Verrückte FetischeWenn sich Menschen in Dinge verlieben

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Es gibt Menschen, die führen Beziehungen mit Dingen. Eine Frau liebt zum Beispiel die Golden Gate Bridge in San Fransisco.

Es gibt Menschen, die führen Beziehungen mit Dingen. Eine Frau liebt zum Beispiel die Golden Gate Bridge in San Fransisco.

Sex auf der Flugzeugtoilette oder ein Dildo im Ehebett: Für die einen sind solche Abenteuer spaßige Beziehungsaufpepper, für die anderen eine ernste Sache: Manche Menschen haben nämlich Sex am liebsten nur in der Höhe, oder ausschließlich mit Gegenständen. „Fetische“ oder „Philien“ nennt man solche außergewöhnlichen sexuellen Neigungen. Problematisch sind sie erstmal nicht – vorausgesetzt, niemand kommt zu Schaden oder fühlt sich von den Handlungen gestört.

Fetisch darf nicht den Alltag beeinträchtigen

„Hat ein Partner bestimmte sexuelle Vorlieben, kann das eine gewisse Würze in die Beziehung bringen. Den Fetisch darf derjenige aber nur so lange ausleben, wie der andere Partner Lust hat, mitzumachen“, sagt Ilona von Serényi, Paartherapeutin aus Bergisch Gladbach. Zu einem Problem werde eine sexuelle Vorliebe auch dann, wenn der Alltag unter der Neigung leide: „Das ist unter anderem der Fall, wenn sich die Gedanken um nichts anderes als den Fetisch drehen, so dass die Betroffenen zum Beispiel nicht mehr in der Lage sind, ihrer Arbeit nachzugehen“, erklärt von Serényi weiter.

Das Spektrum der Fetische ist groß, die einzelnen Philien in ihren Ausprägungen sehr unterschiedlich. Und nicht wenige wirken auf den ersten Blick durchaus skurril.

Objektsexualität Thema in Talkshows und Dokumentationen

„Acrophil“ nennen sich zum Beispiel diejenigen, die gerne Sex an hohen Orten haben: auf Türmen, im Heißluftballon, oder eben im Flieger.

Und wer sich sich so stark zu bestimmten Gegenständen hingezogen fühlt, dass er romantische und sexuelle Gefühle zu diesen Objekten aufbaut, kann sich als „objektophil“, oder „Objektsexueller“ bezeichnen. Diese Art der besonderen Zuneigung zu leblosen Dingen erlangte im Jahr 2007 viel Aufmerksamkeit: Eine bekennende Objektsexuelle, die Amerikanerin Erika Eiffel, heiratete in einer symbolischen Zeremonie den Eiffelturm in Paris. Seitdem ist der Gegenstands-Fetisch Thema zahlreicher Talkshows und Dokumentationen.

Etwas unbekannter hingegen sind da die „Hodophilie“ – die sexuelle Erregung bei Reisen zu fremden Orten, die „Capnolagnia“ – der Rauchfetischismus, oder die „Moriaphilie“ – die sexuelle Vorliebe für Schmuddelwitze.

Wie gut kennen Sie sich mit Philien aus? Auf den nächsten Seiten erklären wir genauer, was es mit den ausgefallenen Fetischen auf sich hat.

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Objektophilie: Die Liebe zu leblosen Gegenständen

„Ich liebe mein Auto“ oder „Ich liebe diese Schuhe“ sind Sätze, die vielen leicht über die Lippen gehen. Objektsexuelle meinen dies jedoch wörtlich – viele führen sogar langjährige Beziehungen mit Dingen. Zu den Liebes- und teilweise Lebenspartnern von bekennenden Objektophilen gehören Autos, Dampflokomotiven, Kirmes-Fahrgestelle, Brücken, die Berliner Mauer und sogar die seit 2001 „toten“ Zwillingstürme des World Trade Centers.

Zärtlichkeiten tauschen die ungleichen Verliebten über „Temperatur“ aus, erklärt die Amerikanerin Erika Eiffel, die sich medienwirksam für die „OS“-Community einsetzt. Eine warme Hand auf kaltem Stahl etwa wärme das Material, die Stahloberfläche kühle im Gegenzug. Das sei ein Austausch von Energie, der sich nicht wesentlich vom Körperkontakt zweier Menschen unterscheide, sagt Eiffel in einer Dokumentation.

„Das schreckliche Ereignis verdrängen“

Eija-Riitta Berliner-Mauer (der Name der Schwedin seit ihrer Hochzeit mit der Berliner Mauer im Jahr 1979) wird oft als Begründerin der eigensinnigen sexuellen Spielart gesehen, die die Liebe zu Dingen der Liebe zu Menschen vorzieht.

Die Zuneigung zu ihren Partnern erleben Objektsexuelle aber scheinbar genau so wie alle nicht-Objektophilen auch: Der Abriss ihres „Ehemanns“ aus Stein hat bei Eija-Riitta tiefe Wunden hinterlassen. Laut dem Spiegel schrieb die heute 60-Jährige über den Mauerfall auf ihrer Homepage: „Angesichts all der emotionalen Verbundenheit, tiefen Liebe und den guten Erinnerungen, die mich mit ihm verbunden haben, war der einzige Weg zu überleben, dieses schreckliche Ereignis zu verdrängen.“

Mehr ausgefallene Fetische lesen Sie auf der nächsten Seite!

Hodophilie: Die sexuelle Erregung, die beim Reisen an fremde Orte entsteht

Jeder, der mal in ein anderes Land gereist ist, sollte das Gefühl kennen: Die leicht nervöse, aber positive Aufregung, eine neue Kultur kennen zu lernen – fremde Menschen, fremde Bräuche... Wenn diese Aufgeregtheit aber in sexuelle Erregung umschlägt, spricht man von „Hodophilie“. Hodophile Menschen reizt die Neuartigkeit, die Überraschungen und das Unbekannte fremder Orte und Kulturen.

Moriaphilie: Die sexuelle Erregung durch das Erzählen schmutziger Witze

„Kennst du den schon?“ In wohl jedem Freundeskreis gibt es einen Spaßvogel, der ein ganzes Repertoire an schmutzigen Witzen auf Lager hat, und diese gerne und oft zum Besten gibt. Wer beim Erzählen dieser Witze aber sexuelle Erregung verspürt, ist vermutlich „moriaphil“. Wichtig hier: Moriaphilen geht es dabei nicht um den sogenannten „Dirty Talk“, sondern ausschließlich um Witze mit anzüglichem Inhalt. Moriaphil ist auch nur derjenige, der beim Erzählen, nicht beim Hören der Schmuddel-Gags erregt wird.

Acrophilie: Die sexuelle Erregung durch Geschlechtsverkehr an Orten in großer Höhe

Während Sex in der Flugzeugtoilette für viele Menschen den Reiz des Spontanen und des Öffentlichen hält, sind „acrophile“ Menschen besonders von der Höhe angetörnt, in der sie sich befinden. Der Begriff leitet sich aus dem griechischen Wort „akros“ ab, was „höchster Punkt“ bedeutet. Es kann also auch ein Heißluftballon, ein hohes Gebäude oder die Spitze eines Berges herhalten – Acrophilen ist besonders eines wichtig: sich weit über dem Boden zu befinden.

Capnolagnia: Sexuelle Erregung durch den Anblick rauchender Menschen

Die Regisseure der 1950er und 1960er Jahre wussten genau, welche Wirkung eine Zigarette im Mund oder in der Hand einer schönen Schauspielerin haben kann. In der Filmwissenschaft gilt der obligatorische Glimmstengel in den Klassikern des alten Hollywood als das Phallus-Symbol schlechthin. Manche Menschen empfinden das Rauchen von Tabak – zum Beispiel in Form von Zigaretten, Zigarillos oder sogar Pfeifen – aber so erregend, dass sie sich sogar als Rauchfetischisten bezeichnen.

Wie bei der Moriaphilie muss auch hier zwischen aktivem und passiven Handeln unterschieden werden: Es geht Rauchfetischisten nicht darum, selbst den blauen Dunst zu inhalieren: „Capnolagnia“-Anhänger werden hauptsächlich beim Beobachten qualmender Menschen erregt. (mar)

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