Phallus-Fest, Schweiß-ÄpfelDas sind die skurrilsten Liebesrituale der Welt

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„Heiliger Phallus“: Beim Kanamara Matsuri huldigen Paare dem „eisernen Penis“ und beten für eine glückliche Bezieheung.

„Heiliger Phallus“: Beim Kanamara Matsuri huldigen Paare dem „eisernen Penis“ und beten für eine glückliche Bezieheung.

Es könnte ja so einfach sein. Blickontakt suchen, hingehen und etwas sagen wie: „Hallo, ich würde Dich gerne kennenlernen. Hättest Du Lust, mit mir einmal einen Kaffee zu trinken?“ Aber wenn es um die Liebe geht, ist eben nichts einfach. Nicht umsonst rechnen komplizierte Algorithmen inzwischen aus, welcher Partner zu uns passt, verbringen wir stundenlang mit Wischbewegungen bei Tinder und spionieren potentielle Partner vor dem ersten Treffen bei Facebook aus. Zu neuen Anregungen für die Partnersuche könnte das kürzlich erschienen Buch „Für immer und jetzt. Wie man hier und anderswo die Liebe feiert“ verhelfen.

Liebesrituale rund um den Globus

Die Autorin Michaela Vierser und die Illustratorin Irmela Schautz haben sich auf die Suche nach außergewöhnlichen Liebesritualen rund um den Globus gemacht und veranschaulichen in ihrem Buch mit detailreichen Grafiken, Rezepten und Texten, welche vielen verschiedenen Spielarten des Werbens, Anbändelns und Heiratens es auf der ganzen Welt gibt. Und auch wenn manche gewöhnungsbedürftig sind – um Liebe geht es am Ende immer. Naja, irgendwie zumindest…

Den „eisernen Penis“ feiern, Japan

Beim alljährlichen „Kanamara Matsuri“, dem „Fest des eisernen Penis“ in Kawasaki beten Paare für eine gute Beziehung, alle anderen für eine gute Reisernte, gute Geschäfte oder für den Schutz vor sexuell übertragbaren Krankheiten. An diesem einen Tag im April huldigt die trinkende und flirtende Bevölkerung von Kawasaki dem eisernen Penis, schmückt die ganze Stadt mit Phallen, als Kerzen, als Masken oder auch als Süßigkeiten. „Neuerdings hat sich auch die Transgender-Community eingeklinkt und ihr tragbarer Penis-Schrein ist mit Abstand der pinkeste und schillerndste.“

Achselschweiß-Äpfel verschenken, Österreich

In Österreich geht Liebe zuerst durch die Nase: „Einst steckten sich in Niederösterreich die heiratsfähigen Mädchen beim Tanz einen Apfelschnitz in die Achselhöhle und reichten ihn danach, schweißgetränkt, als Schmankerl dem Burschen ihrer Wahl“, schreibt Vierser.

Der Apfel fungierte dort also „als Pheromonbombe“: Wozu sollte man sich während etlicher Verabredungen stundenlang ausfragen,  wenn die Botenstoffe des Achselschweiß-Apfels sofort klarmachten: diese oder keine. Ein ähnliches Prinzip gab es auch in anderen Ländern und Regionen, wie die Autoren schreiben: „Im Baltikum half man sich mit einer Kartoffel anstatt eines Apfels und im Wendland konnte es irgendetwas, gerne auch Brötchen oder Zwieback sein.“ Na dann, wohl bekomm‘s.

Hochzeitsnacht mit der ganzen Familie zelebrieren, Thailand

Schon lange ist klar: Wer heiratet, ehelicht nicht nur den geliebten Partner, sondern mit ihm seine ganze Familie. In Thailand treibt man diese Erkenntnis auf die Spitze: „Um dem frisch vermählten Paar unmissverständlich klar zu machen, dass die Heirat zweier Menschen auch die zweier Familiensysteme ist, gehört es in Thailand zum Hochzeitsbrauch, dass die ganze Familie das Paar zum Ehebett begleitet.“ Bevor die Frischvermählten sich allerdings einander zuwenden, verlassen die Verwandten das Ehezimmer wieder. Sehr taktvoll..

Beim Schinken-Wettbewerb mitmachen, England

Liebespaare mit Ausdauer werden im englischen Dunmow in der Grafschaft Essex alle vier Jahre bei der „Flitch-of-Bacon-Preisverleihung‘ mit einem besonderen Gewinn gewürdigt. „So ist die Belohnung für das Paar, das einem Richter und einr zwölfköpfigen Jury aus Jungfrauen und Jungmännern glaubhaft machen kann, sich ein Jahr und einen Tag lang geliebt zu haben, eine saftige Speckseite.“

In der Geschichte des jahrhundertealten Wettbewerbs haben sich nicht nur junge Paare, sondern auch „Kandidaten in Methusalems Alter“ beworben, schreibt Vieser. „Wer ihn gewinnt, wird auf einer Art Thron durch den Ort getragen, muss dann auf spitzen Steinen niederknien und einen Schwur leisten.“

Das Brautpaar drei Tage lang beschimpfen, Kenia

Die Ehe ist hart, aber die Hochzeit härter: Bei den Aba Gusii in Kenia werden die Brauleute drei Tage lang erniedrigt, beschimpft und geärgert, bevor sie einander heiraten dürfen. „Wer dort seine eigene Eheschließung überstanden hat, ist bereit fürs Leben zu zweit“, urteilt Vieser.

Gerade die Freunde der Braut sind angehalten, ihren Auserkorenen zu beleidigen und umgekehrt die Freunde des Bräutigams seine Auserwählte. „In ihrem Fall hagelte es Anpöbeleien in Bezug auf ihre Faulheit und ihre Unfähigkeit, mit der Schwiegermutter zu kommunizieren.“ Haben die Brautleute allen Widrigkeiten getrotzt, dürfen sie endlich heiraten. Falls sie das dann noch wollen… (rer)

Vieser, Angelika; Schautz, Irmela: Für immer und jetzt. Wie man hier und anderswo die Liebe feiert. Verlag Anje Kunstmann, 208 Seiten, 18 Euro. 

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