Sex im Pflegeheim„Prostitution auf Rezept“ stößt auf breite Ablehnung

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Speziell ausgebildete Prostituierte helfen Menschen mit Behinderung Küsse, Zärtlichkeit und Sex zu erfahren.

Berlin – Der Vorschlag der Grünen, Pflegebedürftige und Behinderte sollten in Zukunft Sex mit Prostituierten bezahlt bekommen, stößt auf breite Ablehnung. Der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Karl Lauterbach sagte der Berliner Zeitung: „Die Forderung ist fehl am Platz. Denn kommerzielle Prostitution sollte es in Altenheimen nicht geben. Richtig ist zwar, dass in Altenheimen und Behinderteneinrichtungen mehr Platz für Intimität geschaffen werden muss. Das muss aber eine freiwillige Intimität sein. Ich will keine Prostitution auf Rezept.“

Dezemenzerkrankte bereits durch Pflegereform besser gestellt

Eine Sprecherin des Bundesgesundheitsministeriums erklärte: „Wir haben gerade erst eine große Pflegereform mit einer Ausweitung der Leistungen in Kraft gesetzt.“ Darin werden nicht zuletzt demente Patienten besser gestellt. Das sei für sich genommen schon eine Antwort. Im Übrigen richte sich die Forderung ja an die Kommunen, fuhr sie fort. Der Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Karl-Josef Laumann (CDU), zeigte sich verärgert und wollte sich nicht äußern.

„Eine Finanzierung für Sexualassistenz ist für mich vorstellbar“, hatte die pflegepolitische Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion, Elisabeth Scharfenberg, zuvor der Welt am Sonntag gesagt. Die Kommunen könnten „über entsprechende Angebote vor Ort beraten und Zuschüsse gewähren“.

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Vorbild wären die Niederlande: Dort gebe es bereits seit einigen Jahren die Möglichkeit, sich als Pflegebedürftiger die Dienste sogenannter Sexualassistentinnen - zertifizierter Prostituierter - bezahlen zu lassen. Die Voraussetzungen hierfür seien jedoch streng: Die auf staatliche Unterstützung angewiesenen Betroffenen müssten per ärztlichem Attest nachweisen, sich nicht auf andere Weise befriedigen zu können.

Sexualassistenz durch Krankenversicherung lange gefordert

In Deutschland wirbt die Beratungsstelle Pro Familia seit Jahren dafür, zu klären, ob sich Ansprüche einzelner auf Finanzierung der Sexualassistenz durch die Krankenkassen, die Sozialhilfe- oder andere staatliche Leistungsträger ableiten lassen. Nach Einschätzung von Experten wünschen sich viele Männer und Frauen mit Behinderungen sexuelle Dienstleistungen.

Der Vorsitzende der Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, reagierte auf den Vorstoß gleichwohl mit scharfer Kritik. „Damit gewinnen die Grünen die Hoheit über bundesdeutsche Stammtische“, erklärte er in Dortmund. Den Millionen Betroffenen werde so allerdings nicht weitergeholfen. „Wer täglich damit zu kämpfen hat, beim Stuhlgang, Waschen und Essen Hilfe zu erhalten, hat andere Sorgen“, so Brysch. Hier könne die Partei mit Verbesserungsvorschlägen überzeugen.

Der Pflegeforscher Wilhelm Frieling-Sonnenberg, Professor an der Hochschule Nordhausen, bezeichnete das Konzept in der Welt am Sonntag als „menschenverachtend“: Es gehe allenfalls darum, Menschen durch sexuellen Druckabbau wieder funktionstüchtig machen zu wollen, damit sie pflegeleichter sein, beklagte er. Stellungnahmen des Deutschen Städtetages sowie des Städte- und Gemeindebundes lagen am Wochenende nicht vor.

Die Zahl der pflegebedürftigen Deutschen lag zuletzt bei über 2,6 Millionen.

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