Bombenangriffe in EuskirchenUnd plötzlich war es totenstill

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Euskirchen – Fast 70 Jahre liegt jener Tag zurück, und doch erinnert sich Gertrud Greuel an kleinste Details. Das Geschehen von damals läuft in ihrem Kopf ab „wie ein Film“, sagt die 86-Jährige, als sie dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ erzählt, wie sie den 7. Oktober 1944 in Euskirchen erlebte.

Auslöser waren die Berichte über das demolierte und verrostete Halbkettenfahrzeug vom Typ Demag D?7, das vorige Woche bei Bauarbeiten am Euskirchener Bahnhof im Erdreich entdeckt worden war.

Der Stotzheimer Horst Schuh, der sich im Arbeitskreis Luftkriegsgeschichte engagiert, hält es für denkbar, dass der Demag vom Bahnhof aus zur Westfront transportiert werden sollte, dort aber durch einen amerikanischen Bombenangriff zerstört wurde. Als Gertrud Greuel, die seit 1951 in Dürscheven lebt, von dieser Theorie las, kam ihr gleich besagter Herbsttag des Jahres 1944 in den Sinn. Horst Schuh ermunterte sie, die Geschichte dem „Stadt-Anzeiger“ zu erzählen.

Der 7. Oktober war ein Samstag. Gertrud Honert, wie sie damals noch hieß, arbeitete zu dieser Zeit im Stotzheimer Kindergarten. Mittags war sie mit dem Fahrrad in ihr Elternhaus an der Ecke Kommerner Straße/Jakobstraße zurückgekehrt. Von der Kaserne am Stadtrand rollten in einer langen Reihe Militärfahrzeuge in Richtung Bahnhof. Vielleicht war der Demag dabei, der jetzt ans Tageslicht befördert worden ist.

Wie auch immer: Es ertönte Voralarm. Das hieß, dass sich feindliche Bomber näherten. Gertrud Honert machte sich gleich auf zu ihrer Großmutter, die gegenüber wohnte, in einem Bauernhof mit Gewölbekeller, der bei Luftangriffen besseren Schutz bot als das Haus ihrer Eltern. „Ich hatte vor lauter Militärfahrzeugen Schwierigkeiten, über die Straße zu kommen“, erzählt sie.

Ihre Oma und ihre Mutter waren schon unten, sie selbst befand sich auf der Treppe, „da kam der Vollalarm und gleichzeitig fielen die Bomben“. Gertrud Greuel hat die furchtbaren Ereignisse vor einem Jahr für ihre Enkel schriftlich festgehalten.

Sie schrieb: „Wir flogen hin und her, Omas Petroleumlampe klapperte, sie hielt sie in der Hand. Und auf einmal war es ganz ruhig – totenstill. Ich ging nach vorne zum Kellerfenster, da war jetzt ein großes Loch. Unser Haus stand nicht mehr.“

Draußen stolperte Gertrud Honert über die Füße ihrer Nachbarin, die tot unter der Krone eines umgestürzten Baumes lag. „Der Hund saß daneben.“ Die Nachbarin hatte es nicht mehr geschafft, sich in den Luftschutzkeller zu retten. Sie gehörte zu den 59 Todesopfern, die nach diesem schrecklichen Angriff auf der Kommerner Straße zu beklagen waren.

Etliche Häuser waren unbewohnbar, auch die St.-Georgskapelle in der Nähe der Kaserne hatte einen Volltreffer abbekommen.

Allein dort, so Gertrud Greuel, starben 19 Menschen (in anderen Quellen ist von 14 Opfern die Rede), die dort vergeblich Zuflucht gesucht hatten.

In der unteren Kommerner Straße kam derweil Hektik auf. „Unsere Ziegen lagen auf einem Trümmerberg und zappelten noch. „Ich bat einen Soldaten, sie von ihrem Leiden zu erlösen“, erzählt Gertrud Greuel. Auch die Häuser der Nachbarn von gegenüber waren eingestürzt.

Die 17-Jährige bat die ersten Hilfskräfte, die mittlerweile mit Schaufeln und Hacken eingetroffen waren, nach Verschütteten zu suchen. Sie schlugen eine Mauer zur Hofseite auf, Eingeschlossene kletterten ins Freie, als Erster ein fünf Jahre alter Junge.

Auf der Straße waren jetzt auch Helfer mit provisorischen Tragen unterwegs, darauf Tote und Verletzte. „Rettungsautos gab es nur wenige.

Sie konnten auch nur bis zur Gerberstraße fahren, weil die Kommerner Straße blockiert war mit Schutt, umgefallenen Bäumen und Militärfahrzeugen.“

Nun traf auch Gertrud Honerts Schwester Margarete ein. Sie hatte den Angriff im Keller einer Tante in der Kapellenstraße überlebt. „Ihr Entsetzen war groß, wir besaßen nichts mehr“, heißt es in den Erinnerungen. Schwester, Mutter und Großmutter zogen zu einer anderen Tante in die Malmedyer Straße.

Gertrud Honert selber kam bei der Leiterin des Stotzheimer Kindergartens unter, die in der heutigen Emil-Fischer-Straße wohnte und ihre ausgebombte Mitarbeitern mit dem Allernötigsten versorgte – mit Wäsche und einem Nachthemd.

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