Maria Lwowa-BelowaWer ist die Putin-Vertraute, die für die Deportation ukrainischer Kinder verantwortlich sein soll?

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Maria Lwowa-Belowa (rechts), Kinderrechtsbeauftragte der Russischen Föderation, spricht mit dem Präsidenten Wladimir Putin im Februar in Moskau.

Maria Lwowa-Belowa (rechts), Kinderrechtsbeauftragte der Russischen Föderation, spricht mit dem Präsidenten Wladimir Putin im Februar in Moskau.

Die russische Kinderrechtskommissarin Maria Lwowa-Belowa soll für die Verschleppung ukrainischer Kinder verantwortlich sein. Wer ist die Frau?

Die Nachricht ging wie ein Lauffeuer um die Welt: Der Internationale Strafgerichtshof (ICC) hat am Freitag einen Haftbefehl gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin erlassen. Dem Kremlchef wird der Vorwurf gemacht, ukrainische Kinder nach Russland verschleppt zu haben. Das ist ein Kriegsverbrechen – und Putin wird persönlich dafür verantwortlich gemacht.

Doch für die Organisation der Deportation junger Ukrainerinnen und Ukrainer zeichnet nach Überzeugung des Strafgerichtshofs neben Putin auch eine Frau verantwortlich: Maria Lwowa-Belowa, Russlands Beauftragte für Kinderrechte. Auch sie wurde vom ICC mit einem internationalen Haftbefehl bedacht. Putin und Lwowa-Belowa müssen nun in 123 Ländern rund um den Globus stets mit einer Verhaftung rechnen. Doch wer ist die Frau, die für die Verschleppung Tausender ukrainischer Kinder verantwortlich sein soll und offenbar selbst einen Jugendlichen aus der Ukraine adoptiert hat?

Wer ist Maria Lwowa-Belowa?

Die 38-jährige Russin hat einen steilen Aufstieg in der Politik erlebt. Zunächst arbeitete sie als Grundschullehrerin, bevor die sich der „Gesamtrussischen Volksfront“, einer von Wladimir Putin gegründeten Dachorganisation für allerlei politische Organisationen, anschloss und in Regionalparlamenten als Abgeordnete tätig wurde. Im Jahr 2019 schloss sie sich der Partei Vereinigtes Russland an, für die sie 2020 in die Staatsduma einzog. Ein Jahr später ernannte Putin sie zur Beauftragten für Kinderrechte.

„Meiner Meinung nach besteht meine Hauptaufgabe darin, alle Aufgaben im Blick zu behalten, das gesamte System zu überblicken und die Leute anzuspornen, wenn es nötig ist“, beschrieb Lwowa-Belowa in einer vom Kreml dokumentierten Unterhaltung mit Putin Mitte Februar ihren Verantwortungsbereich. Seit Beginn der „militärischen Spezialoperation“, wie der Kreml den Krieg in der Ukraine nennt, kümmere sich ihre Behörde vor allem um die „Evakuierung“ von Kindern aus den Kampfzonen. Dabei geht es vor allem um den Donbass, aber auch um die im vergangenen Herbst per Scheinreferenden von Russland annektierten ukrainischen Regionen Cherson und Saporischschja.

In dem Gespräch sagte Putin, dass sich Anfragen von Russinnen und Russen zur Adoption von Kindern aus den Regionen Donezk, Luhansk, Cherson und Saporischschja häufen würden. „Ihr Büro kümmert sich seit einer langen Zeit darum – seit praktisch neun Jahren“, fügte der Kremlchef hinzu. Im Jahr 2014 hat Russland völkerrechtswidrig die ukrainische Halbinsel Krim annektiert. Seit jenem Jahr schwelt auch der Konflikt zwischen ukrainischen Streitkräften und prorussischen Milizen im Donbass, der am 24. Februar 2022 in die russische Invasion der Ukraine mündete. In dieser Zeit hätten vor allem Kinder unter „offenen Aggressionen gegen unsere Leute im Donbass“ gelitten, wiederholte Putin seine Propaganda gegen die Ukraine.

Die Kinderrechtsbeauftragte hat einen 15-Jährigen aus Mariupol adoptiert

Lwowa-Belowa hat offenbar selbst einen Jugendlichen aus der südukrainischen Stadt Mariupol adoptiert, die nach monatelangen Kämpfen von russischen Truppen praktisch dem Erdboden gleichgemacht und eingenommen wurde. Auf eine entsprechende Frage des Präsidenten antwortete die Beauftrage für Kinderrechte, dass sie den 15-Jährigen „dank“ Putin adoptiert habe. „Jetzt weiß ich, was es heißt, Mutter eines Kindes aus dem Donbass zu sein – es ist eine schwierige Aufgabe, aber wir lieben uns, das ist sicher“, so Lwowa-Belowa. Das sei „die Hauptsache“, erwiderte der Kremlchef. Laut Berichten hat die Politikerin zudem fünf biologische Nachkommen und 18 weitere adoptierte Kinder.

Ihr Adoptivkind aus der Ukraine zeigt Lwowa-Belowa besonders gern auf ihrem Telegramkanal, auf dem ihr Tausende Menschen folgen. Daneben sind unzählige Fotos und Videos von der Politikerin zu sehen – immer wieder mit angeblich glücklichen Kindern, die aus der Ukraine nach Russland verbracht wurden und mit Luftballons, Stofftieren oder Schulmaterialien posieren. Dazu gibt es auch einige Fotos von vermeintlichen Ferienlagern.

Berichte über Umerziehungslager in Russland für ukrainische Kinder

Dass diese Lager nicht einfach ein Ferienspaß für kriegsgeplagte Kinder und Jugendliche sind, zeigt ein Bericht der US-Universität Yale aus dem vergangenen Februar. Demnach habe die zuständige Forschungsgruppe Informationen über die Verschleppung von mindestens 6000 ukrainischen Kindern im Alter zwischen vier Monaten und 17 Jahren erhalten, die in Lagern in Russland festgehalten würden. Russland habe 43 Einrichtungen aufgebaut, in die die ukrainischen Kinder gebracht werden, schreiben die Forscher. 41 davon entstanden bereits vor Kriegsbeginn als Sommerlager für russische Kinder. Der Zweck der Lager sei demnach die „Umerziehung“ der ukrainischen Kinder. Die verschleppten Ukrainerinnen und Ukrainer würden in den Einrichtungen „einer auf Russland ausgerichteten akademischen, kulturellen, patriotischen und/oder militärischen Erziehung“ ausgesetzt, heißt es in dem Bericht. In manchen der Lager gebe es zudem militärisches Training.

Laut der Mitteilung vom Freitag geht der Internationale Strafgerichtshof davon aus, dass die Verschleppung von Kindern aus der Ukraine bereits seit dem ersten Tag der Invasion stattfindet. Die Forscher der Yale-Universität berichten sogar, dass die ersten Deportationen bereits Tage vor dem russischen Überfall durchgeführt worden seien. „Es gibt hinreichende Gründe für die Annahme, dass Frau Lwowa-Belowa für die genannten Straftaten individuell strafrechtlich verantwortlich ist, da sie die Taten unmittelbar, gemeinsam mit anderen und/oder durch andere begangen hat“, schreibt das Gericht.

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