Familie und Beruf unter einem HutEltern wollen Teilzeit-Jobs

Lesezeit 4 Minuten
Bei 17 Prozent der Familien bleibt die Frau alleine mit dem Kind Zuhause.

Bei 17 Prozent der Familien bleibt die Frau alleine mit dem Kind Zuhause.

Berlin – Der Mann hat „in allen das gemeinsame Leben betreffenden Angelegenheiten“ das Sagen, während die Frau „verpflichtet ist, das gemeinschaftliche Hauswesen zu leiten“.  So stand es noch von 60  Jahren im Bürgerlichen Gesetzbuch. Unterdessen ist das Land in Sachen Gleichberechtigung ein paar Schritte vorangekommen, auch was die Gesetzeslage betrifft.  Zudem ist die tradierte Aufgabenteilung, nach der Männer im Job und Frauen im Kinderzimmer zu stehen haben, dem verbreiteten Wunsch gewichen, Familienleben und Berufstätigkeit unter einen Hut zu bringen - für beide Elternteile wohlgemerkt. In einer aktuellen Umfrage der Unternehmensberatungsgesellschaft A.T. Kearney  bezeichnen 91 Prozent der 1000 Befragten die Vereinbarkeit von Familie und Beruf als besonders wichtig für ihr persönliches Wohlbefinden.

Mütter bescheinigen weniger Familienfreundlichkeit

An der Umsetzung allerdings hapert es noch beträchtlich. So bescheinigten zwar 28 Prozent der Väter ihrem Arbeitgeber mehr Familienfreundlichkeit als noch vor einem Jahr. Unter berufstätigen Müttern lag dieser Anteil aber bei nur fünf  Prozent. Demgegenüber befanden zehn Prozent der Frauen, die Familienfreundlichkeit  der Unternehmen habe sogar nachgelassen.  Jeweils etwa ein Drittel von ihnen befürchtet negative Konsequenzen, wenn familienpolitische Leistungen wie die Elternzeit in Anspruch genommen werden: Vorgesetzte und Kollegen reagierten ablehnend, das berufliche Fortkommen sei gefährdet, zugeteilte Aufgaben würden unattraktiver. Zwar hegen auch Väter solche Bedenken, mit Anteilen zwischen 16 und 27 Prozent sind sie aber deutlich seltener.

Die Familienfreundlichkeit deutscher Unternehmen entpuppe sich immer mehr als Wohlfühloase für den Mann, kommentiert Martin Sonnenschein, Zentraleuropachef von A.T. Kearney. Frauen leisteten nach wie vor die Hauptlast der Erziehungs- und Hausarbeit. „Der Lohn dafür sind zum Teil gravierende Nachteile und Einschnitte im Beruf. Die Unzufriedenheit ist hoch. Und sie nimmt zu.“  Der Handlungsdruck in Unternehmen, daran etwas zu ändern, sei offenbar „noch immer nicht hoch genug“, so  Sonnenschein.

Vereinbarkeit als zentrale Voraussetzung

Für Wirtschaft und Gesellschaft sind das alarmierende Befunde.  Denn die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist zentrale Voraussetzung dafür, dass wieder mehr Kinder geboren und so  Bevölkerungsrückgang und Alterung zumindest auf lange Sicht gebremst werden können. Zugleich werden Frauen mit ihren überdurchschnittlichen Schul- und Ausbildungsabschlüssen in den kommenden Jahrzehnten als Fachkräfte stärker gefragt sein denn je.  Folgerichtig gaben vier von fünf Eltern in einer jüngst veröffentlichten Untersuchung des Allensbach-Instituts an, familienpolitische Aktivitäten sollten vor allem auf die bessere Vereinbarkeit von Kind und Karriere gerichtet sein.

Die vom Bundesfamilienministerium in Auftrag gegebene Allensbach-Studie zeigt,  wie eng die Themen Vereinbarkeit und Gleichberechtigung  miteinander verknüpft sind. Von den mehr als 3000 Müttern und Vätern mit Kindern unter sechs Jahren waren vor der Geburt des ersten Kindes mehr als 70 Prozent in Vollzeit beschäftigt. Nach Ende der Elternzeit ergab sich ein völlig anderes Bild: In nur noch 15 Prozent der Familien waren beide Elternteile jeweils mindestens 35 Stunden pro Woche berufstätig, während der Teilzeitanteil der Frauen von 15 auf 55 Prozent anstieg. Der Anteil nicht erwerbstätiger Frauen stieg von acht Prozent vor der Geburt auf 17 Prozent nach der Elternzeit. Insgesamt blieb  die durchschnittliche Wochenarbeitszeit der Väter praktisch konstant, während die der Mütter um fast ein Drittel von 37 auf 25 Stunden sank. Dass damit ohnehin bestehende Unterschiede in der Bezahlung und mit Blick auf die Karriere verstärkt  werden, liegt auf der Hand.

Eltern wollen beide in Teilzeit arbeiten

Wenig überraschend entsprechen  die Vorher-Nachher-Konstellationen den Wünschen der meisten Eltern in weiten Teilen nicht. So befürworten nur zehn Prozent der Eltern das überkommene „Hausfrauenmodell“ mit dem Mann als Alleinverdiener, tatsächlich findet sich diese Aufteilung aber in 17 Prozent der Familien.  Die beliebteste Arbeitsteilung ist dagegen zugleich auch die seltenste: 28 Prozent der Eltern würden gern beide gleichermaßen in Teilzeit arbeiten, nur vier Prozent tun dies auch tatsächlich. Jutta Allmendinger, Präsidentin des Berliner Wissenschaftszentrums für Sozialforschung, spricht sich daher für eine 32-Stunden-Woche als Normalarbeitszeit aus, um Frauen und Männern  gleiche Anteile an der Familienarbeit und der Berufstätigkeit zu ermöglichen. Es gehe darum, die grundlegenden Probleme – ungleiche Bezahlung,  Arbeitszeiten und Aufstiegschancen – anzugehen, fordert die Soziologin.

Der Appell richtet sich freilich nicht allein an Wirtschaft und Politik, sondern an die Väter. Die befanden in der Allensbach-Erhebung mit knapper Mehrheit, die Gleichberechtigung von Mann und Frau sei weitgehend verwirklicht. Sprich: Sie täten genug im Haushalt.  Nur ein gutes Viertel der Mütter äußerte die gleiche Ansicht. Wer da wohl richtig liegt . . .

KStA abonnieren