Arbeitsmarkt-UmfrageDax-Unternehmen geben Flüchtlingen kaum Chancen

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Der afghanische Flüchtling Sha Kah Amadi feilt an der Fortbildungsakademie der Wirtschaft in Dresden an Metallwerkstücken. Bei Dax-Unternehmen haben Flüchtlinge aber kaum Chancen.

Berlin – Deutschlands 30 größte börsennotierte Unternehmen haben bislang laut einer Umfrage der Frankfurter Allgemeinen Zeitung nur 54 Flüchtlinge fest eingestellt. Davon sind allein 50 bei der Deutschen Post untergekommen. Von den knapp 2700 zusätzlichen Praktikumsplätzen für Flüchtlinge sind laut Umfrage gut 500 besetzt. Zusätzliche Ausbildungsplätze haben die Dax-Konzerne laut Umfrage etwas mehr als 300 geschaffen. Die weit überwiegende Zahl ist aber ebenfalls noch frei.

Zetsches leere Worte

Im vergangenen Spätsommer hatten die Unternehmen deutlich optimistischer geklungen, Flüchtlinge beschäftigen zu können. Daimler-Chef Dieter Zetsche sagte etwa, sein Unternehmen wolle in Flüchtlingszentren nach Arbeitskräften suchen und für den Autobauer werben. Viele Flüchtlinge seien jung, gut ausgebildet und hoch motiviert. „Genau solche Leute suchen wir doch.“ Das Unternehmen hat bis heute keinen einzigen fest angestellten Flüchtling.

Im Juni waren laut Bundesagentur für Arbeit (BA) 300000 Menschen, die durch die aktuelle Flüchtlingskrise nach Deutschland gekommen sind, arbeitslos gemeldet. Gegenüber dem Vorjahr war dies eine Verdoppelung. Derzeit gibt es laut BA einen Anstieg von 10000 bis 15000 arbeitslosen Flüchtlingen pro Monat. Nach Berechnungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) gibt es derzeit zwar rund 154 000 freie Jobs für Flüchtlinge – das sind jedoch vor allem Jobs als Helfer, etwa im Reinigungsgewerbe, in der Verkehrs- und Logistikbranche sowie auf dem Bau. Es fehle an Sprachkenntnissen und formalen Berufsausbildungen, heißt es.

Mittelstand-Unternehmen erhellen die Bilanz

Regierungssprecher Seibert betonte gleichwohl, die deutsche Wirtschaft sei „viel mehr als die Dax-Konzerne“. So stehe der Mittelstand dem Ziel „Integration durch Arbeit“ sehr positiv gegenüber. Auch die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) relativierte die Umfrage. „Umfragen des ifo-Instituts von Anfang des Jahres zeigen, dass bereits rund jedes zehnte Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern Flüchtlinge beschäftigt“, sagte ein Sprecher dieser Zeitung. „Die bisherigen Erfahrungen der Unternehmen zeigen allerdings, dass die praktischen Herausforderungen enorm sind und die Integration von Flüchtlingen in Ausbildung und Beschäftigung eine schwierige und langfristige Aufgabe wird.“

Es bleibe noch viel zu tun, etwa die Sicherung des Aufenthalts während der gesamten Ausbildung sowie Öffnung und Ausbau der Sprachförderung, so der Sprecher. „Weitere notwendige Schritte wie die vollständige Aufhebung des Beschäftigungsverbots in der Zeitarbeit oder auch eine systematische Qualifikationserfassung bei Flüchtlingen fehlen weiterhin.“

Gewerkschaftsbund fordert mehr Engagement

Annelie Buntenbach, Mitglied im Vorstand des Deutschen Gewerkschaftsbundes und dort zuständig für Arbeitsmarktpolitik, erklärte: „Betriebe dürfen nicht warten, bis sie passgenau einsetzbare Geflüchtete vermittelt bekommen. Sie müssen mehr tun, um Geflüchteten eine Chance für den Einstieg zu geben. Dafür gibt es genügend Programme der Bundesagentur für Arbeit, sie müssen nur genutzt werden.“

Dabei dürften die Flüchtlinge „nicht zum billigen Jakob des Arbeitsmarktes“ werden. Der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Michael Fuchs, kritisierte die Dax-Unternehmen. „Das ist ein bisschen traurig und entspricht auch nicht den Aussagen, die etwa Daimler gemacht hat, als die Flüchtlinge kamen“, sagte er dieser Zeitung. „Ich würde mir wünschen, dass die Dax-Unternehmen da ihrer gesamtgesellschaftlichen Verpflichtung nachkommen würden. Denn 54 Flüchtlinge – das ist, Entschuldigung, gar nichts.“

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