Nervige Bürofloskeln„Können wir das Wording noch toppen?“

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Der Chef möchte, dass Sie sich beim nächsten Get-together weniger mit den Under-Performern batteln?

Der Chef möchte, dass Sie sich beim nächsten Get-together weniger mit den Under-Performern batteln?

Ein „Get-together der High-Performer“, das „ergebnisorientierte Briefing“ oder die „innovative Back-up-Lösung“: Wohl jeder Büroarbeiter hat schon solche Ausdrücke gehört, oder – Hand aufs Herz – sogar selbst benutzt. Sprachwissenschaftler Hermann Ehmann, Autor des „Wörterbuches der unverzichtbaren Bürofloskeln“, hat für Businesstalk-Geplagte einen Tipp parat: „Floskeln Sie hin und wieder zum Spaß mit, denn wer mit Wörtern spielt, handelt kreativ. Doch bleiben Sie gerade angesichts des inflationären Wörterwulsts sprachkritisch! So registrieren Sie am ehesten, wenn Sie 'abzugleiten' drohen.“

Wir stellen die besten Business-Gemeinplätze und Binsenweisheiten aus dem Wörterbuch vor:

„Wir befinden uns gerade mitten im Abstimmungsprozess.“

Bedeutet wirklich: Das kann noch ewig dauern, bis wir zu einem Ergebnis kommen, weil hier Hinz und Kunz ihren Senf dazugeben.

Abstimmungsprozess: nicht etwa der demokratisch legitimierte Wahlgang zur Urne (aber faktisch natürlich daher abgeleitet), sondern ein hochkomplexes bzw. diffiziles Verfahren, um mit mehreren Abteilungen zu einem vorzeigbaren Ergebnis zu kommen.

„Wir werden das diskret abwickeln.“

abwickeln: etwas professionell, ohne emotionale Beteiligung erledigen; in der Wendung ein Unternehmen abwickeln = eine Firma schließen; laut Duden ursprünglich im Handwerkerjargon beheimatet („Kabelrolle abwickeln“); klassische Bedeutungsveränderungs-Floskel, die semantisch eine kalte, durch nichts zu beeindruckende Professionalität bei gleichzeitigem Hang zur Schönfärberei wiederspiegelt.

„Ich möchte, dass wir uns in Zukunft auf gleicher Augenhöhe unterhalten.“

Bedeutet wirklich: Nehmen Sie mich endlich ernst!

auf Augenhöhe: vom Statusgefühl her gleichwertig, gleichberechtigt; mit jemandem gleichberechtigt verhandeln, ohne dass der eine auf- und der andere herabschauen muss.

Was wirklich hinter dem „ergebnisorientierten Content“ steckt

Sind Sie auch genervt vom Denglisch? Autor Ehmann rät: „Floskeln Sie hin und wieder zum Spaß mit, denn wer mit Wörtern spielt, handelt kreativ.“

Sind Sie auch genervt vom Denglisch? Autor Ehmann rät: „Floskeln Sie hin und wieder zum Spaß mit, denn wer mit Wörtern spielt, handelt kreativ.“

„Wir brauchen unbedingt noch eine Back-up-Lösung.“

Bedeutet wirklich: Vermutlich geht unser schöner Plan den Bach runter, also setzt euch schon mal hin und überlegt eine Alternative – oder zumindest eine gute Ausrede!

Back-up: englisch = Absicherung, zweite Lösung; Übernahme aus der IT-Sprache (Back-up = Datensicherung, Kopieren von Daten in der Absicht, im Fall eines Datenverlustes auf diese zurückgreifen zu können); eine Art Plan B fürs Business.

briefen

von englisch „brief“ = kurz; bürosprachlich: jemanden instruieren, damit dieser seinen Job machen kann; auch in substantivierter Form: Briefing; denglische Floskel mit hohem Wichtigtuereffekt, hat nur selten etwas mit dem Ursprung des Wortes (= kurz) zu tun, da zumeist mit seitenlangen Mails oder mehrstündigen/-tägigen Konferenzen gebrieft wird.

Content

ursprünglich lateinisch „contentare“ = zufriedenstellen, das englische „content“ (= Gehalt, Inhalt) ist bereits eine Bedeutungserweiterung, die im Modern Business fortgesetzt wird; hier bezeichnet Content heute alles, was auf Homepages steht und keine eindeutig gekennzeichnete Werbung ist; da eine optimierte Content-Strategie immer wichtiger wird, verkommt die Vokabel zusehends zur Universalfloskel (Content-Marketing, Content-Produzent, open Content...); Sascha Lobo twitterte hierzu: „Inhalte nennt man immer dann Content, wenn jemand damit Geld verdienen will.“

„Wir suchen hoch motivierte Mitarbeiter, die ergebnisorientiert im Team arbeiten.“

ergebnisorientiert: von lateinisch „orientari“ = sich zurechtfinden; zielführend, vielversprechend; eine Sonderform ist ergebnisrelevant; da es in der Natur der Sache liegt, dass (berufliches) Handeln auf ein Ergebnis hin gerichtet ist, extrem hoher Floskelfaktor.

Viel Spaß beim innovativen Get-together der „High-Performer“ – häh?! 

„Was wäre denn für Sie ein Must-have?“ fragen Chefs ihre Kunden und Bewerber gerne.

„Was wäre denn für Sie ein Must-have?“ fragen Chefs ihre Kunden und Bewerber gerne.

„Hiermit erfolgt eine Einladung zu einem kritisch-konstruktiven Get-together.“

Get-together: englisch für Zusammenkunft; lockeres Beisammensein unter Kollegen, auf das die eine Hälfte der Anwesenden keine Lust hat, die andere Hälfte betrinkt sich und feiert ihre eigene Großartigkeit.

„Momentan liegen wir noch im grünen Bereich.“

Bedeutet wirklich: Wenn wir jetzt nicht aufpassen, werden wir dieses Projekt an die Wand fahren.

grüner Bereich: alles in Ordnung, alles unter Kontrolle, keine beunruhigenden Vorkommnisse; abgeleitet von der analogen Messtechnik, wonach Maschinen, Automaten und Kontrollgeräte mit grünen Kontrolllämpchen ausgestattet sein sollen, die für den Normbereich stehen bzw. „o.k.“ signalisieren; metaphorische Floskel, die zumeist euphemistisch verwendet wird, um auszudrücken, dass etwas „gerade noch nicht“ im roten Bereich ist.

High-Performer

englisch „high“ = hoch, groß, „to perform“ = ausführen, verrichten, durchführen, darstellen; bürosprachlich: extrem belastbarer Leistungsträger, der länger und intensiver arbeitet als der Rest; der Übergang vom High-Potential zum High-Performer ist fließend und schwer quantifizierbar.

Beispiel: Ein ganzheitliches Konzept im Sinne der Life-Balance, welches Sie als High-Performer bei uns erwartet, kann somit nur durch eine effiziente Nutzung Ihrer individuellen persönlichen Ressourcen umgesetzt werden.

„Mit unseren Human-Capital-Ressources sind wir in der Lage, neue Marktsegmente zu penetrieren.“

Human-Capital-Ressource: wörtlich = „Mensch-Kapital-Mittel“; Personaldecke, Mitarbeiterstamm; nicht nur von Sprachpuristen und Gegnern des Turbokapitalismus oft als unmenschlich tituliert; in seiner abgewandelten Form „Humankapital“ das Unwort des Jahres 2004.

innovativ/Innovation

lateinisch „innovare“ = erneuern; businesssprachlich: neuartig; wird im Modern Business mit einer gewissen Beliebigkeit annähernd jedem zweiten Substantiv vorangestellt (Innovationskette, -team, -ziele, -struktur, -fähigkeit...), somit ergibt sich fast immer ein gewisser Sinn, wenn auch wenig Substanz.

„Was wäre denn für Sie ein Must-have?“

Bedeutet wirklich: Was müssen wir Ihnen bieten, damit Sie den Vertrag unterschreiben?

Must-have: englisch = muss man haben; im Gegensatz zum Nice-to-have, das nicht zwingend nötig ist, um im Business etwas zu gelten; Anglizismus mit Wichtigtuereffekt.

„Da sehen wir noch einen gewissen Optimierungsbedarf!“

„Wir sollten nachhaltiger netzwerken und uns öfter kurzschließen!“

netzwerken: am Aufbau von Beziehungen arbeiten, Seilschaften aufbauen, vernetzen; ideale Gelegenheit bietet hierzu die After-Work-Party; Neologismus, originär abzuleiten vom Netzbau der Spinne; auch im PC-Jargon anzutreffen („virtuelles Netzwerk“).

„Was Ihre Konzepte angeht, sehen wir noch einen gewissen Optimierungsbedarf.“

Bedeutet wirklich: Ihre Vorschläge sind völlig unbrauchbar.

optimieren/Optimierungsbedarf: 

lateinisch „optime“ = hervorragend, bestens; nach dem Besten streben; humanistisch anmutender Latinismus mit hohem Kosmetikeffekt.

„Immer mehr Unternehmen nutzen unsere Outplacement-Beratung als Instrument der sozialen Verantwortung.“

Outplacement: wörtlich „Ausplatzierung“, im Modern Business: Unterbringung bzw. Vermittlung eines Mitarbeiters außerhalb des bisherigen Unternehmens, sprich Personalstandsbereinigung; anglizistischer Euphemismus für eine Kündigung.

„Wir sind bestrebt, eine zielgruppengerechte Produktstrategie proaktiv zu implementieren.“

Bedeutet wirklich: Wir müssen unsere Produkte viel mehr auf die Wünsche der Kunden abstimmen.

Produktstrategie: griechisch „strategos“ = Feldherr, Kommandant; Art und Weise, ein Geschäftsmodell unter Berücksichtigung der Ressourcen langfristig geschickt zu vermarkten.

„Das habe ich schon auf dem Schirm.“

Bedeutet wirklich: Ich kenne Ihr Anliegen, nur ob und wann ich es umsetzen werde, ist noch fraglich.

althochdeutsch „scerm“; umgangssprachlich als metaphorische Floskel anzutreffen in der Wendung einen Schirm spannen = etwas schützend über jemanden halten; bürosprachlich als Zeitgewinnungsfloskel in der Wendung auf dem Schirm haben = etwas beobachten, genau im Blick behalten.

„Ziel der Kooperation ist es, Synergieeffekte zu nutzen und Effizienzpotenziale zu realisieren.“

Synergieeffekt: von altgriechisch „synergia“ = Zusammenarbeit; im Geschäftsleben geht es darum, Synergien zu bündeln = Kräfte zusammenzuführen oder Personal zusammenzulegen, die sich gegenseitig fördern und so einen Mehrwert generieren sollen; eine Umschreibung von Synergie findet sich schon bei Aristoteles: „Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile“ (auch als Holismus bezeichnet); der aus der Philosophie stammende Begriff wird auch in Medizin, Pharmazie, Chemie und Forstwirtschaft verwendet, von dort gelangte er über die Beraterbranche in die Büros.

Wie man das „Wording“ noch „toppen“ kann

„Ich setze das mal auf meine To-Do-Liste.“

Bedeutet wirklich: Vielleicht kümmere ich mich darum, vielleicht auch nicht.

To-Dos: englisch „to do“ = tun; Dinge und Aufgaben, die zu erledigen sind.

„Wir sind bemüht, das Ergebnis des Vorjahres zu toppen.“

toppen: von englisch „top“ = Gipfel, Spitze; jemanden oder etwas übertreffen, übertrumpfen; unnötige Denglisch-Floskel, die weder semantisch noch niveaumäßig einen Mehrwert hat.

„Vom Wording her müssen wir da noch wesentlich subtiler werden.“

Wording: englisch = Ausdrucksweise, Wortwahl, Formulierung; Anglizismus, um besonders hip rüberzukommen; der Sprachforscher Peter Krämer bekommt hierbei „einen hysterischen Schreianfall“.

Bedeutet: Wir müssen uns noch viel unkonkrekter ausdrücken, damit uns niemand auf unsere Ausführungen festlegen kann.

„Die Work-Life-Balance unserer Mitarbeiter liegt uns sehr am Herzen.“

Work-Life-Balance: Ausgleich zwischen Arbeitsleben und Freizeit; einigermaßen scheinheiliger Human-Ressource-Anglizismus mit Wohlfühleffekt.

„Es ist uns äußerst wichtig, dass sich Mitarbeiter an vorgegebene Zeitfenster halten.“

Bedeutet wirklich: Wer zu langsam ist, riskiert seinen Job!

Zeitfenster/Zeitrahmen/Zeitraster: zur Verfügung stehender Zeitraum für ein Ereignis, verfügbares Zeitkontingent; etymologisch aus der Astronomie abzuleiten („Die Sonnenfinsternis lässt sich nur in einem ganz bestimmten Zeitfenster beobachten.“)

Mehr lustige Beispiele gibt es im „Wörterbuch der unverzichtbaren Bürofloskeln“ (Beck Verlag).

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