InterviewSchädel-Hirn-Trauma nach Unfällen

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Gereon Fink ist Professor für Neurologie und Direktor der Klinik und Poliklinik für Neurologie an der Uniklinik Köln.

Gereon Fink ist Professor für Neurologie und Direktor der Klinik und Poliklinik für Neurologie an der Uniklinik Köln.

Herr Fink, was ist für Ärzte das Besondere an einem Schädel-Hirn-Trauma nach einem Unfall?

GEREON FINK Das komplexe Verletzungsbild. Ein Schlaganfall passiert auch plötzlich, aber die Versorgungsgebiete der Arterien sind gleich. Bei einem Unfall entstehen vielfältige Verletzungen tief im Gewebe. Stellen Sie sich das Hirn vor wie einen Pudding, weich, aber von vielen Fasern durchzogen. Wenn der erst beim Aufprall an die hintere Schädeldecke prallt und gestaucht wird, dann nach vorne fliegt und noch mal gestaucht wird, entstehen nicht nur Schäden gegenüber vom Aufprallort, sondern auch Scherverletzungen, Faserbahnen und Gefäße zwischen Hirn und Schädel werden zerrissen.

Sagt die Länge eines Komas etwas über die Heilungschancen aus?

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FINK Je länger ein künstliches Koma dauert, desto größer ist zumindest das Risiko für Infektionen. Zudem baut die Muskulatur stark ab, da der Patient neben Schmerz- und Schlafmitteln Medikamente zur Muskelentspannung bekommt, damit er nicht gegen die Maschine atmet. Das macht es ihm beim Aufwachen immer schwerer, selbst zu atmen. Je schwerer die Schädigung des Hirns, je länger das Koma ist, desto länger wird deshalb vor allem die Aufwachphase dauern.

Wie sieht die aus?

FINK Wenn ein Patient stabil ist, lassen wir die Medikamente nach und nach weg. Zuerst kommt dann meist die zunehmende Übernahme einer eigenständigen Atmung. Die Unterstützung durch die Beatmungsmaschine wird daraufhin auch nach und nach verringert. Dann fängt jemand vielleicht an zu blinzeln, zeigt erste Reaktionen auf Umweltreize.

Angehörige berichten oft von Delirzuständen der Patienten beim Erwachen.

FINK Das passiert tatsächlich häufig: Den Patienten fehlen für die Zeit des Komas alle Erinnerungen, sie wissen nicht, wo sie sind, sie haben neben ihrer Hirnverletzung viele Medikamente bekommen – es ist, gerade bei älteren Patienten, sehr schwer, sie wach werden zu lassen, ohne dass sie Verwirrungszustände entwickeln. Das ist ein Problem, denn dann müssen sie wieder Medikamente bekommen, die die Rehabilitation verzögern.

Das Hirn ist lebenslang lernfähig, sagt man. Gibt es trotzdem einen Zeitpunkt, an dem die Rehabilitation in der Regel abgeschlossen ist?

FINK Aus Sicht der Krankenkassen und der Rentenversicherungsträger gibt es den, er liegt bei etwa zwei oder drei Jahren nach einer Verletzung. Ich als Forscher bin damit nicht einverstanden – ich sehe selbst bei älteren Betroffenen noch Potenzial, auch Jahre nach einem Unfall.

Das Gespräch führte Silke Offergeld

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