KommentarNeue NRW-Lesezeit reicht nicht, um der Katastrophe an den Grundschulen zu begegnen

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Ein Erklässler sitzt vor einer Buchstabentafel.

Wer am Ende der Grundschule nicht richtig lesen kann, der lernt es oft sein ganzes Leben nicht.

Dass ein Viertel der deutschen Kinder nicht mehr richtig lesen kann, gefährdet die Demokratie. Darum muss mehr passieren. Schnell.

Seit 20 Jahren belegen immer neuen Studien die sinkende Lesekompetenz der Grundschüler und werden von der Politik für „alarmierend“ befunden. Passiert ist: nichts. Nachdem die jüngste IGLU-Lesestudie belegt hat, dass in NRW inzwischen mehr als ein Viertel der Kinder am Ende der Grundschule selbst einfache Texte nicht lesen können, hat Schulministerin Dorothee Feller (CDU) reagiert und dreimal 20 Minuten verpflichtende Lesezeit pro Woche eingeführt.

Das ist ein Anfang. Aber – das sagen alle, die sich mit dem Lesenlernen auskennen – es reicht nicht, um dieser Katastrophe zu begegnen. Denn nichts anderes ist es, wenn ein Viertel der deutschen Kinder die wichtigste Kulturzugangstechnik nicht mehr lernen. Nicht lesen zu können heißt nicht einfach eine Beschäftigung weniger zu haben.

Die wichtigste Schulform ist mit den wenigsten Ressourcen ausgestattet

Es bedeutet, abgeschnitten zu sein von jeder gesellschaftlichen Teilhabe. Das betrifft jedes Jahr hunderttausende Kinder, die kein gutes Leben haben werden, nicht die Renten der Babyboomer erwirtschaften und die nicht dafür sorgen können, dass unsere Demokratie fortbesteht. Das Ungerechte ist, dass es soziale Herkunft oder Migrationshintergrund sind, die sie ins Abseits befördern. Denn für sie gilt: Wenn die Grundschule nicht fördert, fördert keiner. Weil Zuhause keiner fördern kann oder keine Ressourcen dafür hat.

Angesichts eines solchen Befundes ist es nicht hinnehmbar, dass die Grundschule in Deutschland die Schulform ist, die am wenigsten mit Ressourcen ausgestattet ist. Da, wo die lebensentscheidenden Dinge gelernt werden, gibt es am wenigsten Lehrkräfte und am meisten Quereinsteiger. Statt Tablets müssen wir Menschen in die Grundschulen holen, die einzeln mit denen üben, mit denen zu Hause keiner übt. Die gute Nachricht: Jeder, der ein Ehrenamt sucht, kann hier einen wertvollen gesellschaftlichen Beitrag leisten, der sofort wirkt.

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