Zigaretten ohne ZusatzstoffeAngriff der rauchenden Indianer

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American Spirit Zigaretten

American Spirit Zigaretten

Den Anfang machte ein Häuptling mit Friedenspfeife. Hinter ihm senkte sich eine blutrote Sonne in die Prärie. Daneben stand zu lesen: „100 % additive free Natural Tobacco“, 100 Prozent Zusatzstoff-freier Tabak. Das Logo der Zigarettensorte „Natural American Spirit“ wurde 1982 von einer kleinen Firma aus dem amerikanischen Santa Fe (New Mexico) entwickelt. Die hatte eine Nische im Tabakmarkt entdeckt: die Zigarette ohne Zusatzstoffe. Die Marke war so erfolgreich, dass sie 2002 vom Tabakmulti R. J. Reynolds gekauft wurde. Heute ist der rauchende Indianer längst eine Werbeikone. Und der Hoffnungsträger einer Industrie, die ihren Marlboro-Cowboy längst an den Krebs verloren hat.

Ende der klassischen Zigarette?

Zigaretten ohne Zusatzstoffe sind so etwas wie das letzte Streichholz, an das sich die Tabakkonzerne klammern. Zündet es nicht, könnten sich die großen Hersteller schon bald vom klassischen Rauchwerk verabschieden und auf die E-Zigarette setzen, glauben Branchen-Experten. Seit Jahren gieren Verbraucher nach allem, was als biologisch, natürlich und echt verkauft wird. Zigaretten, die ohne künstliche Zusätze auskommen, passen ideal zu diesem Kundenbedürfnis. Und es hat eine messbare Wirkung: Bei vielen Produkten, vor denen bewusste Konsumenten eher zurückschrecken – etwa zuckertriefenden Cornflakes –, wirkt etwa ein Bio-Siegel wahre Verkaufswunder. Sein „Glanz“ von Reinheit und natürlichkeit überstrahlt alle negativen Eigenschaften des Produkts. „Halo-Effekt“, Heiligenschein-Effekt, nennen Psychologen dieses Phänomen. Darauf setzt auch die Zigarettenindustrie.

Auch Zigaretten, für die mit „Tabak ohne Zusätze“ geworben wird, kommen nicht ohne Zusätze aus.

Ammoniumverbindungen

Werden Filtern zugesetzt, um die Abbrandgeschwindigkeit zu steuern. Man nimmt an, dass sie zum Suchtpotenzial beitragen, weil sie die Nikotin-Aufnahme erleichtern.

Glycerin

Süß schmeckende, farblose Flüssigkeit, die den Tabak feucht halten soll. Reizt die Atemwege.

Vanillin

Überdeckt die Schärfe des Rauchs und macht Rauchen angenehmer. Beim Verbrennen werden polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe gebildet, die als krebserzeugend eingestuft werden.

Zellulose

Steckt im Papier und im Filter. Wenn Zellulose verbrennt, werden zahlreiche gefährliche, möglicherweise krebserregende Substanzen gebildet – und inhaliert.

Propylenglykol

wird im Filter angewendet. Bildet beim Verbrennen Propylenoxid, das als möglicherweise krebserregend eingestuft wird. (ma)

Quelle: Dt. Krebsforschungzentrum

Packpapier-braune Schachteln

So bringt British-American Tobacco (BAT) seit 2010 „Lucky Strike ohne Zusätze“ heraus. Marlboro verkauft schon seit 2007 additiv-freie Zigaretten in packpapier-braunen Schachteln. Gauloises, Pall Mall und Camel haben ähnliche Produkte. „Das Segment der Zigaretten ohne Zusätze hat sich in den letzten Jahren stark entwickelt“, sagt BAT-Sprecherin Karin Schlömer. „Machte es 2010 rund einen Prozent Marktanteil aus, erzielt es heute fast sieben.“

Für Martina Pötschke-Langer vom Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg hat dieses Wachstum einen einfachen Grund: die „Irreführung der Verbraucher“. Die Werbung „ohne Zusatzstoffe“ sei „schlicht ein Marketinginstrument, das sich an die Raucher richtet, die gesundheitlich besorgt sind“. Mit dem Slogan werde suggeriert, dass das Rauchen dieser Produkte weniger schädlich sei. „Dabei bleibt die Zigarette ein Giftgemisch – ob mit oder ohne Zusätze“, so Pötschke-Langer.

Die Hersteller müssen inzwischen zwar selbst auf jeder Packung darauf hinweisen, „dass Tabak ohne Zusätze nicht bedeutet, dass es sich um eine risikoärmere Zigarette handelt“. Dem Kundenbedürfnis nach einem vermeintlich sauberen Raucherlebnis kommen sie trotzdem gerne entgegen: „Verbraucher verbinden mit diesen Produkten vermutlich den Wunsch nach einer Zigarette, die weitestmöglich auf reinem Tabak basiert“, glaubt Jan Mücke, Geschäftsführer des Deutscher Zigarettenverbands. „Sie verzichten ganz bewusst auf bestimmte Veredelungen durch Zusatzstoffe.“

Der Zusatz steckt im Papier

Dass „Tabak ohne Zusatzstoffe“ nicht heißt, dass in der ganzen Zigarette nur Naturmaterial steckt, dürften indes nur wenige Raucher wissen. „Eine Fabrikzigarette ist nicht denkbar ohne Zusatzstoffe, allein schon, weil das Material zusammengehalten werden muss“, sagt Pötschke-Langer. Ein Trick sei, dass die Zusätze im Papier stecken. „Dort haben sie fast gleiche Effekte wie im Tabak.“ Mit dem Siegel „Bio-Tabak“ darf übrigens „Natural American Spirit“ nicht mehr werben. Das hat der Bundesgerichtshof in letzter Instanz dem Unternehmen in Deutschland verboten. Für Martina Pötschke-Langer wäre alles andere auch eine bittere Ironie: „Zigaretten sind das giftigste Verbraucherprodukt auf dem Markt. Das mit Bio zu etikettieren, wäre eine Perversion.“

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