Druck auf Deutschland wächst„Wir sollten auf die Angriffe in einer Sprache antworten, die Putin versteht“

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Ein Feuerwehrmann kniet bei den Löscharbeiten an einer Gasleitung, die durch einen russischen Raketenangriff in Kiew beschädigt wurde. Polen fordert eine „Antwort“ des Westens auf die neuerlichen Angriffe.

Ein Feuerwehrmann kniet bei den Löscharbeiten an einer Gasleitung, die durch einen russischen Raketenangriff in Kiew beschädigt wurde. Polen fordert eine „Antwort“ des Westens auf die neuerlichen Angriffe.

Polen will nach der jüngsten Angriffswelle Russlands eine „Antwort“. Auch Norbert Röttgen meldet sich mit scharfer Kritik zu Wort. 

Nach den schweren Angriffen Russlands auf die Ukraine zum Jahreswechsel werden Rufe nach weiteren Waffenlieferungen des Westens und Kritik an der Bundesregierung laut. So hat Polens neuer Außenminister Radosław Sikorski die westliche Welt dazu aufgerufen, die Ukraine im Kampf gegen Russland mit Raketen mit größerer Reichweite auszurüsten. CDU-Politiker Norbert Röttgen kritisierte unterdessen die Ampel-Regierung in Berlin. 

„Wir sollten auf die jüngsten Angriffe auf die Ukraine in einer Sprache antworten, die Putin versteht“, schrieb Sikorski am Mittwoch in Bezug auf den russischen Präsidenten im Onlinedienst X (vormals Twitter). Das könnte eine der Verschärfung von Sanktionen und die Bereitstellung von „Raketen mit größerer Reichweite“ sein, erklärte Sikorski.

Russische Angriffswelle: „Wir sollten in einer Sprache antworten, die Putin versteht“

Mit einer entsprechenden Lieferung könne die Ukraine „Abschussanlagen und Kommandozentren ausschalten“, führte der polnische Außenminister aus. Sikorski dürfte seine Worte damit auch an Olaf Scholz (SPD) und das Zögern des Bundeskanzlers bei der Frage nach der Lieferung deutscher Taurus-Marschflugkörper an die Ukraine gerichtet haben dürfte.

dpatopbilder - 02.01.2024, Ukraine, Kiew: Autowracks stehen neben Wohngebäuden nach einem russischen Raketenangriff. Foto: -/Ukrinform/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Autowracks stehen neben Wohngebäuden in Kiew nach einem russischen Raketenangriff.

Taurus hat eine Reichweite von mehr als 500 Kilometern und würde der ukrainischen Armee damit Angriffe auf Waffendepots und Versorgungslinien auf russischem Staatsgebiete erleichtern. Bisher verfügt Kiew lediglich über Marschflugkörper des Typs „Storm Shawdow/Scalp“. Die Geschosse aus britischer und französischer Produktion haben eine Reichweite von bis zu 250 Kilometern und kamen bei erfolgreichen ukrainischen Angriffen auf russische Stellungen auf der Krim-Halbinsel mehrfach zum Einsatz.  

Taurus-Marschflugkörper würden Ukraine neue Möglichkeiten eröffnen

Polen gehört wie Deutschland trotz eines schwelenden Handelskonflikts mit Kiew zu den größten Unterstützern der Ukraine innerhalb Europas. Bei seinem Antrittsbesuch in Kiew hatte Sikorski bereits an die Europäische Union und die USA appelliert, ihre Wirtschaft und Produktionsmöglichkeiten zu „mobilisieren“, um die Ukraine mit Waffen auszustatten.

Indes mehren sich auch in Deutschland angesichts verstärkter russischer Luftangriffe die Forderungen nach einer Lieferung deutscher Taurus-Marschflugkörper an Kiew. Der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen kritisierte am Mittwoch im Deutschlandfunk die Bundesregierung erneut dafür, der Ukraine bisher keine weiteren Waffensysteme mit langer Reichweite zu liefern.

Röttgen attackiert Bundesregierung: „Auf jedes Zögern reagiert Putin mit mehr Gewalt“

Wenn es im Jahr 2024 keinen Politikwechsel der Bundesregierung von der „Halbherzigkeit zur Unterstützung mit dem, was da ist“ gebe, dann werde das „Ausbluten“, „Zerstören“ und „Zermürben“ der Ukraine weitergehen, sagte Röttgen. „Auf jedes Zögern des Westens reagiert Putin mit mehr Gewalt“, schrieb der ehemalige CDU-Spitzenkandidat in Nordrhein-Westfalen zudem auf X.

„Obwohl das Muster bekannt ist, lernt die Bundesregierung nicht dazu“, führte Röttgen aus und bemängelte, Taurus werde „nicht geliefert“, weil das Waffensystem „so wirksam“ sei. „So konterkariert man das Ziel, dass sich Krieg für den Aggressor nicht lohnen darf.“ 

Russland entfesselt größte Angriffswelle seit Kriegsbeginn

Russland hatte kurz vor Weihnachten eine der größten Angriffswellen seit Kriegsbeginn gegen die ukrainische Hauptstadt Kiew und weitere Städte gestartet. Dabei wurden mindestens 40 Menschen getötet. Über den Jahreswechsel setzte Moskau die schweren Angriffe fort. 

„Der beste Weg, um sicherzustellen, dass Moskaus Aggression nicht noch ein weiteres Jahr anhält, besteht darin, die Ukraine mit den Mitteln auszustatten, die sie zur Selbstverteidigung benötigt“, hatte vor Sikorski bereits die slowakische Präsidentin Zuzana Čaputová gefordert.

„Aber das wird nicht passieren. Nicht dieses Jahr, niemals“

Der tschechische Außenminister Jan Lipavsky warf Russland unterdessen „Heuchelei“ vor. Moskau werfe anderen „Völkermord“ vor, während es selbst erneut „zivile Ziele in der Ukraine bombardiert und Unschuldige ermordet“, schrieb Lipavsky bei X. Russland setze darauf, dass der Westen „des Krieges müde“ und die Ukraine „aufgeben“ werde, führte der Tscheche aus. „Aber das wird nicht passieren. Nicht dieses Jahr, niemals.“ 

In Deutschland fielen die Reaktionen auf Russlands Angriffe ungleich zurückhaltender aus. Während Bundeskanzler Scholz die neue Welle der Gewalt aus Moskau bisher noch gar nicht kommentiert hat, meldete sich Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) am Dienstag bei X zu Wort.

Kein Kommentar von Scholz, Baerbock spricht nicht über Taurus

„Mit jeder Rakete zeigt Putin, dass er die Ukraine vernichten will“, schrieb Baerbock. „Mit den von uns gelieferten Patriots und IRIS-T werden jeden Tag Menschenleben gerettet“, fügte die Außenministerin an.

„Wir stehen an der Seite der Menschen in der Ukraine, solange sie uns brauchen und ein Alltag ohne Angst und Terror möglich ist.“ Auf eine mögliche Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern ging Baerbock nicht ein. (mit afp)

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