Ost-West-AngleichungBei der Rente fällt die innerdeutsche Grenze 2025
Berlin – Ostdeutsche Senioren werden im kommenden Jahrzehnt bei den Renten mit Westdeutschen gleichgestellt. Die monatlichen Überweisungen an die vier Millionen Rentner in Ost-Berlin, Sachsen-Anhalt oder Brandenburg sollen dafür nach einem Beschluss des Bundeskabinetts in sieben Schritten im Zeitraum Juli 2018 bis Juli 2024 überproportional steigen. Somit erreichen sie im Jahr 2025 Weststandard – über 35 Jahre nach dem Fall der Mauer.
Diese Entscheidung der schwarz-roten Bundesregierung pries Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) als den letzten Schritt „zur vollständigen Renteneinheit – mit gleichem Recht für alle nach der nötigen Zeit des Übergangs“. Kritiker in den neuen Ländern bemängelten nicht nur die lange Wartezeit, bis die Unterschiede aufgehoben werden. Sie warnten auch vor Nachteilen für junge Leute in Potsdam, Magdeburg oder Leipzig. Denn für sie streicht die Bundesregierung eine Regelung, die ihnen bei der Berechnung der Rentenansprüche den Lohnrückstand gegenüber dem Westen zumindest teilweise ausgleicht.
Neuregelung benachteiligt Ost-Arbeitnehmer
Ihre Einzahlungen in die Rentenkasse werden höher bewertet, was nun ebenfalls entfallen soll. Diese Abschmelzung für die Arbeitnehmer von heute komme zu abrupt, kritisierte Sachen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU). Ohne eine Korrektur werde die begrüßenswerte Verbesserung ostdeutscher Bestandsrenten mit einer Schlechterstellung der künftigen Renten bezahlt, sagte der sächsische Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU). Sabine Zimmermann, Fraktionsvize der Linkspartei, sprach von einem „Skandal“.
Sie ließ sich durch eine kleine Anfrage von der Bundesregierung an einem Beispielfall vorrechnen, wie sich die Reform konkret auf Beschäftigte von heute auswirkt. In dem Fall verdient ein ostdeutscher Baugeräteführer laut Tarifvertrag im Monat 3071 Euro brutto, 227 Euro weniger als der Kollege im Westen. Bisher glich die Höherwertung dies bei der gesetzlichen Rente weitgehend aus. Ohne sie aber wird die monatliche Überweisung im Alter nach 45 Beitragsjahren bei 1392,31 Euro und damit um über 100 Euro niedriger als im Westen liegen.
Arbeitsministerin Nahles räumte ein, dass die Neuregelung Ost-Arbeitnehmer benachteilige. Dies liege aber an den unterschiedlichen Lohnniveaus. Die Politik müsse daher eine vernünftige Strategie entwickeln, um die Gehälter in den neuen Ländern schneller steigen zu lassen. Umstritten ist auch die Finanzierung der innerdeutschen Renteneinheit. Die Angleichung kostet nach Schätzung der Bundesregierung bis 2024 rund 15,7 Milliarden Euro. Den größten Teil davon sollen die Beitragszahler tragen.
Aufstockung der Erwerbsminderungsrenten
Erst von 2022 beteiligt sich der Bund mit einem steigenden Zuschuss. Erst dann werden alle Steuerzahler für die Finanzierung herangezogen, also auch Beamte und Selbständige. Kritik daran übte die Deutsche Rentenversicherung. Es handele sich um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe zur Verwirklichung der Deutschen Einheit. Daher müssten alle Steuerzahler und nicht allein die beitragszahlen Arbeitnehmer und Arbeitgeber die Kosten mittragen.
Mit auf den Weg brachte das Kabinett in seiner Sitzung am Mittwoch auch eine Aufstockung der Erwerbsminderungsrenten um durchschnittlich etwa 50 Euro im Monat. Wenn Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen aus dem Berufsleben ausscheiden, unterstellt die Rentenkasse künftig, dass die Betroffenen bis zu ihrem 65. Lebensjahr (statt bisher bis zum 62. Lebensjahr) gearbeitet hätten. Die Erhöhung greift nach und nach zwischen 2018 und 2024. Die Kosten steigen bis auf drei Milliarden Euro im Jahr und müssen ebenfalls von den Beitragszahlern geschultert werden.