Umgang mit AfD-Mitarbeitern im Bundestag„Wenn jemand im Aufzug die sechs drückt, grüße ich diese Person nicht“

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Blick am frühen Morgen auf das Reichstagsgebäude.

Blick am frühen Morgen auf das Berliner Reichstagsgebäude. Mitarbeiter anderer Parteien haben zum Teil Angst vor Mitarbeitern der AfD.

Recherchen zufolge arbeiten für die Bundestagsfraktion der AfD mehr als 100 Rechtsextreme.

Für die Bundestagsabgeordneten der AfD arbeiten mehr Rechtsextreme als bislang bekannt war. Eine Recherche des Bayrischen Rundfunk (BR) deckte auf, dass die AfD-Fraktion im Bundestag und deren Abgeordnete mehr als 100 Mitarbeiter beschäftigen, die in rechtsextremen Organisationen tätig sind - darunter Aktivisten aus dem Umfeld der „Identitären Bewegung“ und Neonazis. 

Dem BR zufolge hat mehr als die Hälfte der AfD-Abgeordneten Personen im Mitarbeiterteam, die in Organisationen aktiv sind, die vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft werden - darunter auch die Fraktionsvorsitzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla. Wer eingestellt wird, entscheidet jeder Parlamentarier selbst. Die meisten mit der Recherche konfrontierten Bundestagsabgeordneten wollten gegenüber dem BR dazu nicht Stellung nehmen, einige stellten die Unabhängigkeit des Verfassungsschutzes in Frage.

Wie wirken sich solche Nachrichten auf die Stimmung bei den Bundestagsmitarbeitern der anderen Fraktionen aus? Und wie geht man mit Rechtsextremisten um, die auf den gegenüberliegenden Fluren arbeiten? Mitarbeiter von Bundestagsabgeordneten aus NRW zufolge existiert ein Austausch mit der AfD kaum bis gar nicht.

FDP-Mitarbeiter: „Ich will mit diesen Leuten einfach nichts zu tun haben“

„Wir meiden diese Leute“, sagt Alexander Drews über die AfD-Mitarbeiter im Bundestag. Drews, der eigentlich anders heißt, arbeitet für einen FDP-Abgeordneten aus Nordrhein-Westfalen im Bundestag. Seinen richtigen Namen möchte er nicht in der Presse lesen – er wolle nicht zur Zielscheibe werden, sagt er. Schließlich habe ein AfD-Abgeordneter erst eine Woche zuvor öffentlich gefordert, Mitarbeitern das Tragen einer Waffe zu erlauben.

Im Berliner Jakob-Kaiser-Haus sitze die Fraktion der AfD im kompletten sechsten Stock und in einem Teil des fünften. „Wenn jemand im Aufzug auf die sechs drückt, dann grüße ich diese Person nicht.“ Andere Fraktionen halten es seines Wissens ähnlich. Die Raucher-Terrasse der AfD-Mitarbeiter meide er, wenn sie doch alle mit der Zigarette in der Hand zusammenstehen, dreht er ihnen den Rücken zu. „Ich will mit diesen Leuten einfach nichts zu tun haben“, sagt Drews. „Ich habe einen Migrationshintergrund. Was soll ich also mit denen? Ein Gespräch mit ihnen hätte für mich null Mehrwert.“ Seit „dieser Möchtegern-Wannseekonferenz“ in Potsdam gehe er AfD-Mitarbeitern noch mehr aus dem Weg als früher. „Uns allen wäre es glaube ich am liebsten, wenn diese Partei nicht im Bundestag sitzen würde“, sagt Drews. „Aber der Wähler hat so entscheiden. Wir müssen das jetzt aushalten. Schön ist es aber nicht.“

„Wenn die Herzkammer der Demokratie mit Rechtsextremen besetzt ist, fühlt sich das bedrohlich an“

Felix Lorenz arbeitet schon seit 2014 in der Politik, er kennt den Bundestag gut. Und er kennt den Unterschied zwischen vor und nach dem Einzug der AfD. Heute leitet er das Büro eines Grünen-Abgeordneten aus Nordrhein-Westfalen, auch er heißt eigentlich anders. „Früher war es normal, dass sich Mitarbeiter aller Fraktionen auf dem Flur gegrüßt haben. Es war ein deutlich offeneres, kollegialeres Miteinander“, sagt Lorenz. Das habe sich gewandelt – gerade, wenn man einen AfD-Flur durchkreuze.

Im August 2020 bedrängten „Querdenken“-Demonstranten im Bundestag Politiker, offenbar hereingeschleust von der AfD. „Da wurde klar, wie leicht es für Personen mit solchen Motiven geworden ist, in dieses Haus zu kommen und eine konkrete Bedrohung dazustellen“, sagt Lorenz. „Wenn die Herzkammer der Demokratie von innen mit Rechtsextremen besetzt ist, die dort ein- und ausgehen, fühlt sich das natürlich bedrohlich an.“

Mit den Fraktionen der SPD, FDP, CDU und Linken tausche man sich noch immer aus, sagt Lorenz. „Das ist demokratisches Miteinander.“ Mit den Mitarbeitern der AfD gebe es keine Gespräche. Das sei auch irgendwie naheliegend, sagt Lorenz – schließlich seien die Grünen „der erklärte Hauptfeind“ der AfD. „Gespräche mit der AfD haben für uns keinen Sinn, weil sich deren Motive gegen unsere parlamentarische Demokratie richten.“

SPD-Mitarbeiter: „Kein Erkenntnisgewinn“ durch Gespräche mit AfD-Mitarbeiter

Ähnlich schildert es ein Mitarbeiter eines SPD-Abgeordneten aus Nordrhein-Westfalen. „Mit den Mitarbeitern der anderen Fraktionen tauscht man sich viel aus und ist schnell beim Du“, sagt er. An Abgeordneten der AfD ginge man in den Gängen grußlos vorbei, seit dem Potsdamer Treffen würden ihn solche Begegnungen gar anekeln. „Mit der AfD tauschen wir uns nicht aus. Sie sind so wenig interessiert an einem Erkenntnisgewinn in einer Diskussion, dass es in meinen Augen überhaupt keinen Sinn ergibt.“

Das Büro eines CDU-Abgeordneten aus NRW teilt mit, sie hätten „erfreulicherweise keinerlei Berührungspunkte mit Mitarbeitern von Abgeordneten der AfD“, das Büro einer weiteren Abgeordneten schreibt, keiner von ihnen habe bisher schlechten Erfahrungen mit AfD-Mitarbeitern gemacht.

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