Immer mehr Schüler mit SmartphoneSchulministerium will kein Handyverbot an Grundschulen verhängen

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Ein Mädchen hält ein Smartphone im Klassenraum ein Smartphone in der Hand.

Eine Schülerin nutzt ihr Handy im Unterricht.

Weil immer mehr Grundschüler ein Smartphone haben, verhängen Kölner Grundschulen Handyverbote in Eigenregie.

Ein vom Land verhängtes Handy-Nutzungsverbot an Grundschulen wird es in Nordrhein-Westfalen nicht geben. „Eine Verschärfung oder Lockerung wird in NRW derzeit nicht diskutiert“, erklärte das Ministerium von Schulministerin Dorothee Feller (CDU) auf Anfrage des Kölner Stadt-Anzeiger. Die bundesweite Debatte über ein solches Verbot war aufgekommen, weil die schleswig-holsteinische Schulministerin Karin Prien (CDU) sich für ein solches Verbot ausgesprochen hatte. Sie prüfe, dazu einen Erlass für ihr Bundesland herauszugeben, hatte Prien erklärt. Ihr Argument: Kinder seien immer weniger draußen. Turnen, Fahrradfahren, Hüpfen – all das komme durch die Smartphonenutzung zu kurz, weil die Kinder sich mehr mit dem digitalen Raum als miteinander beschäftigten.

Damit stößt Prien etwas an, das es bislang in nur einem Bundesland gibt: Bayern hatte bis zum vergangenen Schuljahr die strengsten Handyregeln. Bis zum Schuljahr 2022/23 war dort das Nutzen von Handys grundsätzlich verboten. Inzwischen dürfen die weiterführenden Schulen selbst entscheiden, wann, wo und für wen Handys erlaubt sind. Aber an den bayerischen Grundschulen gilt weiterhin das Handyverbot. In Frankreich gibt es schon seit fünf Jahren ein Handyverbot für Schüler unter 15 Jahren. Auch die Niederlande wollen Handys ab 2024 in Klassenzimmern verbieten.

Schulen sollen Regeln selber festlegen

In NRW gibt es derzeit keine schulgesetzlichen Regeln zur Nutzung von Handys an Schulen. Im Ministerium verweist man darauf, dass die Schulen in eigener Verantwortung die Regeln für den Umgang mit den Handys durch ihre Schulkonferenzen vor Ort bestimmen können. So könne etwa die Schulordnung die Nutzung von Handys auf dem Schulgelände einschränken, etwa durch die Errichtung von „Handyzonen“. So kann etwa auch die Handynutzung im Unterricht untersagt werden oder ein generelles Nutzungsverbot auf dem Schulgelände eingeführt werden.

Bei einer aktuellen repräsentativen Befragung im Auftrag des Digitalverbands Bitkom unter 14- bis 19-jährigen Schülerinnen und Schülern gaben 54 Prozent an, dass die private Nutzung der Geräte auf ihrem Schulgelände verboten ist. Bei 34 Prozent ist die Nutzung in den Pausen oder Freistunden erlaubt. Ein Verbot, das sich auch auf das bloße Mitbringen eines Handys bezieht, ist allerdings gesetzlich nicht möglich. Es müsse sichergestellt sein, dass Schülerinnen und Schüler im Falle eines berechtigten Interesses das Handy verwenden könnten, hieß es dazu aus dem Schulministerium.

Waren Smartphones bis vor einigen Jahren nur an weiterführenden Schulen Thema, besitzen inzwischen auch immer mehr Grundschulkinder ein Handy. Eigentlich rät die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung in ihren Elterninformationen dazu, Kindern unter neun Jahren kein eigenes Handy zur Verfügung zu stellen. Aber laut einer Erhebung des Digitalverbands Bitkom nutzen inzwischen 66 Prozent der sechs- bis neunjährigen Kinder ein Handy. Bei den Zehn- bis Zwölfjährigen sind es demnach sogar 92 Prozent.

Smartwatches im Unterricht: „Ständig piepste irgendeine dieser Uhren“

Genau deshalb verhängen viele Kölner Grundschulen in Eigenregie ein Handyverbot als Schulregel. Für die Leiterin der Montessori-Grundschule Gilbachstraße, Johanna Schubert, war der Zeitpunkt gekommen, als nicht nur Handys das Thema waren, sondern zunehmend mehr Kinder mit einer Smartwatch in die Schule kamen. Das ist eine Uhr, mit der Textnachrichten und Anrufe empfangen werden können und mit dem die Eltern ihr Kind darüber hinaus per GPS tracken können. „Ständig piepste irgendeine dieser Uhren“. Die Schulleitung ging mit den Eltern in einen Dialog, mit dem Ergebnis, dass Handys und Smartwatches nun verboten sind. „Es ist gerade für Grundschulkinder wichtig, sich ganz auf das Lernen und die Sozialkontakte zu fokussieren“, erläutert sie. Die Kinder müssten lernen, sich ohne Ablenkung zu vertiefen.

Die Kinder sollen im Raum Schule eigenständig und selbstständig unterwegs sein und nicht immer über das Handy nachverfolgbar und erreichbar sein
Daniela Baumgarten, Schulleiterin der Peter-Lustig-Grundschule Ossendorf

Auch an der Grundschule Merianstraße in Chorweiler und an der Peter-Lustig-Grundschule in Ossendorf sind Handys und Smartwatches verboten. Wobei verboten heißt, die Handys müssen – wenn sie denn doch mitgebracht werden - ausgeschaltet in den Schultaschen sein, ebenso wie die Smartwatch. Ein Mitbringverbot geht gesetzlich nicht. „Die Kinder sollen im Raum Schule eigenständig und selbständig unterwegs sein und nicht immer über das Handy nachverfolgbar und erreichbar sein“, erläutert Schulleiterin Daniela Baumgarten.

Es brauche ein ministerielles Verbot schlicht nicht, weil die Schulen das pragmatisch selbst regeln, fasst Karsten Stoltzenburg, Schulleiter an der Grundschule Lohmarer Straße in Humboldt-Gremberg, zusammen. Auch an seiner Schule müssen die Handys im Unterricht und auf dem Schulhof ausgeschaltet in den Taschen bleiben. Das klappe problemlos. Andere Themen seien viel wichtiger als Debatten über ein ministeriell verordnetes Verbot an den Grundschulen.

„Immer mehr Kinder haben nämlich inzwischen schon in der Kita ein Handy“, hat er festgestellt. Beim Infoabend seiner Schule für die angehenden Erstklässler fragt er die Eltern inzwischen, wie viele der Kitakinder ein Handy haben. Er sei erschrocken, wie viele Hände da hochgehen. „Das sind Kinder, die statt draußen zu spielen und sich zu bewegen vor dem Bildschirm spielen. Diese Entwicklung ist von den Auswirkungen her – auch im Hinblick auf die Kompetenzen, mit denen sie in die Grundschule kommen - dramatisch.“

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