RechtsfrageKann man den Führerschein verlieren, wenn man betrunken E-Scooter fährt?

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Vor den erleuchteten Hochhäusern sind am Abend eine Frau auf einem E-Scooter (l) und zwei Spaziergängerinnen (r) unterwegs. Das Bild hat einen starken Wischeffekt.

Ganz schön verschwommen alles – darf man angetrunken E-Roller fahren?

Betrunken fährt man lieber nicht Auto. Stattdessen schnell einen E-Roller nehmen? Wie die Rechtslage ist, erklärt Anwalt Christian Solmecke. 

Der Partyabend inklusive Alkohol- oder Drogenkonsum ist vorbei. „Vernünftigerweise“ steigt man nicht ins Auto, sondern auf einen der E-Roller, wie sie auch in Köln zu Tausenden herumstehen. Ist doch erlaubt, oder?

Christian Solmecke

Christian Solmecke

hat sich als Rechtsanwalt und Partner der Kölner Medienrechtskanzlei WBS.LEGAL auf die Beratung der Internet- und IT-Branche spezialisiert. Neben seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt ist Solmecke vielfac...

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Wer das denkt, muss sich vom Bundesgerichtshof (BGH) eines Besseren belehren lassen. Im April 2023 entschied das im Bereich der ordentlichen Gerichtsbarkeit höchste deutsche Gericht, dass E-Scooter zumindest dann als „Kraftfahrzeuge“ gelten, wenn man auf ihnen mit einer Geschwindigkeit von bis zu 25 Kilometern pro Stunde fahren kann. Wer also betrunken oder anderweitig berauscht einen E-Scooter nutzt, wird nach denselben Vorschriften bestraft wie ein Autofahrer.

Das bedeutet konkret: Ab 0,5 Promille oder – im Fall von Cannabis – bei einem Nanogramm (ng) THC pro Milliliter im Blut handelt man immer zumindest ordnungswidrig. Wegen Trunkenheit im Verkehr gemäß Paragraf 316 Strafgesetzbuch (StGB) macht sich strafbar, wer mit mindestens 1,1 Promille unterwegs ist. Außerdem, wer mindestens 0,3 Promille oder 1 ng/ml THC im Blut hat und „Ausfallerscheinungen“ zeigt, also zum Beispiel Schlangenlinien fährt.

Aber was bedeutet das jetzt für den Führerschein? Verliert man diesen automatisch mit? Nur einen knappen Monat nach dem BGH-Urteil sagte das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt hierzu: Wer sich einer Trunkenheitsfahrt auf einem E-Scooter schuldig macht, sei in aller Regel zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet und verliere deshalb den Führerschein. Nur wenn sich die Tatumstände von denen eines Durchschnittsfalls deutlich abheben, könne in seltenen Ausnahmen von der Regel abgewichen werden. Dem Argument, berauschte E-Scooter-Fahrer seien weniger gefährlich als Autofahrer, erteilte das OLG eine Absage: Der Sturz eines Fußgängers oder Radfahrers infolge eines Zusammenstoßes mit dem E-Scooter könne „ganz erhebliche, unter Umständen sogar tödliche Verletzungen verursachen“.

Ich halte eine solch scharfe regelmäßige Verurteilung für völlig unangemessen.

Diese Position ist allerdings umstritten. Es gibt auch einzelne Gerichte, die das anders sehen. Auch ich halte eine solch scharfe regelmäßige Verurteilung für völlig unangemessen.

In einem ganz aktuellen Fall vom August 2023 verzichtete das Landgericht (LG) Osnabrück auf den Entzug der Fahrerlaubnis: Der Angeklagte habe mit seinen 1,44 Promille auf dem E-Scooter lediglich eine Strecke von 150 Meter fahren wollen. Außerdem habe er deutliche Reue gezeigt, sich entschuldigt und freiwillig an einem verkehrspädagogischen Seminar teilgenommen. Schließlich habe er durch ein medizinisches Gutachten nachgewiesen, die vergangenen Monate keinen Alkohol getrunken zu haben.

Wenn man wirklich mit Alkohol oder Drogen im Blut auf dem E-Roller erwischt wird, lohnt sich eine anwaltliche Beratung.

Dieses Urteil kann anderen Betroffenen Hoffnung machen: Sollten sie wirklich mit Alkohol oder Drogen im Blut auf dem E-Roller erwischt worden sein, lohnt sich in jedem Fall eine anwaltliche Beratung. Zum einen, um sich vor Gericht gegen den Vorwurf der Trunkenheit im Verkehr zu verteidigen. Aber auch, um im Fall einer Verurteilung trotzdem die Chance zu haben, den Führerschein behalten zu dürfen.

Einen gewissen Trost hält die Rechtslage aber auch im widrigen Fall bereit: Wer den Führerschein verloren hat, darf grundsätzlich weiterhin E-Scooter fahren. Dafür braucht es schließlich keine Erlaubnis. Nur auf Alkohol oder Drogen sollte man dabei verzichten. Und das am besten generell.

Dieser Text ist eine Folge unserer Rechtskolumne „Recht & Ordnung“. In dieser Serie schreiben Staatsanwältin Laura Neumann (Düsseldorf) sowie die Rechtsanwälte Pia Lorenz („Beck aktuell“), Martin W. Huff (ehem. Geschäftsführer der Rechtsanwaltskammer Köln), Christian Solmecke (Partner der Kölner Medienrechtskanzlei WBS.Legal) und Thomas Bradler (Verbraucherzentrale NRW, Leiter Markt und Recht). In ihren Kolumnen geben sie Auskunft zu oft kniffligen Fragen des Rechts, können aber keine Rechtsberatung bieten oder in konkreten Fällen den Gang zu einem Anwalt ersetzen. Haben Sie eine Frage an unsere Experten? Dann schreiben Sie uns eine Mail an: recht-und-ordnung@kstamedien.de

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