Ex-Abgeordneter Eppelmann„Ich bin traurig, dass Joachim Gauck aufhört“

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Rainer Eppelmann

Rainer Eppelmann

Berlin – Der einstige Pfarrer und Bürgerrechtler, letzte Verteidigungsminister der DDR und spätere CDU-Bundestagsabgeordnete Rainer Eppelmann, 73, über den Verzicht seines Freundes Joachim Gauck.

Herr Eppelmann, Joachim Gauck hört 2017 auf. Ist das die richtige Entscheidung?

Ich hoffe, dass es für ihn die richtige Entscheidung ist. Ich gehe aber mal davon aus, weil es sich um eine ungeheuer gewichtige Entscheidung handelt und er sie sich deshalb sicher intensiv überlegt hat.

Und wie finden Sie seine Entscheidung persönlich?

Ich bin traurig, dass er aufhört. Denn er ist ein wunderbarer Bundespräsident – offen, politisch, nicht zu gehorsam. Er vertritt seine Meinung und riskiert auch, dass man ihn kritisiert. Er hat das Amt wieder zur vollen Blüte kommen lassen. Von daher bin ich für Deutschland traurig. Er hätte auch noch weiter machen können. Dass er überzeugt, liegt daran, dass er freier und unabhängiger ist als manche seiner Vorgänger.

Wäre das auch Ihre Empfehlung zur Auswahl eines Nachfolgers – einen Unabhängigen zu suchen?

Ich verhehle nicht, dass ich Norbert Lammert für einen wunderbaren Bundespräsidenten halten würde. Aber einer ohne politisches Mandat ist eben eine besondere Chance, weil er eine besondere Unabhängigkeit mitbringt. Er hat auch eine andere Lebenserfahrung. Vielleicht sollte man jemanden nehmen, der eine christliche Ausbildung genossen hat, der versucht, das, was ihm wichtig ist, was er glaubt und denkt, in Einklang zu bringen mit dem, was er handelnd tut und sagt.

Was hat Gauck für die Ostdeutschen bedeutet?

Ein Stück Selbstbewusstsein – genau wie die Kanzlerin. Das tut uns ehemaligen Ostdeutschen natürlich ein Stück wohl, noch dazu, wenn man es gut findet, wie sie beide das anpacken. Und für mich gilt das. Es zeigt, dass wir nicht ganz hinterm Mond gelebt haben. Und es zeigt, dass unsere Demokratie funktioniert – gegen alles Schlechtreden. Die Qualität der Amtsinhaber gibt den Ausschlag und nicht, wo jemand herkommt und wie viele Stimmen er zusammen kratzen kann.

Oft hat man den Eindruck, die Westdeutschen hätten Gauck lieber, während die Ostdeutschen mit seinem Freiheitspathos wenig anfangen könnten und er ausgerechnet in Bautzen zuletzt sogar als Volksverräter beschimpft wurde.

Da fällt mir ein Mitglied aus unserem ehemaligen Friedenskreis ein. Er war mutig und intelligent. Dann hatte er einen Ausreiseantrag gestellt und war drüben. Von dort schrieb er mir plötzlich besorgte Briefe: Wir sollten nicht so viel von Freiheit reden, der Frieden sei doch viel wichtiger. Er selbst hatte aber inzwischen die Freiheit, nach der er sich vorher gesehnt hatte. Joachim hat die Erfahrung der Unfreiheit offenbar nicht vergessen. Und auch für mich wird die Freiheit immer wichtig sein.

Aber Sie stimmen zu, dass viele Ostdeutsche das anders sehen und Gauck kritischer wahrnehmen.

Wenn das so ist, dann denken sie nicht zu Ende oder begehen den Fehler, die Freiheit, über die sie alltäglich verfügen können, für nicht so wertvoll zu halten wie die Dinge, nach denen sie sich sehnen. Und das sind eben für viele Menschen, aus welchen Gründen auch immer, der Wohlstand und die Sicherheit. Im Übrigen leben wir in unruhigen Zeiten. Kein Nachfolger wird sagen können: Alles, was vorher wacklig war, wird jetzt durch mich wieder sicher.

Nun ist unter den aktuell diskutierten Kandidaten bisher kein Ostdeutscher. Bedauern Sie das? Oder ist das mittlerweile egal?

Grundsätzlich ist das egal. Ich würde auch nicht sagen: Das ist ein Ausdruck von Spaltung. Nur wenn es bedeutet, dass allein Westdeutsche dazu in der Lage wären, dann wäre das sicher zu kurzschlüssig.

Das heißt, es gibt außer Gauck noch andere Ostdeutsche, die das Amt ausfüllen könnten?

Ich könnte Ihnen jetzt auf Anhieb keine Namen nennen. Aber ich bin davon überzeugt. Es geht um die Persönlichkeit. Sie allein ist entscheidend.

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