Türkische RechtsextremistenKölner Professor kritisiert naiven Umgang mit Grauen Wölfen

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Eine Hand zeigt den "Wolfsgruß" der Grauen Wölfe während einer Pro-Türkischen Demonstration.

Den „Wolfsgruß“ zeigen Anhänger der Grauen Wölfe.

Kemal Bozay, Kölner Professor für Sozialwissenschaften, erklärt, warum viele Politiker zu naiv mit den Grauen Wölfen umgehen.

Herr Professor Bozay, welches Gefahrenpotenzial geht von den Grauen Wölfen in Deutschland aus?

Kemal Bozay: Türkische Rechtsextremisten sind genauso gefährlich wie deutsche Neo-Nazis. Die Grauen Wölfe folgen denselben Leitbildern: Rassismus, eine Überhöhung des eigenen Volkes, Homophobie, die Leugnung des Völkermordes an Armeniern und Juden, Gewalt als politisches Mittel, Führerkult. Einzig die religiöse Komponente unterscheidet beide Strömungen. Während deutsche Faschisten das Christentum ablehnen, gehört eine erzkonservative Islam-Ideologie zum Weltbild der Grauen Wölfe.“

Wie einflussreich sind die türkischen Faschisten in Deutschland?

Die Ülkücü-Bewegung ist mit ihrer rechtsextremistischen Ideologie gerade auch in türkischstämmigen Milieus in den vergangenen Jahren sehr viel stärker geworden. Das heißt, in diesen Communitys haben ultrarechte Gedankenmuster erheblich zugenommen.

Was passiert da gerade?

Zum einen färbt die nationalistische Politik des Erdogan-Regimes auch auf hiesige, türkische Migrationskreise ab. Da wird sehr stark polarisiert. In den Kontext passt der Streit um das Kölner Mahnmal zum Völkermord an den Armeniern durch das osmanische Reich, dem während des Ersten Weltkrieges 1,5 Millionen Menschen zum Opfer fielen. Letztendlich hat der Druck der extremrechten türkischen Dachverbände eine dauerhafte Gedenkstätte zum Genozid an den Armeniern verhindert. Es ist nicht akzeptabel, dass die Stadtspitze um Oberbürgermeisterin Henriette Reker vor dem Druck türkischer Nationalisten eingeknickt ist. Als der Bundestag in der Armenien-Resolution den Völkermord anprangerte, setzte eine Lynchkampagne insbesondere gegen türkischstämmige Politiker ein.

Graue Wölfe als verlängerter Arm des Staatspräsidenten Erdogan

Die Grünen bezeichnen die Grauen Wölfe, ein Ableger der ultranationalistischen Partei MHP, als verlängerten Arm des Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan.

Das ist richtig. Seit Jahren schlägt die Erdogan-Partei AKP zusehends nationalistische Töne an. Dadurch gewann der Machthaber in Ankara auch in der MHP einen neuen Bündnispartner. Dieser Pakt bedeutet auch eine Stärkung der Grauen Wölfe in Deutschland. Zugleich arbeiten die Vereine der türkischen Faschisten hierzulande eng mit Strukturen der AKP zusammen. So etwa mit der Union internationaler Demokraten, die ihre Zentrale in Porz unterhält. Hier wird massiv Lobbyarbeit für Themen der türkischen Politik betrieben. Und nun soll auch noch die neugegründete Partei „Demokratische Allianz für Vielfalt und Aufbruch“ (Dava) im Auftrag Ankaras bei der Europawahl in Deutschland antreten, um bei den 2,5 Millionen Deutschen mit türkischen Wurzeln auf Stimmenfang zu gehen. Damit möchte Erdogan ein Bein in die bisher verschlossenen EU-Tür setzen.

Wie eng sind die Verbindungen zur staatlich gelenkten Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion DITIB?

In etlichen DITIB-Strukturen auf lokaler Ebene sind Einflüsse der Grauen Wölfe erkennbar. Auch distanziert sich der Moscheen-Dachverband nicht von den Rechtsextremisten.

Treffen zwischen NRW-Politikern und Grauen Wölfen

Immer wieder sorgen Treffen zwischen Abgeordneten gerade auch aus NRW mit Protagonisten der Grauen Wölfe für Schlagzeilen, sind die hiesigen Politiker zu naiv oder steckt mehr dahinter?

Zunächst einmal suchen die Grauen Wölfe massiv in kommunalpolitische Prozesse einzugreifen, das reicht aber auch bis hin zu Einflussnahmen auf Parlamentarier auf kommunaler und Landesebene.

Können Sie Beispiele nennen?

Bei den Kommunalwahlen haben beispielsweise Anhänger der Grauen Wölfe versucht, über Parteilisten der SPD und der CDU zu kandidieren. So etwa in Duisburg, Bielefeld oder anderen Städten im Ruhrgebiet. Ein weiterer Punkt ist der, dass man in vielen großen Städten versucht, auch in den Integrationsräten Einfluss zu nehmen. Allerdings sei auch gesagt, dass manche Politiker mit dem Ziel zu integrieren sehr blauäugig agieren und sich dann auch vor Symbolen der Grauen Wölfe ablichten lassen. Ein großes Maß von Naivität spielt da eine Rolle, mitunter aber auch das Ziel, in diesen Kreisen Wählerstimmen einzufangen.

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