Es geht um acht Milliarden EuroNRW-Finanzminister Optendrenk will bei „Schattenhaushalten“ mehr Transparenz schaffen

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Marcus Optendrenk, Finanzminister des Landes Nordrhein-Westfalen (links, CDU), und Hendrik Wüst, Ministerpräsident von NRW (r.) sitzen bei einer Aktuellen Stunde im Landtag von Nordrhein-Westfalen im Plenum.

Marcus Optendrenk, Finanzminister des Landes Nordrhein-Westfalen (links, CDU), und Hendrik Wüst, Ministerpräsident von NRW (r.) im Landtag von Nordrhein-Westfalen im Plenum.

Im Landeshaushalt gibt es rund acht Milliarden Euro, die sich der parlamentarischen Kontrolle entziehen.  Ein Unding, findet nicht nur der Landesrechnungshof. 

Die Bildung von stillen Reserven in staatlichen Haushalten war ursprünglich nur für den Bereich der Inneren Sicherheit und für die Bundeswehr vorgesehen – zum Beispiel, um nachrichtendienstliche Operationen zu finanzieren, die geheim bleiben sollten. Deshalb war der Einsatz von sogenannten „Selbstbewirtschaftungsmitteln“ (SBW) über Jahrzehnte die absolute Ausnahme in der Haushaltspolitik. Das hat sich gravierend verändert.

Dirk Wedel: „Unkontrollierte Haushaltsmittel sind ein dunkler Fleck in unserem demokratischen System“

Durch mehrere Anfragen der Opposition an das NRW-Finanzministerium kam ans Licht, dass der Rückgriff auf Selbstbewirtschaftungsmittel in den vergangenen Jahren in allen Ressorts der Landesregierung zur Normalität geworden ist. „Unkontrollierte Haushaltsmittel sind ein dunkler Fleck in unserem demokratischen System“, kritisiert Dirk Wedel, Haushaltsexperte der FDP-Landtagsfraktion. Es sei an der Zeit, Licht in das Dunkel der „Schattenhaushalte“ zu bringen.

Durch die Selbstbewirtschaftungsmittel verfügen alle Ministerien über üppige Finanzpolster, über die sie frei verfügen können. Nach Angaben des Steuerzahlerbundes in NRW (BdSt) befanden sich 2014 rund 700 Millionen Euro in den Sondertöpfen – zu Beginn des Jahres 2024 waren es fast acht Milliarden Euro.

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Der Einsatz von Selbstbewirtschaftungsmitteln ist besonders attraktiv. Der Clou: Anders als die normalen Zuweisungen fließen sie am Ende des Jahres nicht in den allgemeinen Haushalt zurück, wenn sie nicht verbraucht werden, sondern bleiben den Ressorts zur weiteren Verwendung erhalten. Ein „geheimes Sparschwein“, das sich bislang der parlamentarischen Kontrolle entzieht. Denn in den folgenden Haushaltsrechnungen tauchen die Mittel bisher nicht mehr auf.

Steuerzahlerbund kritisiert: „Instrument wird zu häufig genutzt“

Laut Steuerzahlerbund wird das Instrument „zu häufig genutzt und zu hoch veranschlagt“. Die Gelder würden „häufig nicht nach dem tatsächlichen Bedarf ausgerichtet“. Selbstbewirtschaftungsmittel werden zum Beispiel zur Finanzierung von mehrjährigen Projekten im Baubereich oder bei der Beschaffung umfangreicher Ausstattungen im IT-Bereich oder bei Fahrzeugen eingesetzt. 

Auch der Landesrechnungshof (LRH) kritisiert den gigantischen Aufwuchs der Sondermittel. Die Bestände hätten „mittlerweile den Charakter von Dauerfonds angenommen“, bemängelte LRH-Präsidentin Brigitte Mandt. Die Zulassung der Selbstbewirtschaftung sollte „sehr restriktiv gehandhabt“ werde. Schließlich würden wesentliche Haushaltsgrundsätze – wie das parlamentarische Budget – und Kontrollrecht „durchbrochen“. Manfred Lehmann, Vorsitzender der Deutschen Steuergewerkschaft in NRW, erläutert: „Aufgrund der kameralen Aufstellung des Landeshaushaltes fehlt ein Überblick darüber, in welchen Ressorts für welche Zwecke wieviel Geld noch, in den Kassen ist. Denn die Kameralistik sieht eine Zusammenstellung der nicht verausgabten Mittel nicht vor.“

Den Liberalen sind die „Schattenetats“ ein Dorn im Auge. Sie haben jetzt Gesetzentwurf vorgelegt, der für mehr Transparenz bei den Selbstbewirtschaftungsmitteln sorgen soll. Bei einer Expertenanhörung im Landtag stieß die Initiative jetzt auf volle Unterstützung bei den Gutachtern. Badem-Württemberg hat den Einsatz der Sondermittel bereits aus der Haushaltsordnung gestrichen.

Simon Rock (Grüne) nennt die Kritik der FDP „scheinheilig“

Simon Rock, finanzpolitischer Sprecher der Grünen, hält die Kritik der FDP für „scheinheilg“ – schließlich sei Instrument in der Zeit der schwarz-gelben Landesregierung von 2017 bis 2022 ausgebaut worden sei. Der Einsatz sei „in vielen Fällen sinnvoll“ für die Menschen in NRW: „So kann es beispielsweise vorkommen, dass ein plötzlich auftretendes Hochwasser den Weiterbau von Deichbaumaßnahmen verzögert, auch über das Haushaltsjahr hinaus. Damit trotzdem im neuen Jahr ohne weitere bürokratische Verzögerung weitergebaut werden kann, wird die Maßnahme aus Selbstbewirtschaftungsmitteln finanziert“, so Rock.

Ein Sprecher von NRW-Finanzminister Marcus Optendrenk (CDU) kündigte auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ Reformabsichten an. So sei ab dem Haushaltsplanentwurf 2025 eine Darstellung über die Bestände der zum 31. Dezember 2023 nicht verbrauchten Selbstbewirtschaftungsmittel „in den Erläuterungen zu jedem betroffenen Haushaltstitelvermerk der Einzelpläne beabsichtigt“. Darüber hinaus soll der Bestand der nicht verbrauchten Mittel „in einer Summe im Vorwort jedes Einzelplans zusammengefasst dargestellt“ werden. Das Finanzministerium stellte klar, Selbstbewirtschaftungsmittel würden „ausschließlich für die im Haushaltsplan ursprünglich vorgesehenen Zwecke“ verwendet.

FDP verlangt gesetzliche Regelung

Der Bund der Steuerzahler feiert die Ankündigung als Erfolg. Der jetzt eingeschlagene Weg sollte nicht aber nur zu mehr Transparenz, sondern „auch zum Abbau der Selbstbewirtschaftungsmittel insgesamt führen“, fordert Rik Steinheuer, BdSt-Chef in NRW.

Dem FDP-Politiker Wedel gehen die Pläne nicht weit genug. Minister Optendrenk wolle den FDP-Gesetzentwurf unnötig darstellen, sagt er dem „Kölner Stadt-Anzeiger“: „Eine gesetzliche Regelung ist aber unerlässlich, um zukünftig Schattenhaushalte zu verhindern“, so Wedel.

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