Einfach laufen lassenDas steckt hinter dem Trend der „freien Menstruation“

Lesezeit 5 Minuten
Unterleib_Frau_Menstraution_imago (1)

Die „freie Menstruation“ soll für mehr Wohlbefinden während der Periode sorgen.

Einmal im Monat haben Frauen die Wahl zwischen Tampon, Binde oder Menstruationstasse, um ihre Regelblutung aufzufangen. Doch was wäre, wenn Frau keine Lust darauf hat und sich bewusst gegen die klassischen Hygieneartikel entscheidet? Diesen Trend gibt es und er nennt sich „freie Menstruation“. Angeblich soll das für mehr Wohlbefinden sorgen und Beschwerden während der Periode lindern. Das sagen jedenfalls Frauen, die die „freie Menstruation“ praktizieren.

Was ist die „freie Menstruation“ überhaupt?

Anders als man denken könnte, geht es dabei nicht darum „einfach laufen zu lassen“. Ziel ist es, die Menstruationsflüssigkeit natürlich abzulassen. Es geht also um eine Technik, die ein kontrolliertes Abfließen der Flüssigkeit ermöglicht. Denn die Menstruationsflüssigkeit, die während der Regel ausgeschieden wird, fließt nicht immer, sie wird in Intervallen abgegeben.

Das Argument der Verfechterinnen: Geübte Frauen spüren, wann sich ein Blutschwall ankündigt und können entsprechend eine Toilette aufsuchen. Das setzt voraus, dass wir lernen, auf unseren Körper zu hören.

Wie funktioniert die freie Menstruation?

Kündigt sich ein Blutschwall an, wird auf der Toilette bewusst der Beckenboden entspannt und das Becken zusätzlich vor und zurück gewippt. Eine Massage des Unterbauchs kann zusätzlich helfen, das Blut fließen zu lassen. Einmal Blutablassen soll zwischen einer und fünf Minuten dauern, erklärt die Bloggerin Silke Leopold, die auf ihrem Youtube-Kanal den Trend erklärt. Die genaue Dauer variiere aber je nach Zyklustag und Blutungsstärke, so Leopold. Zwischen den Schüben lägen zehn Minuten bis zu vier Stunden.

Das sind die Vor- und Nachteile der freien Menstruation

Die Methode der freien Menstruation soll gesund und äußerst hygienisch sein. Das leuchtet ein, denn wer Tampons und Binden nutzt, läuft immer wieder Gefahr, dass Keime oder andere bedenkliche Inhaltsstoffe in oder an die Vagina gelangen. Ein weiterer Vorteil: durch die freie Menstruation wird Müll vermieden, die Umwelt – und der eigene Geldbeutel – geschont. Gleichzeitig berichten Frauen wie Silke Leopold, dass sie dank „freier Menstruation“ kaum noch Regelschmerzen haben.

Der Nachteil liegt jedoch auf der Hand: Bei nicht geübten Frauen kann es zu peinlichen Menstruationsflecken auf der Kleidung kommen. Sie sollten immer einen Tampon oder ein anderes Hilfsmittel zur Hand haben. Ansonsten sind unangenehmen Zwischenfälle vorprogrammiert. Auch an der Praktikabilität hakt es, denn nicht immer sind Toiletten überall und jederzeit verfügbar.

Was sagt die Gynäkologin dazu?

Gegenüber der „Bild-Zeitung“ sagt die Gynäkologin Dr. Verena Breitenbach: „Medizinisch betrachtet gibt es nichts, was gegen diese Methode spricht – ganz im Gegenteil.“ Es sei der natürlichste Weg, der Körper werde weder Fremdkörpern noch Schadstoffen ausgesetzt, die den empfindlichen Bereich des weiblichen Körpers reizen könnten, so die Expertin.

Was die Frauenbewegung mit der freien Menstruation verändern möchte

Trend schwappt aus den USA nach Europa

Die dortige Feminismus-Bewegung setzt sich für einen offeneren Umgang mit dem weiblichen Zyklus ein. So auch Kiran Gandhi. Im Frühjahr 2015 lief sie den London Marathon ohne Tampon und Binde – obwohl am Vortag ihre Regelblutung eingesetzt hatte. Sie selbst berichtet auf ihrer Homepage, das Blut sei ihr die gesamten knapp 42 Kilometer an den Beinen herunter gelaufen. Auf ihrer Homepage schreibt sie darüber. Sie ist der Meinung, die Gesellschaft stigmatisiere die weibliche Periode als eklig und unrein. Zudem würden Frauen dazu angehalten, ihre Blutung zu verstecken und zu verleugnen.

So schreibt Kiran: „Ich dachte, wenn es jemanden gibt, dem die Gesellschaft nicht zu nahe tritt, dann ist es ein Marathonläufer. Auf der Marathonstrecke kann Sexismus besiegt werden – wo das Stigma der weiblichen Periode irrelevant ist und wir die Regeln nach unseren Wünschen umschreiben können. Wo das Wohlgefühl einer Frau wichtiger wird als das des Beobachters. Ich lief mit Blut an meinen Beinen für die Schwestern, die keinen Zugang zu Tampons haben, und für die Schwestern, die ihre Periode trotz Krämpfen und Schmerzen verstecken und so tun, als gäbe es sie nicht. Ich lief, um zu sagen: Sie existiert und wir leben jeden Tag damit.“

Aber ist Period Shaming überhaupt existent?

Ja, das ist es. Das musste auch die Aktivistin und Künstlerin Rupi Kaur aus Toronto feststellen, als sie ein Foto auf ihrem Instagram-Account hoch lud. Das Foto zeigte eine mit Jogginghose und Oberteil bekleidete Frau – inklusive Menstruationsfleck zwischen den Beinen am Po. Damit wollte sie ein Statement setzen – und wurde prompt von Instagram zurechtgewiesen. Das Foto wurde mit dem Hinweis auf einen „Verstoß gegen die Nutzungsrichtlinien“ von Instagram gelöscht – eine Reaktion, von der sich Rupi nur bestätigt fühlte.

Sie lud das Bild erneut hoch, mit folgender Erklärung: "Danke, Instagram, dass ihr mir genau die Art von Reaktion geschenkt habt, die mein Werk kritisieren sollte. Ihr habt ein Foto von einer komplett bekleideten, menstruierenden Frau gelöscht und behauptet, dass das gegen die Nutzungsrichtlinien verstößt, obwohl in euren Richtlinien steht, dass sowas völlig akzeptabel ist. Das Mädchen ist angezogen. Das Bild ist mein Bild. Es greift keine bestimmte Gruppe an, es ist auch kein Spam. Und weil es gegen diese Richtlinien nicht verstößt, werde ich es noch einmal posten. Ich werde mich nicht dafür entschuldigen, dass ich nicht das Ego oder den Stolz einer frauenfeindlichen Gesellschaft bediene, die meinen Körper in Unterwäsche akzeptiert, aber nicht mit einem kleinen ‚Leck‘ klarkommt, während eure Seiten mit zahllosen Fotos und Nutzerkonten gefüllt sind, auf denen Frauen (viele von ihnen minderjährig) zu Objekten werden und unmenschlich behandelt werden.“

(sar)

Das könnte Sie auch interessieren:

KStA abonnieren