Volker Beck im Interview„Keine Sorge: Ich bin bei Sinnen“

Lesezeit 4 Minuten
Politik-VolkerBeck-Rakoczy09

Der Bundestagsabgeordnete Volker Beck (Grüne) beim Interview in einem Lokal in Köln.

  • Volker Beck war Anfang März mit 0,6 Gramm einer "betäubungsmittelsuspekten" Substanz erwischt worden.
  • Daraufhin legte er seine Ämter als innen- und religionspolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion und als Vorsitzender der deutsch-israelischen Parlamentariergruppe nieder.
  • Mitglied des Bundestags ist er weiterhin.

Köln – Herr Beck, als der CDU-Politiker Andreas Schockenhoff öffentlich eingestand, alkoholkrank zu sein, und sich einer Behandlung unterzog, hat ihm das viel Respekt eingetragen. Sie erklären dieses Vorkommnis mit Drogen vor ein paar Wochen zur Privatsache – und werden prompt als uneinsichtig und arrogant kritisiert. Wundert Sie das?

Ich will ich mich über Kritik nicht beschweren. Ich habe mein Verhalten ja selbst als falsch und dumm bezeichnet. Ich sage nur: Für Politiker gelten die gleichen rechtlichen  Regeln und Konsequenzen wie für jeden anderen  auch. Sie haben dann aber genauso das Recht zu schweigen und das Recht auf  Privatsphäre. Mein Privatleben habe ich im Übrigen persönlich immer soweit wie möglich von meinem öffentlichen Auftreten getrennt.

Sie beanspruchen zudem das Recht, weiter Politik zu machen, obwohl die Öffentlichkeit jetzt von der Drogengeschichte weiß.

Es muss sich niemand Sorgen um mich oder meine Arbeit machen. Ich bin bei Sinnen und habe einen klaren Kopf.

Und was ist mit Ihrer Vorbildfunktion als Volksvertreter?

Vorbildlich müssen wir in der Übereinstimmung zwischen dem sein, was wir vor Wahlen ankündigen und danach umsetzen. Aber wir sind keine besseren Menschen und müssen das auch nicht sein. Vielleicht sind wir gerade mit all unseren unterschiedlichen Fehlern repräsentativ für das Volk, das wir vertreten sollen.

Wie es aussieht, werden Sie dazu nicht mehr allzu lange Gelegenheit haben. Der Grünen-Landesvorsitzende Sven Lehmann, ein Kölner, drängt mit einem 92-Prozent-Wahlergebnis im Rücken auf Ihren Listenplatz für die Bundestagswahl. Sind Sie wiedergekommen, bloß um gleich wieder gehen zu müssen?

Alles hat seine Zeit. Ich will jetzt erst einmal meine politische Arbeit in der Fraktion fortsetzen Im Übrigen: Es geht ohnehin nicht in erster Linie um mich, sondern um meine Anliegen: was ist das Beste für den Kampf gegen Minderheitenfeindlichkeit, für gleiche Rechte und einen fairen Umgang mit Israel.

Und Ihrer Partei oder den Wählern zugleich signalisieren, »da bin ich wieder, und Ihr habt mit mir zu rechnen«?

Sagen wir so: Ich bin noch da, und ich werde und will mich weiter einmischen für Menschenrechte, ob im Parlament oder in der Zivilgesellschaft.

Beck über Probleme mit Islamverbänden in Deutschland.

Angesichts des Anti-Islam-Programms der AfD und ihren Angriffen auf die gottesdienstliche Praxis der Muslime, Stichwort: Minarett-Verbot, fordern die Islam-Verbände zum Schutz der freien Religionsausübung umso vehementer die Anerkennung als Körperschaften des öffentlichen Rechts, analog zu den Kirchen. Stehen Sie als alter und neuer religionspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion da an der Seite der Verbände?

Die Religionsfreiheit der Muslime müssen wir verteidigen. Die Verbände sind keine allein religiösen Verbände, sondern gewinnen ihr jeweiliges Profil aus nationalen und politischen Prägungen. Das ist unserem Religionsrecht fremd und problematisch unter dem Gesichtspunkt der Integration. Soll etwa die Türkisch-Islamische Union Ditib quasi als Unterbehörde des türkischen Religionsministeriums in Deutschland öffentliches Recht geltend machen und ausüben können? Ich denke, nein. Schließlich ist Türkischsein kein Glaubensbekenntnis.

Was folgt dann daraus?

Die Muslime  in Deutschland müssen sich meiner Meinung nach entscheiden: Wollen sie islamische Religionsgemeinschaften bilden? Dann stehen ihnen gleiche Rechte wie den Kirchen zu. Oder wollen sie mit ihrer derzeitigen Verbandsstruktur weiterhin ihre für die Religion nicht relevanten Eigenheiten kultivieren? Im Moment werden  die Verbände doch mehr von  Politik und Sprache geprägt als allein von Religion. Und die unfairen  Angriffe der AfD auf die Muslime entbinden uns nicht von der Pflicht, bei den Verbänden genau hinzuschauen.

Ist das die softe Variante für die Kontrolle der Moscheegemeinden, wie sie Unionsfraktionschef Volker Kauder gefordert hat?

Dieser Ruf zielte doch einzig und allein auf die Stammtische. Überlegen Sie mal, was es praktisch bedeuten würde, wenn man Kauders Idee zu Ende denkt: ein Polizist oder Verfassungsschützer in jeder Moschee? Das ist doch nicht ernst gemeint. Konkreten Hinweisen auf verfassungsfeindliche Predigten müssen die Sicherheitsbehörden nachgehen. Und über rückständige, diskriminierende Vorstellungen etwa über Frauen oder Homosexuelle muss man sich auch öffentlich streiten.

Wie denn?

Warum nicht mal auch vor einer Moschee demonstrieren, wenn der Imam dort reaktionäre Geschlechterrollen propagiert? Es muss dabei nur deutlich sein, dass es nicht gegen „den Islam“ oder „die Muslime“ geht, sondern gegen die Predigt eines bestimmten Imams. So haben wir das in der Schwulenbewegung mit manchen Bischöfen und Kardinälen auch gehalten, und im Verhältnis zur katholischen Kirche hat sich mit der Zeit da doch so manches bewegt.

KStA abonnieren