Leder, SpermaSeltene Allergien erkennen

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Allergische Reaktionen sind weit verbreitet. Etwa ein Drittel der Bevölkerung in Deutschland leidet an einer Allergie. Die meisten an einer Pollenallergie, laut einer Umfrage sind es rund 43 Prozent. Auch Reaktionen auf Hausstaub oder Nickel sind recht verbreitet. Manchmal ist die Suche nach der Ursache für eine allergische Reaktion allerdings schwieriger. Denn der Betroffene reagiert auf etwas, das selbst der Arzt nicht so schnell auf der Rechnung hat.

Wer denkt zum Beispiel daran, dass die Birkenfeige (ficus benjamina), Staubfänger in unzähligen Büros und Amtsstuben, allergische Reaktionen verursachen kann? Stoffe aus dem Pflanzensaft verdunsten über die Blätter und gelangen so in die Luft. Allein dieses Gemisch in der Raumluft kann bei Betroffenen Atemnot, Fließschnupfen oder Hautausschlag auslösen.

Allergien sind potentiell lebensbedrohlich

„Inhalationsallergien bei Zimmerpflanzen wie dem ficus benjamina sind eher eine Rarität“, sagt Prof. Thomas Fuchs, Allergologe an der Universitätsmedizin Göttingen und Vorstandsmitglied des Ärzteverbandes Deutscher Allergologen. Ungefährlich sind sie nicht. „Allergien sind potentiell lebensbedrohlich“, warnt der Hautarzt. Ausgenommen seien Kontaktallergien, bei denen nur die Haut reagiert. Stoffe, die wir einatmen und die an die Schleimhäute gelangen, wie Nahrungsmittel und Medikamente, können dagegen im schlimmsten Fall Reaktionen auslösen, die zum Tode führen.

Alles andere als harmlos kann zum Beispiel eine Erdnuss-Allergie verlaufen. „Hier weiß ich von mehreren Todesfällen“, sagt Thomas Fuchs. Das sei immer sehr dramatisch, da schon Spuren von Erdnüssen zu einer Erstickung führen können. Der Betroffene bekommt keine Luft mehr, die Organe versagen, anschließend der komplette Kreislauf. Dieser sogenannte anaphylaktische Schock ist die schlimmste allergische Reaktion.

Rötungen, Schwellungen und Entzündungen

Ebenfalls gefährlich werden kann eine eher ungewöhnliche Allergie. „Allergische Reaktionen auf Sperma sind verbürgt“, sagt Fuchs. Der Kontakt mit der Samenflüssigkeit kann auf der Haut Juckreiz und Schwellungen verursachen und im schlimmsten Fall zu lebensbedrohlichen Atembeschwerden führen. Diese Allergie sei allerdings wirklich selten, beruhigt Fuchs: „Kein Patient, keine Patientin die bisher mit diesem Verdacht zu mir gekommen ist, hatte eine Sperma-Allergie“.

Nicht lebensbedrohlich und dennoch existenziell sind seltene Kontaktallergien, denn sie bedeuten für Betroffene unter Umständen, dass diese ihren Beruf nicht weiter ausüben können. Ein Beispiel ist die Lederallergie: Chromgegerbte Stiefel und Handschuhe, die Handwerker wie Maurer zum Schutz tragen, sind in diesem Fall Auslöser für heftige Rötungen, Schwellungen und Entzündungen der Haut.

Probleme verursachen nicht selten Textilien. Kleidungsstücke in dunklen Farbtönen können die chemische Substanz Para-Phenylendiamin (PPD) enthalten. Wer darauf reagiert, kann keine dunkle Unterwäsche oder andere Kleidung tragen, die direkten Hautkontakt hat. „PPD ist in Europa mittlerweile verboten, doch Textilien aus anderen Ländern werden häufig noch mit PPD behandelt“, erklärt Dermatologe Fuchs. In Haarfärbemitteln stecken ähnliche Stoffe, die ebenfalls Kontaktallergien verursachen.

Kontakt mit dem Auslöser meiden

Bei einer besonders ausgeprägten Nickelallergie reagieren Betroffene nicht nur auf Hosenknöpfe oder Modeschmuck sondern auch auf den Nickelanteil in Euromünzen. Im ungünstigsten Fall sind es Kassiererinnen oder Bankangestellte, bei denen der ständige Geldkontakt ein schweres Ekzem an den Händen verursacht.

Nicht ganz selten sind allergische Reaktionen auf Mehlstaub. Entwickelt eine Bäckereiverkäuferin oder ein Bäcker einen Fließschnupfen, bei dem unaufhörlich die Nase läuft, bedeutet das fast zwangsläufig die Berufsaufgabe. Denn es gibt zwar viele Medikamente, die Patienten helfen. „Doch letztendlich zählt, den Kontakt mit dem Auslöser zu meiden, eine Allergie wird man ein Leben lang nicht wieder los“, sagt Fuchs.

Doch wie soll man etwas meiden, was uns täglich umgibt, das Sonnenlicht? Auch wenn die Lichtallergie eine absolute Seltenheit ist, für den einzelnen Betroffenen bedeutet sie eine enorme Einschränkung. Er kann sich nur nachts draußen bewegen, bereits stärkere Leuchtröhren verträgt er nicht. Die Folge sind juckende Hautschwellungen wie nach Brennnesselkontakt.

Allergie- und Provokationstests

Was umgangssprachlich als Sonnenallergie bezeichnet wird, die sogenannte polymorphe Lichtdermatose, ist dagegen keine Allergie sondern eine Reaktion der Haut auf erste Sonnenstrahlen. Gewöhnt sich die Haut im Laufe des Sommers an die Sonne, lassen die Beschwerden nach.

Bei dem Verdacht auf eine Allergie sollte der Hausarzt den Patienten an einen Facharzt für allergische Krankheiten überweisen. Dieser wird Allergietests, Haut- und Blutuntersuchungen und möglicherweise Provokationstests machen, um die Ursache für die Beschwerden zu diagnostizieren.

Sind die Verursacher gefunden, lassen sich die Beschwerden zunächst in einer akuten Therapie lindern. Gleichzeitig rät Allergologe Fuchs zu einer allergenspezifischen Immuntherapie. Bei der Hyposensibilisierung werden zunächst kleinste Mengen des Allergie-Auslösers verabreicht, diese werden langsam gesteigert, bis der Betroffene eine Toleranz entwickelt hat.

Und auch wenn die Auslöser für seltene Allergien dramatisch klingen, warnt der Allergie-Experte davor, die weit verbreiteten Allergien zu unterschätzen. Eine Birkenpollen-Allergie geht beispielsweise häufig mit einer Nahrungsmittelallergie, einer Allergie auf Nüsse und Steinobst, einher. Die Kombination kann bedeuten, dass ein Betroffener beim Verzehr eines Apfels nur ein leichtes Kribbeln im Mund bemerkt, nach drei Äpfeln jedoch einen allergischen Schock erleidet.

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