„Dienstrechtliche Prüfung“ eingeleitetPechstein verteidigt sich, Merz findet Auftritt „brillant“ – Polizistin und Parteichef in der Kritik

Lesezeit 4 Minuten
17.06.2023, Berlin: Claudia Pechstein, Olympiasiegerin im Eissschnelllauf, spricht in ihrer Uniform als Bundespolizistin beim CDU-Grundsatzkonvent. Das neue Grundsatzprogramm soll bei einem Bundesparteitag Anfang Mai 2024 verabschiedet werden. Der Konvent gehört zum Prozess zur Erarbeitung des Programmes. Foto: Michael Kappeler/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Claudia Pechstein, Olympiasiegerin im Eissschnelllauf, spricht in ihrer Uniform als Bundespolizistin beim CDU-Grundsatzkonvent.

Claudia Pechstein weist die Vorwürfe gegen sie zurück. In der CDU wird unterdessen Kritik laut – auch an Parteichef Friedrich Merz.

Der Wirbel um den Auftritt der Eisschnellläuferin Claudia Pechstein bei einer CDU-Veranstaltung am Samstag reißt nicht ab. Die Olympionikin hatte bei ihrer Rede, in der es nicht nur um Sportpolitik ging, beim CDU-Konvent in Berlin ihre Bundespolizeiuniform getragen – und damit für teilweise scharfe Kritik gesorgt.

Claudia Pechstein verteidigt Auftritt in Uniform bei CDU-Veranstaltung

Pechstein hatte in ihrem Beitrag auch rechtspopulistische Töne angeschlagen. Die Wintersportlerin wies die Vorwürfe unterdessen zurück. Der „Bild“-Zeitung sagte Pechstein, sie sei kein CDU-Mitglied, sondern bei der CDU zu Gast gewesen – „und zwar als Sportlerin, Beamtin und Bundespolizistin“.

Gemäß Polizeidienstvorschrift sei das Tragen der Uniform außerhalb des Dienstes erlaubt und nur bei Krankheit oder der Ausübung eines öffentlichen Ehrenamtes verboten, sagte sie weiter. „Ein ausdrückliches Verbot des Uniformtragens auf Parteiveranstaltungen besteht nicht“, so Pechstein.

Bundespolizei leitet„dienstrechtliche Prüfung“ von Claudia Pechsteins Auftritt ein

Ihren eigenen Angaben zufolge hatte Pechstein laut „Bild“ im Vorfeld des Auftritts sowohl einen Gewerkschaftsvertreter der Bundespolizei als auch einen Vorgesetzten angefragt. Der Auftritt in Uniform sei ihr freigestellt worden, so Pechstein.

Die Bundespolizei hat wegen Pechsteins Auftritt unterdessen eine „dienstrechtliche Prüfung“ eingeleitet. Beamte müssen sich laut Beamtenrecht in der Öffentlichkeit neutral verhalten und dürfen dienstliche Tätigkeiten nicht mit privaten politischen Aktivitäten vermischen.

Der Verband „Bundespolizei/Zoll“ des „Bund Deutscher Kriminalbeamter“ (BDK) begrüßte die eingeleitete Prüfung. „Rassismus und Homophobie haben in der Bundespolizei keinen Platz, die Uniform bleibt neutral“, kommentierte der BDK am Sonntag auf Twitter.

Scharfe Kritik an Claudia Pechstein: „Rassismus und Homophobie haben in der Bundespolizei keinen Platz“

Unterstützung erhält Pechstein unterdessen von CDU-Chef Friedrich Merz, der die Kritik an Pechstein im Interview mit „Berlin Direkt“ zurückwies. Merz sprach am Sonntagabend von einem „brillanten“ Auftritt Pechsteins. Sie habe aus ihrer Erfahrung gesagt, wie wichtig Vereine und Breitensport seien. Diese Aussage interessiere ihn wirklich und nicht das Äußere Pechsteins, führte der Parteichef aus. Der Auftritt sei „wirklich interessant“ gewesen und habe „ein Stück motiviert, in diese Richtung weiterzuarbeiten“, so Merz.

Auch Thüringens CDU-Chef Mario Voigt verteidigte Pechstein. Pechstein sei „eine der erfolgreichsten Wintersportlerinnen aller Zeiten. Wir sollten stolz darauf sein, was sie für unser Land in der Welt erreicht hat“, sagte Voigt. Er sei „froh, dass sie auf unserem Grundsatz-Konvent klare Worte gefunden hat.“

CDU-Chef Friedrich Merz hält Rede von Claudia Pechstein für „brillant“

Pechsteins Rede und die Reaktion der Parteiführung sorgen derweil allerdings auch innerhalb der CDU für Kritik. „Die Rede von Claudia Pechstein beim Grundsatzkonvent war gestern kaum zu ertragen“, schrieb der Essener CDU-Politiker Benjamin Daniel Thomas auf Twitter.

„Ich war wie viele andere auch erschrocken, dass eine solche Rede möglich ist und den Applaus bekommt. Das hatte nichts mit einer CDU der Mitte zutun“, hieß es weiter. Führende CDU-Politiker um Friedrich Merz hatten Pechstein nach ihrer Rede applaudiert.

Scharfe Kritik innerhalb der CDU: „Die Rede von Claudia Pechstein war kaum zu ertragen“

Auch der CDU-nahe Politologe Andreas Püttmann äußerte scharfe Kritik. „Der Fisch stinkt halt vom Kopf her“, kommentierte Püttmann die Aussage von Merz, der Auftritt sei „brillant“ gewesen. „Das sind keine Pannen, das hat System“, fügte er an.

Das „rechtspopulistische Pechstein-Pamphlet“ sei das „Erding der CDU“, hatte der Bonner Politologe zuvor bereits geschrieben. Die „Brandmauern gegenüber Extremisten und Rechtspopulisten“ seien „nichts wert, wenn man deren Schmierentheater auf Kosten von Flüchtlingen und LGBT-Personen bei eigenen Parteiveranstaltungen aufführt und feixend beklatscht.“

In ihrer Rede hatte Pechstein unter anderem für eine Stärkung des Vereins- und Schulsports geworben. Sie mahnte auch Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber an. Das sorge für mehr Sicherheit im Alltag.

Öffentliche Verkehrsmittel „ohne ängstliche Blicke“ nutzen zu können, gehöre zu Problemen, die besonders Ältere und Frauen belasteten. Verbesserungen dort sollten wichtiger sein, „als darüber nachzudenken, ob wir ein Gendersternchen setzen oder ob ein Konzert noch deutscher Liederabend heißen darf oder ob es noch erlaubt ist, ein Zigeunerschnitzel zu bestellen“, sagte Pechstein. Kinder wollten „Mama und Papa“ behauptete Pechstein zudem. 

Pechstein gewann bei Olympischen Winterspielen unter anderem fünfmal die Goldmedaille. Die Sportlerin war 2021 für die CDU in Berlin bei der Bundestagswahl angetreten, jedoch nicht ins Parlament eingezogen.

KStA abonnieren