Gleichberechtigung„Mein Mann übernimmt die Aufgaben, die er gerne macht. Ich Dinge, die mir wichtig erscheinen“

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Bruno Eickholt und Claudia Schmidt sprechen über die Gleichstellung in ihrer Beziehung.

Bruno Eickholt und Claudia Schmidt versuchen sich nicht über jeden Kleinkram in der Haushaltsführung des anderen aufzuregen. „Wir müssen lernen, uns auch gegenseitig zu lassen.“

Claudia Schmidt (58) und Bruno Eickholt (76) aus Köln haben einen erwachsenen Sohn. Wir haben mit ihnen über Gleichberechtigung in ihrer Beziehung gesprochen – getrennt voneinander.

Claudia

Wie haben Sie sich kennengelernt?

Claudia: Wir haben zusammen im Chor gesungen. Zunächst war das nur eine Bekanntschaft. Nach einigen Jahren bin ich mit einer Freundin zusammengezogen und er half uns beim Renovieren. Da wurden wir dann ein Paar.

Was mögen Sie an Ihrem Mann?

Er singt voller Inbrunst, das finde ich toll. Überhaupt verbindet uns die Liebe zur Musik. Wir sind uns aber auch in vielen anderen Punkten ähnlich. Wir kommen beide aus Familien, in denen höhere Bildung nicht selbstverständlich war. Wir sind deshalb beide bescheiden und brauchen kein Leben im Luxus.

War eine gleichberechtigte Beziehung immer wichtig für Sie?

Das war für mich immer selbstverständlich, schon als ganz junge Frau. Mir war mein Job immer wichtig, ich wollte niemals finanziell von jemandem abhängig sein. Selbst für mich aufkommen zu können, war für mich immer zentral.

War das in Ihrem Elternhaus anders?

Ja. Meine Oma durfte nicht einmal eine Ausbildung machen, die musste mit 14 Jahren im Wald Holz hacken. Die hätte aber mehr schaffen können, wenn es andere Strukturen gegeben hätte. Meine Mutter hat diese Hausfrauenrolle selbst gewählt und ist in ihren Aufgaben aufgegangen. Aber das war nicht meins. Das war mir zu wenig.

Wie haben Sie das nach der Geburt Ihres Sohnes gehandhabt?

Mein Mann hatte angeboten, in Elternzeit zu gehen. Er wurde sehr spät Vater und hatte dementsprechend einen großen Wunsch, möglichst viel Zeit mit seinem Sohn zu verbringen. Allerdings hätten wir uns dann finanziell sehr einschränken müssen, weil er damals deutlich mehr verdient hat als ich. Vielleicht hätten wir es wagen sollen. Aber am Ende lief es dann so: Ich bin nach einem halben Jahr wieder arbeiten gegangen. Unser Sohn kam in die Kita. Mein Mann brachte ihn morgens dort hin, ich holte ihn nachmittags ab. Zusätzlich hat mein Mann einen ganzen Tag in der Woche mit ihm zu Hause verbracht. Emotional war das für mich einerseits schwierig. Andererseits habe ich mich sehr verantwortlich gefühlt für meinen Job.

Claudia: „Wenn ich heute darüber nachdenke, wäre ich gerne das ganze erste Jahr zu Hause geblieben“

Wer hat sich am Ende mehr gekümmert?

In den ersten Jahren lag die Kinderbetreuung mehr bei mir. Ich habe unseren Sohn relativ lange gestillt, da fehlten meinem Mann die körperlichen Voraussetzungen. Er hat sich aber immer stark eingebracht. Schon am Anfang. Er ist zum Beispiel immer nachts aufgestanden und hat mir das Kind gebracht. Er konnte seine Arbeitszeiten auch ziemlich flexibel einteilen.

Ich fühlte mich da in einem engeren Korsett, weil ich zu festen Zeiten im Büro sein musste und am frühen Nachmittag dann wieder im Kindergarten. Anfangs ist mir das sehr schwergefallen. Ich fühlte mich sehr gespalten zwischen diesen Rollen, denn ich war vor der Geburt unseres Sohnes immer gewohnt, so arbeiten zu können, wie ich das eben für richtig hielt. Seit unser Sohn sechs Jahre alt ist, unternimmt mein Mann auch manchmal kleine Reisen mit ihm.

Hätten Sie im Nachhinein die Kinderbetreuung gerne anders geregelt?

Wenn ich heute darüber nachdenke, wäre ich gerne das ganze erste Jahr zu Hause geblieben. Damals fühlte ich mich so verpflichtet, heute weiß ich aber, wegen ein paar Monaten mehr Pause wäre die Welt natürlich auch auf der Arbeit nicht zusammengebrochen. Damals hat mich das zerrissen. Das ist aber ein gesamtgesellschaftliches Thema. In Ländern, in welchen es als normal gilt, dass Mütter nach einigen Monaten wieder arbeiten, ist das schlechte Gewissen sicher auch nicht so groß wie hier.

Ich wurde auch von einigen Menschen aus meinem Umfeld für eine Rabenmutter gehalten. Unterschwellig war das zu spüren. Meine Mutter fand das beispielsweise unverständlich, wie man ein so kleines Kind abgeben kann. Ich glaube auch mein Mann hätte es schöner gefunden, wenn unser Sohn nicht schon so früh in einer staatlichen Institution gelandet wäre. Ich selbst dachte aber, dass er dort ja auch Kontakte zu anderen Kindern knüpft, die er als Einzelkind zu Hause nicht gehabt hätte. Außerdem fängt mich die Arbeit auch immer wieder auf und gibt mir tatsächlich Kraft in schwierigen Lebenssituationen. Einfach, weil ich da meine Routinen habe.

Wie haben Sie das mit dem Haushalt aufgeteilt?

Mein Mann bringt sich schon sehr ein. Allerdings ist die Verteilung unterschiedlich. Er übernimmt die Aufgaben, die er gerne macht. Die Wäsche zum Beispiel, bügeln, Fenster putzen. Und ich übernehme die Aufgaben, die mir wichtig erscheinen. Toilette, Badezimmer, Böden wischen. Wenn ich ihm auftragen würde, dass er das auch mal übernehmen soll, dann würde ihn das nerven. Er will das aus freien Stücken anbieten und das dann auch auf seine Art erledigen. Meine Aufgabe ist, das zu akzeptieren.

Gestern sagte er, er habe Staub gesaugt und ich fragte: Wo denn? Weil in meinen Augen eben doch noch ein paar Krümel zu sehen waren. Aber ich versuche, mich daran zu gewöhnen. Man kann sich auch nicht wegen jedes Kleinkrams auseinandersetzen. Ich mache schließlich auch nicht alles zu seiner Zufriedenheit. Also müssen wir lernen, uns gegenseitig auch mal zu lassen. Das ist ein Prozess. Aber es tut am Ende gut.

Wie handhaben Sie das mit dem Geld?

Die Finanzen waren bei uns immer getrennt. Wir haben jeder ein Konto, jeder hat sein eigenes Geld. Die Ausgaben werden ziemlich genau aufgeteilt. Alltag, Urlaub, Kosten fürs Kind, Anschaffungen. So haben wir uns nie über Geld streiten müssen. Diese Wohnung haben wir von Ersparnissen gekauft und da ich weniger hatte als mein Mann, zahle ich ihm das nun in Raten zurück. Generell haben wir uns immer viele Sorgen um die Finanzen gemacht, auch bei der Entscheidung, wer wann wie lange in Elternzeit geht. Heute denke ich manchmal, wir hätten da mehr wagen können.

Wie ist es mit Freizeit? Wer hat mehr?

In den vergangenen zwanzig Jahren hatte ich sehr wenig Freizeit. Alle paar Monate habe ich eine Doppelkopfrunde oder meinen Literaturkreis. Ich versuche, Freundschaften zu pflegen, die mir wichtig sind und joggen zu gehen. Es gab Zeiten, da kam ich zu gar nichts mehr. Nur meinem Chor habe ich immer die Treue gehalten, da hörte mein Mann irgendwann auf. Auch heute habe ich sehr wenig Zeit für mich, da ich mich nach dem Tod meiner Eltern auch um ziemlich viel kümmern muss. Und ich kann nicht mehr so viel leisten wie früher.

Wie ist das mit Ihrem Sohn? Wird der mal ein gleichberechtigter Partner werden?

Das ist eine gute Frage. Wahnsinnig engagiert im Haushalt ist er nicht. Manchmal legen wir seine Sachen nur vor seine Tür, damit er das dann selbst wegräumt. Das liegt dann dort auch mal einige Zeit. Ich hätte da vielleicht mehr Energie reinstecken müssen. Ich dachte oft, es geht schneller, wenn ich das mache und hab ihm zu viel abgenommen. Ich hoffe dennoch, wir konnten ihm vermitteln, dass beide Geschlechter dazu in der Lage sind, alle Arbeiten zu erledigen. Aber das werden wir erst sehen, wenn er mal alleine wohnt.


Bruno Eickholt und Claudia Schmidt sprechen über die Gleichstellung in der Beziehung.

Bruno Eickholt sagt: „Wenn meine Frau mir etwas auftragen würde, dann könnte es passieren, dass ich genau gegenteilig reagiere und es erst recht nicht erledige. Dann würde ich sagen: Wenn es dich stört, dann putze, bitte!“

Bruno

Wie haben Sie sich kennengelernt?

Bruno: Ich bin auf Vorschlag meiner früheren Lebenspartnerin in einen Chor eingetreten, die suchten Männer. Dort habe ich dann Claudia kennengelernt. Nach einigen Jahren hat es gefunkt.

Was mögen Sie an Ihrer Frau?

Sie gefiel mir äußerlich gut. Außerdem hatte sie so eine Schnippischkeit, ist sehr schlagfertig. Sie hat auf wirklich alles eine Antwort. Da ist sie fitter als ich.

War eine gleichberechtigte Beziehung immer wichtig für Sie?

Natürlich. Ich war an einen eigenen Haushalt immer gewöhnt. Wir hatten das Ziel, unser Zusammenleben partnerschaftlich zu regeln. Niemand wollte den anderen über den Tisch ziehen.

War das bei Ihnen im Elternhaus anders?

Auf jeden Fall. Meine Mutter war nicht berufstätig, mein Vater ging jeden Tag ins Büro. Meine Schwester machte eine Ausbildung und musste jeden Tag nach der Arbeit zu Hause putzen, auch bei mir. Ich musste nichts machen. Das war mir damals peinlich. So wollte ich das mit meiner Frau nicht weiterleben.

Wie handhaben Sie das mit dem Geld?

Geld war nie so mein Ding. Es musste nur reichen. Aber ich habe immer versucht, mit wenig auszukommen und habe mit Disziplin in all den Jahren Geld zurückgelegt. Claudia und ich haben immer getrennte Konten gehabt. Wir haben ein Vokabelheft, in das tragen wir links Brunos, rechts Claudias Ausgaben ein. Wenn jemand einkauft, wird das gleich notiert. Am Ende des Monats machen wir Abrechnung. Wer weniger ausgegeben hat, überweist dem anderen die Differenz. Das wird auch bei Urlauben oder bei Kosten für das Kind so gemacht. Als ich zum Beispiel mit unserem Sohn nach Frankreich reiste und 1200 Euro ausgegeben habe, teilten meine Frau und ich danach seinen Anteil auf. Sie gab mir also 300 Euro. Das läuft wunderbar. Darüber gab es nie einen Konflikt.

Bruno: „Das mit dem frühen Kita-Start war nicht so mein Ding. Aber für meine Frau war wichtig, wieder bald in den Beruf zu gehen“

Wie haben Sie das nach der Geburt Ihres Sohnes gehandhabt?

Der Junge ist früh in den Kindergarten gekommen. Weil sie in dieser Zeit keine Einnahmen hatte, habe ich ihr monatlich etwas überwiesen. Als eine Art Lohnersatz. Ich habe aber auch zu Hause meinen Beitrag geleistet. Donnerstags war ich im Normalfall immer mit Emil zusammen. Windeln wechseln war kein Problem. Das habe ich alles gern gemacht. Ich wollte diesen Alltag erleben, an meinem Beruf habe ich nicht so sehr geklebt.

Hätten Sie im Nachhinein die Kinderbetreuung gerne anders geregelt?

Das mit dem frühen Kita-Start war nicht so mein Ding. Aber für meine Frau war wichtig, wieder bald in den Beruf zu gehen. Nun ja. Da frage ich mich bis heute, ob das alles so richtig war. Ich habe das meiner Frau nicht vorgeworfen. Aber aus dem Umfeld kamen schon spitze Bemerkungen. Anfangs habe ich auch überlegt, zu Hause zu bleiben und mich um Kind und Haushalt zu kümmern. Dafür hätte auch ihr sicheres Einkommen im öffentlichen Dienst gesprochen, ich dagegen wusste nie genau, wie viel ich verdiene und hatte immer Angst, es reicht nicht. So weit ist es nicht gekommen und heute glaube ich auch, dass ich damit vielleicht nicht wirklich zufrieden gewesen wäre.

Was ich mir heute vorwerfe ist, dass ich mit dem Geld vielleicht zu pisselig war. Ich hätte meiner Frau diese monatliche Zuwendung einige Monate länger zahlen sollen. Vielleicht hätte sie ihre Elternzeit dann verlängert. Sicher bin ich da aber nicht.

Wie haben Sie das mit dem Haushalt aufgeteilt?

Wir haben da nie darüber geredet. Jeder von uns hat eine andere Sensibilität Drecksituationen gegenüber. Den einen stört das eine etwas mehr, den anderen das andere. Meine Frau stört jedes Stäubchen auf dem Boden. Danach bückt sie sich. Ich tue das nicht. Ich sauge ab und an. Was mich eher stört ist, wenn ich sehe, dass die Fenster dreckig sind. Ich freue mich aber auch darauf, die dann zu putzen.

Wenn meine Frau mir allerdings etwas auftragen würde, dann könnte es passieren, dass ich genau gegenteilig reagiere und es erst recht nicht erledige. Dann würde ich sagen: Wenn es dich stört, dann putze, bitte! Es ist aber auch noch nie passiert, dass sie mir sowas nahelegt. Da ist sie vorsichtig. Ich kümmere mich freiwillig um die Wäsche, bügle. Meine Frau sieht das Bad als ihre Aufgabe an, wahrscheinlich traut sie mir nicht zu, dass ich das richtig mache. Ich würde es sicher nicht so oft machen, das ist richtig. Einige Jahre habe ich den Haushalt meiner Mutter zusätzlich übernommen, die vor drei Jahren mit 99 Jahren starb. Das waren etwa 20 Stunden in der Woche. Das war selbstverständlich für mich.

Wie ist es mit Freizeit? Wer hat mehr?

Ich habe immer mehr über meine Zeit verfügen können als meine Frau, schon durch meine Freiberuflichkeit. Ich gehe zweimal in der Woche zum Sport. Ich lese viel. Sonst kann ich mit Hobbys wenig dienen. Ich wollte Freizeit und Arbeit nie so richtig trennen. Ich wollte meine Arbeit nie als Pflicht sehen, sondern auch als Freude.

Wie ist das mit Ihrem Sohn? Startet der von einem anderen Niveau in Punkto Gleichberechtigung.

Ich kann das nur hoffen. Er bekommt zumindest mit, dass wir hier finanziell alles teilen. Und auch im Haushalt beide anpacken. Wie er das selbst mal handhaben wird, bleibt abzuwarten. Heute Vormittag kam er kurz aus dem Bett und wollte ins Bad. Dort putzte aber meine Frau. Er stand dann hier im Flur und verkündete: Ich werde später nie putzen!

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