Therapieangebot für PädophileWenn Erwachsene sich durch Kinder erregt fühlen

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Das Präventionsnetzwerk "Kein Täter werden" ist eine Anlaufstelle für Pädophile.

Berlin – Wenn sich Erwachsene durch  Kinder erregt fühlen, die sich in ihrer körperlichen Entwicklung noch vor der Pubertät befinden, sprechen Experten von  Pädophilie. Von Hebephilie wird gesprochen, wenn sich Menschen sexuell zu Kindern hingezogen fühlen, wenn die Körper schon  Merkmale der Pubertät vorweisen. Beides  wird fast ausschließlich bei Männern diagnostiziert.  Im Schnitt ist der Betroffene 37 Jahre alt und zu 75 Prozent berufstätig. 40 Prozent leben in einer Beziehung. Wie viele Menschen so eine Neigung verspüren, ist schwer zu erfassen, die Dunkelziffer ist hoch.  Um Übergriffe zu vermeiden und Betroffenen Hilfe anzubieten, wurde 2005 bundesweit das  Therapieprojekt „Prävention von sexuellem Kindesmissbrauch im Dunkelfeld“ am  Berliner Universitätsklinikum Charité ins Leben gerufen. Ziel war es, Sexualstraftaten an Kindern und Jugendlichen und die Nutzung von Kinderpornografie bereits im Vorfeld zu verhindern. 2011 wurde dazu zusätzlich das Präventionsnetzwerk „Kein Täter werden“ gegründet.

7000 Männer haben sich bereits Hilfe gesucht

Mehr als 7000 Männer haben dieses Angebot des Netzwerkes an einem der insgesamt elf Standorte in Deutschland  inzwischen angenommen. Freiwillig und anonym. Vor allem die Stigmatisierung von Pädophilen ist ein Problem: Eine nichtrepräsentative Straßenumfrage unter Passanten ergab, dass rund zehn Prozent der Befragten den Betroffenen den Tod wünschten. Daher sind Anonymität und  Vertrauen tragende Säulen des Therapieangebots.

Mehr als 1260 Menschen konnte inzwischen  ein Therapieangebot gemacht werden. Rund  660 haben seitdem eine Therapie begonnen, 251 haben sie erfolgreich beendet.  140 haben die Therapie abgebrochen. Zehn bis 20 Prozent der Patienten entscheiden sich in der  Therapie auch  für Medikamente, die das  sexuelle Erleben dämpfen.

„Bereits erste wissenschaftliche Evaluationen des Projektes  haben eindeutig  gezeigt, dass das Behandlungskonzept geeignet ist, bekannte Risikofaktoren für sexuellen Missbrauch zu senken und bei Betroffenen eine erfolgreiche Verhaltenskontrolle aufzubauen“, sagte  Klaus M. Beier, Sprecher des Netzwerkes „Kein Täter werden“, am Dienstag in Berlin. 

„Pädophilie ist eine Diagnose, kein  Verbrechen“

Eine Untersuchung  von 23 Personen, die ihre Therapie vor fünf Jahre beendet hatten, habe gezeigt, dass keiner dieser Personen danach ein Kind oder einen Jugendlichen sexuell missbraucht habe.  „Pädophilie ist eine Diagnose, kein  Verbrechen“, betonte Beier. Sie sei nicht heilbar, aber behandelbar. Pädophilie gehöre bei einer Minorität der Menschheit zur sexuellen Präferenz. „Sie war immer Teil und wird immer Teil der Menschheit bleiben“, erklärte Beier.

Deswegen sei der Täterschutz gleichzeitig auch der beste Opferschutz, sagte Christiane Wirtz, Staatssekretärin im Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz. „Es gibt Studien, nach denen die Dunkelziffer sexuellen Missbrauchs bis zu 30-fach höher liegen soll, als aus amtlichen Statistiken hervorgeht“, sagte Wirtz. Daher müsse man ansetzen, bevor etwas passiere.

Das Bundesjustizministerium hatte das Präventionsprogramm seit 2008 mit zuletzt 585.000 Euro finanziert. Doch das Förderprogramm läuft im kommenden Jahr aus, Übergangsweise wird es nun  für das Jahr 2017 vom Land Berlin übernommen. Inklusive der Förderungen durch die Bundesländer stehen dem Netzwerk rund 1,4 Millionen Euro zur Verfügung.

Doch die Weiterfinanzierung scheint auch in Zukunft  abgesichert. Die Krankenkassen wollen das Programm künftig als Modellprojekt bis 2022 mit jährlich mit fünf Millionen Euro fördern. Ziel sei es, die Behandlung zu einer Kassenleistung zu machen, sagte Lutz Stroppe, Staatssekretär des Bundesministeriums für Gesundheit. Noch im November soll  die Gesetzesänderung  im Bundestag beschlossen werden.  „Bis zum 1. Januar 2017 soll die Finanzierung gewährleistet werden“, sagte Stroppe.

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