Kölner Anwältin erklärtWie der Unterhalt für Kinder bisher geregelt ist – und was sich ändern soll

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Ein kleines Mädchen stürmt auf seinen Vater zu.

Viele Väter verbringen nach einer Trennung mehr Zeit mit ihren Kindern als noch vor 20 Jahren.

Justizminister Marco Buschmann will das Unterhaltsrecht reformieren. Eine gute Idee? Einschätzungen von einer Kölner Anwältin für Familienrecht. 

Bundesjustizminister Marco Buschmann sorgt derzeit mit einem Vorschlag zum Thema Unterhaltsrecht für Diskussionen. Der FDP-Politiker will die bisher geltenden Regeln reformieren und damit Elternteile entlasten, die ihre Kinder nach der Trennung zu ähnlichen Anteilen mitbetreuen. Die Idee: Je mehr sich ein Elternteil um den Nachwuchs kümmert, desto weniger Unterhalt muss er zahlen. Details gibt es noch nicht, ein Gesetzesentwurf ist in Planung.

Das bisherige Unterhaltsrecht funktioniert nach der Vorstellung, dass die Kinder nach einer Trennung ihren gewöhnlichen Aufenthalt bei einem Elternteil haben und der andere verpflichtet ist, Barunterhalt zu leisten – also monatlich für die Kinder zu zahlen. Da die Kinder in den meisten Fällen bei der Mutter wohnen, wird in diesem Text diese Variante verwendet. Die Regeln gelten aber natürlich auch umgekehrt.

Väter bringen sich mehr ein als früher

Das Unterhaltsrecht stammt aus einer Zeit, in der sich Frauen nach einer Trennung meist allein um die Erziehung kümmerten und Väter nur Geld beisteuerten. Das ist heute längst nicht mehr der Normalfall, deshalb will Justizminister Buschmann das Unterhaltsrecht reformieren: Wenn sich Väter mehr einbringen, müssen sie weniger zahlen. Gleichzeitig, so seine Idee, könnten Mütter in der kinderfreien Zeit mehr arbeiten und somit mehr verdienen. 

Die Reaktionen auf den Vorschlag sind gemischt. Während einige den Vorstoß zeitgemäß finden, sehen andere die Gefahr, dass Kinder und Mütter darunter leiden, wenn sie weniger Unterhalt erhalten. Wie könnte eine gerechte Lösung aussehen? Können Frauen einfach so mehr arbeiten? Was darf bei dem Thema nicht vergessen werden? Die wichtigsten Fragen und Antworten sowie Einschätzungen von Kerstin Mink, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Familienrecht in Köln.

Kerstin Mink ist Anwältin für Familienrecht in Köln.

Kerstin Mink ist Anwältin für Familienrecht in Köln.

Wie ist der Kindesunterhalt bisher geregelt?

Der Kindesunterhalt ist im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) in Paragraf 1601 ff. geregelt. Demnach haben Kinder einen Anspruch auf Unterhalt, wenn sie bedürftig sind. Minderjährige gelten in der Regel so lange als bedürftig, bis sie eine Ausbildung abgeschlossen haben. Auch volljährige Kinder sind noch bedürftig, solange sie sich in Ausbildung befinden und diese zielstrebig betreiben.

Für den Unterhalt müssen beide Eltern anteilig aufkommen. Wenn die Kinder überwiegend bei der Mutter leben, ist ihr Anteil in Form des sogenannten Naturalunterhalts geregelt, das heißt, sie muss für Kleidung, Essen und Taschengeld aufkommen. Der andere Elternteil leistet den Barunterhalt. 

Düsseldorfer Tabelle als Leitlinie für richterliche Entscheidungen

Die gesetzlichen Regelungen werden ergänzt durch die Düsseldorfer Tabelle, durch die sich die Gerichte allgemein anerkannte Leitlinien für ihre Entscheidungen geben. Wie viel Unterhalt tatsächlich gezahlt werden muss, hängt von den Umständen des Einzelfalles und nicht zuletzt vom Urteil des jeweiligen Richters ab. Gesetzlich festgelegt ist nur der Mindestbedarf des Kindes.

Wie viel Unterhalt zu zahlen ist, hängt vom Einkommen des Unterhaltspflichtigen und vom Alter der Kinder ab. Auch das Kindergeld wird mit einberechnet. Der Bedarf erhöht sich mit zunehmendem Alter des Kindes, wobei drei Altersstufen festgelegt sind 0-5 Jahre, 6-11 Jahre und 12-17 Jahre. Eingeführt wurde die Tabelle 1962 durch das Oberlandesgericht Düsseldorf. Die Beiträge werden über die Jahre immer wieder angepasst, zuletzt für den Zeitraum ab dem 1. Januar 2023.

Warum soll das Unterhaltsrecht geändert werden?

Die Vorschriften stammen aus einer Zeit, als nach einer Scheidung in der Regel ein Elternteil – meist die Mutter – die Kinderbetreuung übernahm und der andere vornehmlich zahlte. Das deutsche Unterhaltsrecht ignoriere, dass viele Eltern mittlerweile ihre Kinder auch nach einer Trennung gemeinsam erziehen und betreuen, begründete Buschmann seinen Vorstoß. Ob ein Vater sich an einem oder an drei Tagen in der Woche um das Kind kümmere, habe in vielen Fällen kaum Auswirkungen auf den von ihm gezahlten Unterhalt. Anwältin Kerstin Mink hält eine Reform angesichts der vielen neuen Lebensweisen nach einer Trennung ebenfalls für überfällig: „Vor 25 Jahren sahen Väter ihre Kinder meist nur alle zwei Wochen am Wochenende. Heute engagieren sich Väter viel mehr.“

Wenig Probleme gebe es beim sogenannten Wechselmodell, bei dem die Kinder zu gleichen Teilen von Vater und Mutter betreut werden. Die Eltern erhalten dann jeweils das halbe Kindergeld fürs Kind und sind nicht gegenseitig unterhaltspflichtig, wenn es keine größeren Gehaltsunterschiede gibt. Wenn sich die Eltern nicht freiwillig darauf einigen, kann ein Elternteil dieses Modell nach vorherigem Antrag bei Gericht durchsetzen. Ob das gelingt, hängt allerdings von den Umständen und dem jeweiligen Richter ab.

Komplizierter wird es, wenn die Kinder nicht zu gleichen Teilen betreut werden, sondern etwa 60 zu 40 Prozent. Konkreter Fall aus der Praxis: Mutter und Vater teilen sich die Betreuung im Verhältnis 60:40 Prozent auf. Sie befinden sich also nicht im Wechselmodell, der Vater ist dennoch deutlich mehr als der Wochenendvater, der sein Kind nur alle zwei Wochen sieht. Trotzdem muss er den gleichen Unterhalt zahlen und zudem für das Kind in seiner Wohnung ein Zimmer bereitstellen sowie Spielsachen und Essen kaufen. „Das empfinden viele Väter als ungerecht“, so Mink.

Was schlägt Marco Buschmann vor?

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) will mit einer Reform des Unterhaltsrechts mitbetreuende Elternteile finanziell entlasten. Die Reform werde insbesondere Trennungsfamilien betreffen, in denen zwar ein Elternteil die Hauptbetreuung leiste, der andere sich aber auch zu 30 oder 40 Prozent einbringe. 

Der Minister führte ein Rechenbeispiel an, in dem der mitbetreuende Vater 4000 Euro im Monat verdient, die hauptbetreuende Mutter 2000 Euro, und der Vater 40 Prozent der Erziehungsleistung übernimmt. In diesem Fall zahle der mitbetreuende Vater bisher mit großer Wahrscheinlichkeit mehr als 500 Euro Unterhalt. Nach der Reform wären es etwa 100 Euro weniger. Es solle aber sichergestellt werden, dass bei dem hauptbetreuenden Elternteil keine Situation eintritt, die das Kindeswohl gefährde. 

Was wäre eine faire Lösung? Was sind die Gefahren?

„Es fällt schwer, hier eine pauschale Aussage zu treffen, man muss sich am Einzelfall orientieren. Wenn Mütter schützenswert sind, muss man meiner Meinung nach zumindest den Mindestunterhalt für die Kinder sicherstellen“, sagt Mink. Gerichte könnten zum Beispiel entscheiden, den Unterhaltsanspruch herabzusetzen, wenn sich der Vater zu einem gehörigen Anteil an der Kinderbetreuung beteiligt. Zu klären bleibe außerdem, was genau „Betreuungsanteil“ für die Festsetzung des Unterhaltsanspruchs bedeute: Muss das Kind dafür beim Vater übernachten und braucht es ein eigenes Zimmer? Oder bedeutet Betreuung bereits, dass der Vater das Kind ab und zu vom Kindergarten abholt? „Da gibt es nichts Eindeutiges in der Rechtsprechung, das sehen die Richter teils unterschiedlich“, weiß Mink.

Die Anwältin befürchtet, dass durch die neue Regelung Kindesunterhalt mit Sorgerecht vermischt werde. „Wenn es nur darum geht mehr Zeit mit dem Kind zu verbringen, um Unterhalt zu sparen, geht der Blick auf das Kind verloren. Die Väter fangen an zu rechnen: Wenn ich das Kind eine Nacht in der Woche mehr habe, brauche ich keinen Unterhalt zu zahlen und bekomme noch ein halbes Kindergeld. Diese Streitereien habe ich jetzt schon bei mir in der Kanzlei, wenn es um das Wechselmodell geht“, erzählt Mink.

Ist es überhaupt möglich, dass Frauen einfach mehr arbeiten, wenn sich die Väter mehr kümmern?

Hinter dem Vorstoß steckt die Idee, dass Mütter mehr arbeiten und mehr verdienen können, wenn der Vater sich mehr um die Kinder kümmert. Aber ist das wirklich so einfach? Kerstin Mink sieht das kritisch: „Wenn eine Mutter plötzlich 30 statt 20 Stunden arbeiten will, muss der Arbeitsplatz auch da sein. So flexibel ist der Arbeitsmarkt aber häufig nicht.“ (mit dpa)

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