Putsch gegen DitgensAufstand der „Marionetten“

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Mit versteinerter Miene nahm Bürgermeister Günter Ditgens die herbe Wahlniederlage zur Kenntnis: Nur 63 der 154 stimmberechtigten CDU-Mitglieder gaben dem 62-jährigen Kandidaten für die kommende Kommunalwahl ihre Stimme. (Bild:Christ)

Mit versteinerter Miene nahm Bürgermeister Günter Ditgens die herbe Wahlniederlage zur Kenntnis: Nur 63 der 154 stimmberechtigten CDU-Mitglieder gaben dem 62-jährigen Kandidaten für die kommende Kommunalwahl ihre Stimme. (Bild:Christ)

Wesseling – Das Wahlergebnis war ein Paukenschlag. Gegen 22 Uhr trat am Donnerstag ein merklich fassungsloser Parteichef Hans-Peter Haupt ans Mikrofon, um zu verkünden, dass die CDU Wesseling ihren Bürgermeister Günter Ditgens nicht noch einmal in das Rennen um den Posten des Stadtoberhaupts schicken wird.

Eindeutig hatten die 154 stimmberechtigten CDU-Mitglieder im Pfarrsaal von St. Andreas Ditgens eine Abfuhr erteilt: In geheimer Wahl lehnten 88 von ihnen Ditgens ab, nur 63 stimmten für ihn. Drei Mitglieder enthielten sich. Völlig unerwartet steht die CDU nun ohne Kandidaten da: Ditgens war der einzige Bewerber.

Mit einer so eindeutigen Ablehnung des seit 1999 amtierenden Bürgermeisters hatte offensichtlich niemand gerechnet: Nachdem Haupt mit brüchiger Stimme das Ergebnis bekannt gegeben hatte, herrschte betretenes Schweigen im Saal. Es dauerte Minuten, bis ein CDU-Mitglied von seinem Platz aufstand, um das Wort zu ergreifen: „Ich finde es unverschämt, so einen Bürgermeister abzuwählen“, polterte er. Ansonsten wollte niemand etwas sagen: Die Versammlung löste sich rasch auf und ließ einen ratlosen CDU-Vorstand zurück. CDU-Fraktionschef Josef Recht machte auf Anfrage keinen Hehl daraus, was er vom Wahlausgang hält: „Das ist eine Katastrophe für die CDU. So geht man nicht mit dem Bürgermeister um.“

Versteinerte Miene

Der Geschasste, der in seiner Bewerberrede noch eine ausführliche Erfolgsbilanz seiner Arbeit gezogen hatte, nahm das Ergebnis mit versteinerter Miene auf. Der 62-Jährige sprach danach von keiner politischen, sondern von einer persönlichen Abrechnung eines einzelnen CDU-Mitglieds. Es habe Mitglieder gezielt angeworben, um ihn abzuwählen: „Das sind Marionetten“, schimpfte Ditgens. Ob es auch in Zukunft einen Bürgermeister Ditgens geben wird, steht in den Sternen. Eine Möglichkeit ist, dass er als unabhängiger Kandidat in die Kommunalwahl zieht: „Ich will nichts ausschließen“, so Ditgens.

Tatsächlich waren der Wesselinger CDU in der letzten Zeit auffallend viele neue Mitglieder beigetreten. Von 330 auf über 400 stieg die Zahl an. Das CDU-Mitglied, das namentlich nicht genannt werden möchte, sagte auf Anfrage, es habe nur rund 30 Neu-Mitglieder geworben. Davon seien rund 20 zur Kandidaten-Wahl erschienen. „Demnach müssen auch viele alteingesessene CDU-Mitglieder Ditgens nicht gewählt haben.“ Vom Ausgang der Wahl zeigte sich der Wesselinger „geschockt“: „Wir dachten, er kriegt nur einen Denkzettel verpasst.“ Dass so viele gegen Ditgens stimmen, habe er nicht erwartet. „Es muss sich bei vielen etwas aufgestaut haben“, so das Parteimitglied. Ditgens habe zwar einen „guten Job“ gemacht, aber nicht mehr auf die Basis geachtet. Um etwas zu verändern, seien viele Wesselinger der CDU beigetreten. Aufreger seien etwa die Pläne für das Chemtec-Forum am Rhein oder die mangelnde Unterstützung der Stadt für die Opfer des Hochwassers am Dickopsbach gewesen. Was nun geschehen sei, sei ein „reinigendes Gewitter“. Ditgens selbst gibt zu, dass er „kein bequemer Bürgermeister“ sei: „Ich habe mit meiner Ungeduld manchen Mitstreiter gestresst“, sagte er in seiner Rede. Er habe aber viel für die Stadt erreicht.

Ursprünglich hatte alles sehr erfolgversprechend für ihn ausgesehen. Nachdem Berzdorfs Ortsbürgermeister Udo Pulver überraschend seine Gegenkandidatur zurückgezogen hatte, stand Ditgens als Kandidat allein auf weiter Flur. Deshalb wurde der CDU-Vorstand völlig überrumpelt von seiner Abwahl. „Ich habe das nicht erwartet“, sagte Hans-Peter Haupt: „Ich habe mit ein paar Gegenstimmen gerechnet, aber nicht mit dieser Menge.“

Wie es nun weitergeht, ist unklar. In der nächsten Woche will sich der Vorstand zum weiteren Vorgehen beraten. Intern wird der Schaden für die CDU als sehr groß bezeichnet. Sogar von Selbstzerfleischung ist die Rede. Denn als unabhängiger Kandidat hätte Ditgens durchaus Chancen, doch noch im Amt zu bleiben. Er ist bei den Wesselingern populär. Die CDU indessen müsste auf die Schnelle einen neuen, wahrscheinlich chancenlosen, Kandidaten küren. Möglich ist aber auch, dass Ditgens noch einmal als Kandidat vor die CDU-Versammlung tritt - eine Variante, die intern aber nur dann für sinnvoll erachtet wird, wenn Ditgens Aussicht auf Erfolg hätte. Es müsse vorher ausgelotet werden, ob die Mitglieder ihm am Donnerstag nur einen Denkzettel verpassen wollten. „Tritt er noch einmal an und fällt wieder auf den Bauch, ist er für alle Zeiten verbrannt“, so ein CDU-Mitglied.

Am Freitag war Ditgens nicht zu erreichen. Wie es aus dem Rathaus hieß, fahre der Bürgermeister am heutigen Samstag in den Urlaub nach Spanien. Dort werde er über die Zukunft nachdenken.

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