ÖkostromUmweltschützer sehen in Reform-Beschlüssen das Ende des Klimatschutzes

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Bye, bye Windkraft? Ein Polizist räumt ein von Demonstranten nachgebautes Windrad weg.

  • Bund und Länder haben sich bei der Reform der Ökostrom-Förderung auf Eckpunkte verständigt.
  • Der Gesetzentwurf soll bereits in der kommenden Woche gebilligt werden.
  • Umweltschützer und Opposition kritisieren die Beschlüsse, die unter anderem Deckelungen bei der Windkraftförderung nach sich ziehen.

Umweltschützer und Opposition haben mit heftiger Kritik auf die jüngsten Beschlüsse von Bundesregierung und Ländern zur Reform der Ökostrom-Förderung reagiert. Der Klimaschutz werde zu den Akten gelegt, sagte am Mittwoch der Vorsitzende des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND), Hubert Weiger. „Das Erreichen der nationalen Klimaziele und die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens rücken in weite Ferne.“

Die Organisation WWF beklagte: „Mit der Windenergie an Land wird der Ausbau der kostengünstigsten Technologie beschnitten und nachgelagerte Wertschöpfungsketten und Arbeitsplätze aufs Spiel gesetzt.“ Ähnlich äußerten sich die Energie-Experten der Grünen-Bundestagsfraktion, Oliver Krischer und Julia Verlinden. „Ohne starke Erneuerbare Energien kann es keinen ausreichenden Klimaschutz geben“, sagten sie. Die Bundesregierung suche offenkundig nach Wegen, schmutzige Kohlekraftwerke möglichst lange im Markt zu halten.

Zuvor hatten sich in der Nacht zu Mittwoch die Spitzen der Bundesregierung mit den Länder-Ministerpräsidenten nach langem Ringen auf wesentliche Eckpunkte für die geplante Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) geeinigt.  Allerdings sind noch nicht alle offenen Fragen beantwortet, wie Kanzlerin Angela Merkel (CDU) deutlich machte.

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Dies gilt insbesondere für die weitere Förderung von Biogas-Anlagen. Das Thema ist vor allem dem bayerischen Regierungschef Horst Seehofer (CSU) wichtig, der die Interessen seiner Landwirte im Blick hat.

Gesetzentwurf soll schnell gebilligt werden

Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) sagte, dass die noch strittigen Punkte schnell geklärt werden sollen. Ziel sei es, den Gesetzentwurf bereits in der kommenden Woche vom Bundeskabinett billigen zu lassen. Auf diese Weise werde man noch genügend Zeit haben – „nicht nur für die Beratung im Bundestag, sondern auch nach der Beschlussfassung für die notwendige Notifizierung bei der Europäischen Kommission in Brüssel“.

Die EU-Behörde verlangt aus Wettbewerbsgründen eine Überarbeitung der deutschen Ökostrom-Förderung bis zum Ende dieses Jahres. Die Länder müssen der EEG-Novelle im Bundesrat nicht zustimmen, sie könnten sie aber erheblich verzögern. Der Bremer Bürgermeister Carsten Sieling (SPD), der derzeit den Vorsitz in der Ministerpräsidenten-Konferenz führt, merkte an: „Ich glaube, dass man sagen kann, dass wir nach diesen Beratungen 90 Prozent der Wegstrecke gegangen sind.“

Bundesregierung und Länder planen jetzt grundlegende Änderungen: Wer neue Windräder oder Solaranlagen errichten will, kann künftig nicht mehr mit festen Vergütungen für die Stromproduktion  rechnen. Stattdessen sollen die Anlagen ausgeschrieben werden. Den Zuschlag erhält derjenige Anbieter, der mit den geringsten Subventionen auskommt. Dies soll die Kosten im System drücken. Die Stromkunden zahlen derzeit über ihre Rechnungen pro Jahr insgesamt rund 24 Milliarden Euro für die Ökostrom-Förderung. Gabriel sagte, die Erneuerbaren seien „keine jungen Welpen mehr, die Welpenschutz brauchen, sondern das sind ziemlich flinke Jagdhunde“. Diese müssten sich jetzt aber im Wettbewerb behaupten.

Bei Windkraft und Co. wird gedeckelt

Bis zum Jahr 2025 sollen nach bisherigen Planungen 40 bis 45 Prozent des Stromverbrauchs aus erneuerbaren Quellen gedeckt werden. Bisher sind es rund 33 Prozent. Am Ausbaukorridor werde festgehalten, betonte Merkel am Mittwoch.

Das bedeutet aber auch, dass der Zubau der einzelnen Technologien gedeckelt wird. Bei der Windkraft an Land sind nun zusätzliche Kapazitäten mit einem Umfang von 2.800 Megawatt  pro Jahr vorgesehen. Das entspricht ungefähr 1.000 Windrädern. Werden alte Anlagen durch neue ersetzt, soll dies aber nicht angerechnet werden. Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr sind hierzulande an Land neue Windkraftanlagen mit einer Leistung von rund 3.700 Megawatt installiert worden. 2014 betrug der Zubau sogar mehr als 4.700 Megawatt.

In den vergangenen Tagen war stets die Rede von einem künftigen Zubau in Höhe von 2.500 Megawatt die Rede gewesen. Dagegen machten vor allem die norddeutschen Länder Front. Der Bund kam ihnen also nun etwas entgegen – obwohl die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag größere Einschnitte bei der Windenergie an Land fordert.

Weil es bisher an leistungsfähigen Übertragungsleitungen fehlt, um den Windstrom aus dem Norden in die Industriezentren des Südens zu bringen, soll der Zubau in Norddeutschland vorübergehend gedrosselt werden. Und zwar auf 60 Prozent des durchschnittlichen Niveaus der vergangenen Jahre. Gleichzeitig will die Bundesregierung den Ausbau der Übertragungsnetze forcieren.

Bei der Winkraft auf See bleibt es beim Ausbauziel von 15.000 Megawatt bis 2030. Bei der Solarenergie sollen künftig 2.500 Megawatt pro Jahr neu entstehen, wobei 600 Megawatt über Ausschreibungen vergeben werden. Nicht davon betroffen sind kleine Anlagen auf Dächern, die insbesondere der Selbstversorgung der Betreiber dienen.

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