„Billig und komfortabel“Warum ein Wohnungstausch die beste Art zu reisen ist

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Überzeugte Wohnungstauscher: Jessica Braun und Christoph Koch in Paris.

„Haustausch ist Urlaub in der Wohnung von Freunden, die man noch nicht kennengelernt hat“, so schön beschreiben Jessica Braun und Christoph Koch das Reisephänomen, dem sie ein ganzes Buch gewidmet haben.

In „Your Home is my Castle. Als Wohnungstauscher um die Welt” outen sich die Journalisten als Fans dieser Form des Reisens. Als Haustauscher lebte das Ehepaar schon in Barcelona, Paris, Kopenhagen, Perth in Australien, Oaxaca in Mexiko, Oakland und Princeton in den USA.

Am Ende der Welt in ein anderes Leben eintauchen

Und tatsächlich ist die Vorstellung erst einmal großartig: Man kann am anderen Ende der Welt in ein anderes Leben eintauchen. Nicht anonym in einem Hotel nur zu Besuch zu sein, sondern mitten unter den Einheimischen leben. In ihre Stammkneipen gehen, über ihre Stadtteilmärkte schlendern und es sich an ihren Rückzugsorten, entlegenen Stränden oder versteckten Waldseen, gut gehen lassen.

Kurzum: Man kann an all die Orte gelangen, die so geheim sind, dass sie nicht einmal im Lonely Planet auftauchen. Und die man nur kennenlernt, weil einen die Gastgeber in die Geheimnisse ihrer Heimat eingeweiht haben.

Leben in einer Wohnung in New York – ohne dafür zu bezahlen

Womöglich hat man so eine weitläufige Wohnung in New York, ein Haus auf Bali oder eine Finca auf Mallorca ganz alleine für sich allein – und  muss noch nicht einmal dafür zu bezahlen. Das alles klingt einfach traumhaft.

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Weihnachten am Strand: Christoph Koch und Jessica Braun verbrachten den Winter in Perth, Australien.

Im Gegenzug muss man allerdings auch selbst bereit sein, Fremden nicht nur Zugang zur eigenen Wohnung sondern auch in das eigene Leben zu gewähren. Eine nicht ganz einfache Herausforderung. Jessica Braun formuliert es so: „Fremden die eigene Wohnung zum Tausch anzubieten, ist eine großartige Einladung: Mach dich in meinem Leben breit. Schlaf in meinem Bett. Leg die Füße auf meinen Couchtisch. Check Deine E-Mails an meinem Computer (aber benutz bitte Untersetzer, wenn du deine Tasse auf den Schreibtisch stellst!). Geh in mein Lieblingsrestaurant. Lerne meine Nachbarn kennen, vielleicht sogar meine Freunde. Fühl Dich in meinem Heim zu Hause.“

„Haustauscher sind nette Menschen“

Das ist eventuell nicht für jeden eine angenehme Vorstellung. Das Ehepaar Anfang vierzig gehört jedoch zu einer überzeugten Haustauscher-Gemeinde und findet:  „Haustauscher sind nette Menschen. Seit mehreren Jahren sind wir Teil dieser weltoffenen Community. Unsere Erfahrungen bisher durchweg gut.“

Angefangen haben die beiden Haustauscher, um im Urlaub Geld zu sparen. „Als Christoph und ich mit dem Tauschen anfingen, dachten wir: Das ist ja eine total neue coole Idee! So ein Sharing-Economy-Ding wie Carsharing oder Coworking.“ Doch damit lagen die beiden total falsch. Denn: Die ersten Haustauscher gab es bereits 1953.

Die Idee des Haustauschs ist älter als das Internet

Die Idee geht zurück auf die Lehrer A. Lehmann aus der Schweiz und Gerrit Beltman aus den Niederlanden. „Die langen Schulferien hatten die Gewerkschaftsvorsitzenden auf eine Idee gebracht: Statt nur vierzehn Tage lang irgendwo Urlaub zu machen und viel Geld für eine Unterkunft zu zahlen, könnten Lehrer doch Wohnungen tauschen.“ Die Idee des Haustauschs war geboren.

Was man beim Haustausch beachten sollte

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Mit Einheimischen feiern: Der Wohnungstausch macht es möglich.  Jessica Braun und Christoph Koch tanzten mit Schweden  in Stockholm um den „Midsommar-Baum“.

Im Gegensatz zu damals finden Haustauscher ihre Partner heute auf Online-Plattformen wie HomeExchange oder HomeLink, die die Autoren beide weiterempfehlen können. Die Vor- und Nachteile der eigenen Wohnung sollte man in seinem Profil ehrlich benennen und jedes Zimmer – am besten bei Sonnenschein – fotografieren und einstellen.

Der Tausch muss nicht zwangsläufig gleichzeitig stattfinden

„Man kann natürlich auf Onlineplattformen auch sehr gezielt nach Wunschorten und –terminen suchen. Man kann aber auch einfach die eigene Wohnung oder das Haus inserieren und warten, was an Tauschangeboten reinflattert. Wir machen meistens Letzteres und sind damit bisher sehr gut gefahren“, so Koch. Manchmal sei es schwierig, passende Termine für den Tausch zu finden. Allerdings müsse man ja nicht zwangsläufig zeitgleich tauschen.

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Wenn der Tauschpartner geschäftlich unterwegs ist, kann man beispielsweise in der Zeit seine Wohnung nutzen und er kommt dann über Weihnachten, wenn man selbst auf Heimaturlaub bei der Familie ist. Manche HomeExchange-Teilnehmer verlangen noch nicht einmal einen Tauschbesuch, weil sie eine Zweitwohnung haben und sie einfach froh sind, wenn dort einmal jemand nach dem Rechten sieht.

Auch wer nicht in Metropolen lebt, findet Tauschpartner an spannenden Orten weltweit

Das Ehepaar lebt in Berlin. Da ist es mit dem Haustausch natürlich denkbar einfach. Aber wie ist es, wenn man in weniger hippen Städten lebt? Auch Haustauscher aus beispielsweise Essen oder Flensburg hätten schon Tauschpartner an so tollen Zielen wie Südafrika oder den USA gefunden, schreibt Koch.

„Es ist unfassbar billig und verrückt komfortabel“

Ein Freund machte den beiden das Haustauschen schmackhaft: „Es ist unfassbar billig und verrückt komfortabel“. Wochenlange Aufenthalte in Paris oder New York können sich im Hotel sicher nur wenige leisten. Auch für Familien bietet sich diese günstige Form des Reisens ein. Für sie ein weiterer Vorteil, wenn sie mit anderen Familien tauschen: Dass man nicht Tonnen an Spielzeug, Kinderwagen oder Reisebett mitschleppen muss.

„Ein Tausch macht die Ankunft zur Zitterpartie“

Aber das ist nicht das einzige Argument für diese Art des Reisens.  „Dazu kommt, dass Hotels häufig dort stehen, wo man „gewesen sein muss“ – aber eben nicht dort, wo man gewesen sein will“, schreibt Koch. Hotels stünden eben häufig dicht an dicht rund um die touristischen Sehenswürdigkeiten, aber in der Regel nicht dort, wo es sich angenehm leben lasse.

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Cover von „Your home is my castle“

Allerdings braucht man für den Wohnungstausch ein wenig Vertrauen in das Gute im Menschen. Auch Jessica Braun räumt ein, dass sie kurz vor der Ankunft am Zielort häufig ein mulmiges Gefühl habe. „Ein Tausch macht die Ankunft jedes Mal zur Zitterpartie. Spätestens wenn der Flieger landet, melden sich Zweifel: Kann das gut gehen? Könnte doch sein, dass der Schlüssel gar nicht zu der angegebenen Unterkunft gehört und wir belämmert auf der Straße sitzen.“

„Räumt ein hinterhältiges Rentnerpaar gerade unsere Wohnung aus?“

Gleichzeitig ist da auch eine leichte Sorge um das eigene Heim: „Liegen vor uns wunderbare Wochen, oder räumt ein hinterhältiges Rentnerpaar gerade unsere Wohnung aus?“ Bislang haben sich nach zahlreichen Aufenthalten des Paares jedoch keine dieser Befürchtungen bewahrheitet. Es sei immer wieder erstaunlich, dass das Prinzip funktioniere, findet Braun. „Dass Fremde, die sich doch nur über das Internet kennen, sich derart vertrauen. Denn letztlich genügen ein paar Sätze und Fotos in einem Onlineprofil, um einander nicht nur die Haustürschlüssel, sondern manchmal auch Oma oder Katze zu überlassen.“

Nichtsdestotrotz ist diese Art des Reisens für die beiden ideal

Christoph Koch hat einen anderen Nachteil des Haustauschs ausgemacht. „Es gibt jedoch einen Moment, in dem ich das Wohnungstauschen regelmäßig verfluche: am letzten Tag vor der Abreise aus unserem jeweiligen Tauschdomizil. Die Höflichkeit gebietet es schließlich, alles wieder genauso zurückzulassen, wie wir es vorgefunden haben.“ Und das bedeutet deutlich mehr Arbeit vor der Abreise als im Hotel, wo man einfach den Zimmerschlüssel abgibt und sich um nichts kümmern muss.

Nichtsdestotrotz ist diese Art des Urlaubs für die beiden ideal.  Sie werden demnächst für drei Wochen nach Calgary reisen und danach nach Turin. Natürlich als Haustauscher.

Braun, Jessica und Koch, Christoph: Your home is my castle. Als Haustauscher um die Welt, Malik, 249 Seiten, 16 Euro.

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