisgebietsreform, Schließung des Kreiskrankenhaues, kaum Arbeit, marode Wohnungen, Abwanderung. Nach der Wende lebten 900 Einwohner in der Gemeinde, erzählt Barthelmes.

Aufschwung – aber ohne den Osten des Ostens

Dabei habe Peenemünde  in der letzten Zeit viel  finanzielle Unterstützung erfahren. „Doch das scheint bei den Menschen irgendwie nicht angekommen zu sein.“   Auch die boomende Tourismusbranche, der wirtschaftliche Aufschwung des Landes, die sinkenden  Arbeitslosenzahlen in Mecklenburg-Vorpommern  - all das ist offenbar nicht bis in die östlichsten Küstenregionen des Landes vorgedrungen.

„Unser  Wahlergebnis spiegelt diesen Aufschwung nicht wieder. Wenn man auf die Ergebnisse schaut, erkennt man, dass das aber kein spezifisches Problem von Peenemünde ist. Sowohl in den Nachbargemeinden als auch sonst überall im Osten hat die AfD so gut abgeschnitten. Es gibt ein Nord-Ost-Gefälle in Mecklenburg-Vorpommern“, macht  der Bürgermeister klar.

Der kleine Ort Peenemünde auf Usedom ist nur ein Beispiel. Auf der ganzen Ostseeinsel hat die AfD mit mehr als 32 Prozent das höchste Wahlergebnis bei den Zweitstimmen im ganzen Land erzielt.  Drei Direktmandate holte die asylfeindliche Partei – alle im Osten des Landes: Auf Usedom, in Vorpommern-Greifswald und im südlichen Vorpommern – alles Regionen, in denen der Hauptzweig der Wirtschaft floriert und dies eigentlich auch den Menschen zugutekommen müsste:  Die Tourismusbranche in dem ostdeutschen Bundesland hat im ersten Halbjahr Rekordzahlen verzeichnet, die Branche spricht vom besten Halbjahr aller Zeiten. Vor allem die Küsten ziehen Gäste an. „Doch die Löhne in der Branche sind gering, deshalb ziehen auch die Jugendlichen aus der Region  weg“, erklärt  Barthelmes. 

Fremdenfeindlichkeit verschreckt Gäste in Sachsen

Ob Mecklenburg-Vorpommern diese Rekordzahlen in der Tourismusbranche halten kann, ist auf Grundlage der Ergebnisse  der Wahl nicht klar. Dass Fremdenfeindlichkeit Touristen verschreckt, davon weiß vor allem Sachsen zu berichten: Die Zahl der Übernachtungen in sächsischen Unterkünften  ging 2015 um ein Prozent auf 18,7 Millionen zurück, in Dresden belief sich das Minus sogar auf drei Prozent. In der Branche nannte man dies den „Pegida-Effekt“: Durch die Berichte über ausländerfeindliche Pegida-Demonstrationen brachen die Zahlen in der Region ein, während sie bundesweit stiegen.

„Ich glaube nicht, dass das bei uns auch passieren wird. Das kann man nicht vergleichen“, sagte Tobias Woitendorf, Leiter des Tourismusverbandes Mecklenburg-Vorpommern am Montag dieser Zeitung. Auch wenn es sicher den einen oder anderen geben werde, der jetzt deswegen nicht mehr nach Mecklenburg-Vorpommern reisen werde. „Aber in der Quantität wird sich das nicht auswirken“, hofft er.

Diskrepanz zwischen Gastfreundschaft und Fremdenfeindlichkeit

Pegida sei eng an Dresden geknüpft gewesen. Und das über eine lange Zeit mit angsteinflößenden Auftritten und Rhetorik. „Die AfD ist jedoch ist kein Phänomen, das sich auf Mecklenburg-Vorpommern beschränkt und das man nur hier verorten könnte“, betont Woitendorf. Doch er erkennt die Diskrepanz zwischen Gastfreundschaft und Fremdenfeindlichkeit. Schon bei der letzten Landtagswahl habe die NPD mit dem Slogan „Touristen willkommen – kriminelle Ausländer raus“ geworben.

Man müsse daran arbeiten, dass sich die Menschen nicht abgehängt fühlten. „Und auch wir werden sicherlich die Köpfe zusammenstecken, um das Image unserer Region weiter zu stärken“, sagt Woitendorf. Der Tourismus könne ein Hebel sein,  „auch um bessere Lebensverhältnisse für die Menschen vor Ort zu schaffen.“

KStA abonnieren