Zur SelbstverteidigungWann darf ich Pfefferspray oder Reizgas verwenden?

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Beim Pfefferspray verzeichneten die Händler in diesem Jahr eine massive Umsatzsteigerung.

Seit den Ereignissen zu Silvester am Kölner Hauptbahnhof im letzten Jahr sind die Verkaufszahlen von Pfefferspray und die Anträge auf einen kleinen Waffenschein rapide gestiegen. Ende Oktober waren laut Bundesinnenministerium rund 449.000 dieser Waffenscheine für Schreckschusspistolen, Pfefferspray und Reizgas registriert – rund 63 Prozent mehr als 2015.

Offenbar besteht ein großes Bedürfnis, sich für Notsituationen zu wappnen. Doch wie ratsam ist es überhaupt, solche Hilfsmittel bei sich zu führen – und welche rechtlichen Grenzen müssen dabei beachtet werden? Die wichtigsten Fragen und Antworten in der Übersicht.

Woraus besteht Pfefferspray?

Wer schon einmal scharf gegessen hat, kennt das brennende Gefühl von Chilis im Mund. Ähnlich brennt auch das Pfefferspray, denn es enthält den Wirkstoff Oleoresin Capsicum, der in sehr scharfen Chilischoten vorkommt – es handelt sich also um einen natürlichen Wirkstoff.

Neben diesem Wirkstoff werden außerdem Sprays mit dem Wirkstoff „Chlorbenzyliden-Malonsäuredinitril“ verkauft, also ein rein chemischer Reizstoff.

Wie stark das jeweilige Produkt wirkt, hängt auch davon ab, wie konzentriert die Wirkstoffe darin sind.

Wie wirkt Pfefferspray?

Das Spray wirkt unmittelbar und reizt die Haut, Schleimhäute und Atemwege stark, was ein heftiges Schmerzgefühl beim Betroffenen hervorruft. Außerdem kann es starke Krämpfe auslösen sowie ein Gefühl der Orientierungslosigkeit.

Wo kann ich es kaufen?

Pfeffersprays mit der Aufschrift „Nur zur Tierabwehr“ kann man in Deutschland ohne Altersbeschränkung kaufen und mit sich führen – doch eben auch nur zu diesem Zweck.

Allerdings gilt: „Wenn Sie in einer Notwehrsituation sind, dürfen Sie alles benutzen, was Sie in der Hand haben. Wenn Sie also ein Hunde-Abwehrspray in der Handtasche haben und Sie nicht durch einen Hund angegriffen werden, sondern durch einen Menschen, dürfen Sie das einsetzen“, erklärt Rechtsanwalt Andreas Jede.

Inzwischenbieten auch einige Drogerie-Ketten das Spray an.

Wie wird es angewendet?

Die Spraydose soll dicht am Körper gehalten werden und mit der Faust fest umschlossen, damit der Angreifer es nicht aus der Hand schlagen kann. Der Sprühkopf soll mit dem Daumen betätigt werden.

Wann darf ich es anwenden?

Für die Verwendung von Pfefferspray gibt es, wie schon oben erklärt, klare Regeln: Man darf sie nur einsetzen, wenn man selbst angegriffen wird oder jemandem in einer Notsituation helfen will, teilt die Deutsche Anwaltsauskunft in Berlin mit. Wer das Spray in gefahrlosen Situationen verwendet, macht sich strafbar.

Handelt es sich also nicht um Selbstverteidigung oder Nothilfe, begeht man gefährliche Körperverletzung.

Ein Problem des Gebrauchs von Pfefferspray ist allerdings, dass die Nutzer oft nicht sehr geübt damit sind. In Notsituationen kann das deshalb eher hinderlich sein, weil man sich leicht damit selbst verletzten kann, beispielsweise wenn es windig ist. Eine alternative Möglichkeit zur Verteidigung, sagt eine Sprecherin der Polizei Köln, sei es, die Gegenstände zur Wehr zu nutzen, die man ohnehin in der Hand hat – beispielsweise eine Handtasche.

Was ist zu tun, wenn man mit Pfefferspray in Kontakt kommt?

Nach dem meist schmerzhaften Kontakt dem Spray müssen die betroffenen Hautpartien oder die Augen sofort mit kaltem Wasser ausgespült werden – nach Möglichkeit mehrere Minuten lang. Das soll verhindern, dass der Wirkstoff weiter aufgenommen wird. Wenn der Schmerz nach 45 Minuten nicht vollständig abgeklungen ist, sollte ein Arzt aufgesucht werden.

Der kleine Waffenschein - wofür braucht man ihn?

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Der Kleine Waffenschein berechtigt den Besitzer zum Mitführen von Schreckschuss-, Signal- und Reizstoffwaffen.

Wozu berechtigt der kleine Waffenschein?

Grundsätzlich kann jeder in Deutschland ab 18 Jahren Schreckschuss-, Gas- oder Signalwaffen frei erwerben. Vorausgesetzt diese Arten von Waffen haben das Siegel der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB). Dann dürfen Besitzer diese Waffen in ihren eigenen vier Wänden aufbewahren - auch ohne behördliche Genehmigung.

Wer hingegen unterwegs eine der genannten Waffen bei sich trägt, braucht einen Kleinen Waffenschein. Er gilt nur in Verbindung mit einem gültigen Personalausweis oder Pass. „Vereinfacht gesagt: „Sie dürfen die Waffen besitzen, Sie dürfen sie kaufen und zu Hause dürfen Sie sie aufbewahren, aber Sie dürfen die Waffen nicht mitnehmen, wenn sie raus gehen“, sagt Andres Jede.

Unter welchen Voraussetzungen bekommt man einen Kleinen Waffenschein?

Wer einen Kleinen Waffenschein beantragen will, muss mindestens 18 Jahre alt sein. Weitere Voraussetzungen sind Zuverlässigkeit und persönliche Eignung - dazu gehört etwa, dass man keine Vorstrafen haben darf. Ein Sachkunde- oder ein Haftpflichtversicherungsnachweis seien allerdings nicht nötig, sagt ein Sprecher des Bundesinnenministeriums in Berlin.

Wo kann man ihn beantragen?

Je nach Kommune stellt den Schein das Ordnungsamt, die Polizei oder die Kreisverwaltung aus. Interessenten sollten sich bei ihrer Stadtverwaltung erkundigen. Die bearbeitende Stelle gleicht die Angaben des Antragstellers mit eventuellen Eintragungen im Bundeszentralregister und bei der Staatsanwaltschaft ab. Für den Antrag fällt eine Gebühr an - diese kann je nach Bundesland variieren. In Nordrhein-Westfalen liegen die Kosten bei 55 Euro, andernorts kann es teurer sein.

Was ist Besitzern eines Kleinen Waffenscheins untersagt?

Bei Veranstaltungen wie Volksfesten, Sportfesten, Messen oder Ausstellungen dürfen Schreckschuss-, Reizstoff- und Signalwaffen nicht mitgeführt werden - auch nicht mit einem Kleinen Waffenschein, erklärt der Ministeriumssprecher. Auch außerhalb von Schießstätten ist das Schießen verboten – es sei denn, es liegt ein Fall der Notwehr und des Notstands vor. Ansonsten ist das Schießen strafbar.

Welche Strafe droht, wenn man eine der Waffen dabei hat, aber über keinen Kleinen Waffenschein verfügt?

„Das ist unterschiedlich, jeder Fall ist einzeln zu beurteilen. Das Gesetz sagt jedoch, dass dies eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren nach sich ziehen kann - oder eine Geldstrafe,“ erklärt Rechtsanwalt Jede. Wenn das PTB-Zeichen auf den Waffen fehlt, ist es sogar strafbar, die Waffen käuflich zu erwerben. Das gilt auch, wenn an einer zugelassenen Waffe Veränderungen vorgenommen - etwa die Laufsperren ausgebaut - wurden.

Welche Risiken gibt es?

Es kann schnell zu Überreaktionen kommen, warnt der Angstforscher Prof. Borwin Bandelow. Der stellvertretende Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie an der Universitätsmedizin Göttingen nennt ein Beispiel: Unter Umständen ist jemand in einer Gefahrensituation gar nicht in der Lage, etwa Pfefferspray zielgerichtet gegen einen Täter zu richten.

So kann man sich in einem Gerangel unter Umständen versehentlich selbst verletzen. Wird jemand anderes geschädigt - etwa durch den Einsatz von Pfefferspray gegen eine Person - kann das eine strafrechtliche Prüfung sowie ein Ermittlungsverfahren nach sich ziehen, fügt Frank Scheulen hinzu.

Auch Missverständnisse könnten gefährlich werden: Etwa wenn die Polizei jemanden mit einer Waffe sieht und aber nicht weiß, dass diese nicht scharf ist, wie Bandelow sagt. „Letztendlich wird durch eine Zunahme von Leuten, die mit unscharfen Waffen unterwegs sind, die Unsicherheit eher größer als kleiner“, ist Bandelow überzeugt.

(chs mit Material der dpa)

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