Portrait Gary GarrisonDie Swinging Sixties sind immer in

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Ein "Musik-Verrückter" ist Gary Garrison (Bild: Süsser)

Ein "Musik-Verrückter" ist Gary Garrison (Bild: Süsser)

Rodenkirchen – "Irgendetwas hat der Typ mit Kinderschokolade zu tun", glauben einige Rodenkirchener, die den Mann mit der schwarzen Baseballmütze vom Sehen kennen. "Oder mit Kaugummi?" - Vom Hörensagen wüssten sie das. Gary Garrison heißt der Mann, den sie meinen. Sein Käppi nimmt er selten ab, und er trägt gerne weiße Klamotten - weiße Lederjacke, weißes Hemd, auch schon mal weiße Schuhe. Die grau-weißen Haare, die unter der Mütze hervorquellen, passen farblich zum Outfit. Gary Garrison ist eine auffällige Figur in Rodenkirchen, und: Er ist der aktuelle Frontmann und Produzent der Band "Ohio Express", jener Gruppe aus Mansfield, Ohio, die mit dem Bubblegum-Song "Yummy Yummy Yummy" im Jahr 1968 einen Riesenhit landete. Dieser Kaugummi-Song, frisch aufgemischt, war die Begleitmusik beim Kinderschokoladen-Werbespot, der bis vor kurzem im TV zu sehen war. Die Rodenkirchener Buschtrommeln haben also richtig getrommelt.

Längst gibt es freilich die Originalbesetzung der Ursprungsband nicht mehr. Von den Gründern ist nur der Gitarrist Doug Grassel in der bestehenden Formation übrig geblieben. Das "Urvieh", wie Garrison seinen Kollegen tituliert. Doug habe alle Phasen von "Ohio Express" erlebt. Doug Grassel hat auch das Nutzungsrecht für den Namen der Band. Gary Garrison selbst kam erst in den 80er Jahren dazu.

„Ohio Express“ in wechselnder Besetzung

Man mag den aktuellen "Ohio Express" als eine Mogelpackung bezeichnen oder auch nicht. Jedenfalls treten Grassel und Garrison seit Jahren gemeinsam mit wechselnden Musikern als "Ohio Express" auf, hauptsächlich bei Oldie-Festivals. Am 5. November waren sie bei der "Oldie-Nacht" in der Messehalle in Dresden dabei, auf der Bühne standen viele andere Originale der 60er- und 70er Jahre wie Chris Andrews, die "Lords", "Dozy, Beaky, Mick & Tich" - oder was von den Ursprungbands übrig geblieben ist. Im Bootshaus "Alte Liebe" in Rodenkirchen waren die "Ohios" vor kurzem erst zu sehen und zu hören, wobei der 61-jährige Doug Grassel nur äußerst kurz mit Anwesenheit glänzte. Er kam, kippte erschöpft um und verschwand noch vor dem ersten Gitarren-Sound von der Bildfläche. "Er war nicht gut drauf", so die offizielle Begründung. Tags darauf habe er sich wieder prächtig gefühlt, behauptet Kollege Garrison. Eskapaden habe sich Doug schon immer geleistet.

Ein Drama war der Ausfall von Doug Grassel nicht wirklich. So konnte Frontmann Garrison nach Lust und Laune "swingen". "Swing mit italienischem Einschlag" ist seit einigen Jahren das Lieblings-Genre des ehemaligen Bubblegum-Rockers. "Musik aus dem Italien der 60er Jahre hat es mir angetan", sagt er und produziert mit Vorliebe sanft swingende Retro-Neuauflagen von "O sole mio" und Co.

Swing kommt super bei jungen Leuten an

Die Ohio-Musik sei zwar unterhaltsam, aber ausgelutscht, meint er. Der Swing komme dagegen super an bei den jungen Leuten. Retro sei in. Und so hat er seine neue, liebevoll selbst arrangierte CD auf 60er Jahre getrimmt. "That's Amore" heißt die Scheibe, die wie eine schwarze Vinyl-Platte in Kleinformat aussieht. Eingängige Cover-Songs wie "Now and Forever" oder "L'Americano" sind darauf zu hören.

Swingen und singen will Gary wie Dean Martin, Toto Cutugno oder Mario Lanza. Da hat er sich viel vorgenommen. "Ich stelle mich überall hin, in die Garage genauso wie in die Halle Oberhausen", sagt er. Am 5. Juni tritt er dort auf. "Ich bin halt ein Verrückter", meint er. Ein Idealist sei er, aber ein zufriedener Idealist. Andere Kollegen würden Schlager oder Volksmusik singen, nur um das große Geld zu verdienen. Das respektiere er. Aber er selbst könne nicht 100 Mal "Ganz in Weiß" vor älteren Zuhörern singen. Daran seien auch schon viele Kollegen zerbrochen, will er wissen. Seinem eigenen Anspruch wolle er treu bleiben und trotzdem überleben. Auch wenn das nicht so einfach ist: "Den Balance-Akt musst du erst mal hinkriegen."

Gerd Rochelle war zu bieder für das Showgeschäft

Der Name Gary Garrison ist ein Künstlername. Eigentlich heißt er Gerd Rochelle. Das klang aber zu bieder im amerikanischen Musik- und Showumfeld, in dem sich Garrison schon als 17-Jähriger bewegte. Geboren wurde er 1952 in Köln, besuchte hier die Schule, absolvierte eine kaufmännische Ausbildung und wuchs bei seiner Mutter auf. Sein Vater ist Amerikaner, und zeitweise wohnte er bei ihm in Buffalo im Bundesstaat New York. In den 70er Jahren war Garrison als junger Musikproduzent unterwegs, arbeitete mit den "Tremeloes" und mit "Sister Sledge", wie er erzählt. Mitte der 80er Jahre, als die Band "Ohio Express" ein bescheidenes Revival versuchte, kam er als festes Mitglied dazu. Er wirkte als Produzent, Texter, Musiker, Leadsänger - in enger Kooperation mit Doug Grassel.

Seit zwei Jahren hat Garrison wieder seinen Wohnsitz in Rodenkirchen, pendelt aber regelmäßig nach Berlin, wo seine Lebensgefährtin wohnt. Berlin sei gut für den musikalischen Input, meint er. Aber in Köln fühle er seine Wurzeln. Und die Marktchancen seien hier besser, glaubt er.

Viele Klassiker

Der Bubblegum-Stil hat eingängige Melodien und anspruchslose, einfache Texte. Bubblegum-Songs hören sich an, als ob sie mit Kaugummi (auf Englisch bubblegum) im Mund gesungen würden. Populär war der Musikstil von den späten 1960er Jahren bis Anfang der 70er Jahre. Vertreter des Genres waren unter anderem "Ohio Express", "The Partridge-Family" und "The Archies". "Ohio Express" stammte aus Mansfield, Ohio, im Mittleren Westen der USA. Die Band wurde 1967 als Bubblegum-Band berühmt und brachte mehrere Alben und Singles heraus. Die Band mit dem Gründungsmitglied Doug Grassel tourt mit Konzerten durch Europa. Als jüngste Singles sind "Swinging & Rockin the Blues 2010" als "Garrison" & Ohio Express erschienen sowie "Boom Boom (Rebeling Song)" im Jahr 2011.

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