Zitieren in HausarbeitenAngst vor dem unbewussten Plagiat

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Copy & Paste: zu Guttenberg hat diese Technik bekannter als je zuvor gemacht. Und seit der Geschichte mit Bildungsministerin Annette Schavan ist das Thema Plagiat sowieso wieder in aller Munde.

Copy & Paste: zu Guttenberg hat diese Technik bekannter als je zuvor gemacht. Und seit der Geschichte mit Bildungsministerin Annette Schavan ist das Thema Plagiat sowieso wieder in aller Munde.

Köln – An deutschen Unis herrscht wieder Panik. Die Guttenberg-Panik. Die Sache mit dem Verteidigungsminister, der sein Amt hinschmeißen musste, weil er in seiner Doktorarbeit plagiiert hatte, ist zwar schon anderthalb Jahre her. Aber jetzt ist da ja auch noch Annette Schavan, die Bildungsministerin. „Wenn ich mit einer Hausarbeit fertig bin und die Selbstständigkeitserklärung unterschreibe, frage ich mich immer, ob ich alles richtig gemacht habe“, sagt Valerie (der vollständige Name ist der Redaktion bekannt).

Besonders viel Angst hat sie davor, dass ein indirektes Zitat ein direktes sein könnte – weil sie möglicherweise zu viele gleiche Wörter im Satz hat wie ihr Ideengeber. „Ich habe mal eine Überschrift aus einem Buch übernommen, war mir dann aber unsicher und habe sie noch geändert“, sagt die Studentin. „Ich bin extrem vorsichtig, vor allem weil Plagiat in den letzten Monaten ein großes Thema in der Öffentlichkeit war.“

Valerie studiert Mathe, Deutsch, Sachkunde und Bildungswissenschaften auf Grundschul-Lehramt im dritten Semester und hat bisher drei Hausarbeiten geschrieben. Wenn sie sich unsicher ist, fragt sie ihre Schwester, die ihr Studium bereits abgeschlossen hat. Ansonsten berät sie sich mit Kommilitonen. „Der letzte Ausweg ist, bei Facebook zu fragen, wie die anderen es gemacht haben.“

Bei Unsicherheit in die Schreibberatung

Viele unsichere Studenten kommen auch zu Esther Breuer und ihren Kollegen in die Schreibberatung der Philosophischen Fakultät. Die meisten hätten beim Thema Zitieren Angst, dass sie nicht alles zu einem Thema gelesen hätten und ein eigener Gedanke bereits von einem anderen veröffentlicht wurde. „Die Dozenten unterstellen ihren Studenten nicht pauschal, dass sie klauen“, so Breuer. „Wenn jemand ordentlich gearbeitet hat und bis dahin alle Quellen sorgfältig und korrekt angegeben hat, vermerken die Dozenten meist nur, welche wichtige Quelle vergessen wurde.“ Wie man richtig zitiere, lernten die Studenten in Einführungskursen zum wissenschaftlichen Arbeiten und auf den Internetseiten der Institute.

Hierbei gibt es jedoch zwei Probleme: Erstens werden die Kurse zum wissenschaftlichen Arbeiten meist für Erstsemester angeboten. Nach ein paar Monaten sei das gelernte Wissen – beim Schreiben der ersten Hausarbeit – häufig schon wieder vergessen. Außerdem wird eher erklärt, wie eine Hausarbeit aufgebaut wird, nicht wie das korrekte Zitieren funktioniert. Zweitens hat jedes Institut, ja beinahe jeder Dozent seine eigenen Zitierregeln. Der eine möchte Blocksatz, der andere einen linksbündigen Text. Einer die Zitate als Fußnoten am Ende der Seite, der andere Klammern im Text. „Vor jeder Hausarbeit suche ich im Internet den Leitfaden des jeweiligen Instituts, dann muss ich mich noch rund zwei Stunden lang in die jeweilige Zitierweise einlesen“, sagt Valerie. Selbst die beiden Germanistik-Institute hätten jeweils eigene Zitierregeln. „Sinnlos“ findet sie das.

Ein direktes Zitat ist wortwörtlich. Es muss in Anführungszeichen gesetzt werden. Man sollte direkte Zitate nicht zu häufig verwenden, sondern nur, wenn sie griffig und gut formuliert sind. Danach zum eigenen, akademischen Schreibstil zurückkehren.

Bei einem indirekten Zitat gibt man die Gedanken eines Anderen wieder. Unbedingt die Quelle nennen. Man sollte versuchen, eigene Formulierungen zu verwenden.

Es sollten immer auch Gegenstimmen mit einbezogen werden.

Mit den wissenschaftlichen Texten sollte man kritisch umgehen: Nur durch die aktive Auseinandersetzung mit den Positionen Anderer kann sich die Wissenschaft weiterentwickeln.

Es ist wichtig, die eigenen Gedanken von denen der anderen klar abzugrenzen, damit sich Eigen- und Fremdleistung für den Leser nachvollziehen lassen.

Unterschiedliche Traditionen

Zitierweisen seien tatsächlich oft fachabhängig, so Breuer. Das liege daran, dass sie auf den unterschiedlichen Traditionen der Fächer beruhten. Vereinheitlichen könne man die Regeln nur schwer. „Wer will bestimmen, was das Richtige ist? Jede Zitierweise hat ihre Vorteile.“ Fußnoten störten den Lesefluss nicht, zentrale Klammern seien dafür schneller zu überblicken. „In den USA hat man versucht, eine einheitliche Lösung zu finden – aber dort funktioniert es auch nicht immer.“ Was Valerie wirklich nervt: „Manche Dozenten setzen gewisse Regeln voraus, nennen sie aber nirgendwo explizit. „In meiner ersten Hausarbeit in Erziehungswissenschaften hieß es, wir könnten zitieren, wie wir wollen, Hauptsache einheitlich“, berichtet die 20-Jährige. „Ich habe mich für die Zitierweise in Klammern entschieden, jedoch nicht die Floskel ’ebd.’ benutzt. Darüber hat sich der Dozent beschwert – obwohl er vorher nie über ’ebd.’ gesprochen hatte.“ Auf ihre Nachfrage habe er gesagt: „So etwas weiß man doch.“

Valerie schlägt vor: „Vielleicht sollten die jeweiligen Institute, wenn sie in Zukunft ihre Leitfäden erneuern, Studenten fragen, was sie besonders verunsichert.“

Wie stark die korrekte Zitierweise bewertet wird, ist abhängig vom Dozenten, sagt Esther Breuer. Manche finden, dass das in den ersten Semestern noch nicht so wichtig ist, andere meinen, genau dann müsse man das Handwerkszeug lernen. Ein Plagiat sei kein Kavaliersdelikt, betont Breuer, aber: „Man ist auch nicht ständig in Gefahr, zu plagiieren, wenn man ordentlich und gewissenhaft arbeitet.“

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