Abgeklemmte WasserversorgungZirkusleute in Mechernich sitzen auf dem Trockenen

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Bislang konnte Carlos Frank vom „Circus Atlas“ noch Wasser für seine Kamele besorgen. Doch die Situation spitzt sich zu.

Bislang konnte Carlos Frank vom „Circus Atlas“ noch Wasser für seine Kamele besorgen. Doch die Situation spitzt sich zu.

Mechernich-Firmenich – Die Anwaltskanzlei Prof. Dr. Ernst Fricke aus Landau setzte am Donnerstag Mechernichs Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick die Pistole auf die Brust: Wenn der „Circus Atlas“, der derzeit sein Domizil im ehemaligen Firmenicher Fabrikgelände „Feuerfest Siegburg“ hat, kein Wasser erhalte, werde man verwaltungsgerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen. Die Immobilie hat keinen eigenen Hausanschluss.

Man könne eine eidesstattliche Versicherung vorweisen, wonach für Leib und Leben der Zirkusfamilie Frank eine existenzielle Gefahr bestehe. Die Menschenwürde nach Paragraf 1 des Grundgesetzes sei tangiert. Dass sich die Feuerwehr mit dem Hinweis weigere, es sei verboten worden, einen Wassertank zur Verfügung zu stellen, sei ein einmaliger Vorgang.

Vor Ort schilderte Carlos Frank, Mitglied der Zirkusfamilie, die Lage. Seine Familie habe mit dem Vorbesitzer des Fabrikgeländes einen Pachtvertrag abgeschlossen, dass der Zirkus dort gastieren könne. Derzeit lebe dort eine Großfamilie von 30 Personen, sagte Frank. Der überwiegende Teil lebe seit über einem Jahr in derzeit 13 Wohnwagen auf dem Gelände.

Verworrene Verhältnisse

Die Vertragsverhältnisse sind verworren. Oliver Müller vom Verbandswasserwerk Euskirchen sagte, ihm liege ein gefaxter Pachtvertrag mit einer krakeligen Unterschrift vor. Und: „Später bekamen wir ein Fax des Eigentümers, dass er mit den Zirkusleuten kein Vertragsverhältnis habe.

Das war leserlich unterschrieben.“ Das Wasserwerk schließt nicht aus, dass eine der Unterschriften gefälscht sein könnte. Der Besitzer der Immobilie sei im April 2016 verstorben. Wie die Rechtsnachfolge geregelt ist, konnte bis Redaktionsschluss nicht geklärt werden.

Das Wasser hat die Zirkusfamilie über ein Standrohr aus dem Leitungsnetz bezogen. Über diese Versorgung wird seit Monaten gestritten (siehe „Erbitterter Kampf ums kühle Nass“). Im November wurde ein Vergleich geschlossen, dass die Zirkusfamilie bis Ende Januar Wasser beziehen könne.

Carlos Frank sagte nun, seinem Bruder sei damals nichts anderes übriggeblieben, als diesen Vergleich zu unterzeichnen. Eine von der Familie gewünschte Verlängerung habe das Wasserwerk abgelehnt. „Es hieß, wir bekommen kein Wasser mehr“, sagte Carlos Frank. Man wolle ohnehin nur bis Ende März bleiben, dann gehe man auf Tournee.

Wasser in Aussicht gestellt

Er und sein Bruder hätten mit Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick gesprochen. Dieser habe ihnen nur Wasser in Aussicht gestellt, wenn man binnen zwei Wochen weg sei. Doch das, so Frank, sei angesichts schulpflichtiger Kinder und älterer Menschen nicht machbar.

Schick sah auf Nachfrage seine Möglichkeiten begrenzt, da nicht die Stadt, sondern Kreis und Wasserwerk zuständig seien. Ein Verbot für die Feuerwehr, der Familie bei der Wasserversorgung zu helfen, gibt es nicht. Jedoch: Die Familie kannte sich offenbar mit den Zuständigkeiten nicht aus. Bei der Feuerwehr der Stadt Euskirchen fragten Carlos und Miguel Frank deswegen nach.

Doch Rolf Stupp, Leiter der hauptamtlichen Wache, berichtete, dass er an die zuständige Feuerwehr der Stadt Mechernich verwiesen habe. Laut Claus Möseler, dem stellvertretenden Wehrleiter in Mechernich, ist dort keine Anfrage eingegangen.

Unterstützung der Nachbarn nicht zulässig

Freundliche Nachbarn hätten der Familie mit einem über die Straße geleiteten Schlauch Wasser zukommen lassen. Doch das ist nicht zulässig. Das Wasserwerk bestätigte, dies untersagt zu haben. Nun habe man Hilfe von einem Landwirt erhalten, so dass sowohl die Großfamilie als auch die Zirkustiere bis dato nicht unversorgt waren.

Auf Nachfrage berichtete Kreis-Pressesprecher Wolfgang Andres, dass das Veterinäramt dem Zirkus angeboten habe, für die Tiere gegen Entgelt eine Wasserlieferung zu organisieren oder aber die Tiere in Obhut zu nehmen. Doch beides habe die Familie abgelehnt. Grundsätzlich bestehe in Deutschland nicht die Gefahr, dass jemand verdursten müsse. „In jedem Supermarkt, an jeder Tankstelle kann man Wasser kaufen“, so die Kreisverwaltung. Und Bedürftige würden unterstützt.

Verbandswasserwerk Euskirchen erhebt Vorwürfe gegen die Zirkusleute

Mit massiven Vorwürfen gegen die Zirkusleute reagierte gestern Oliver Müller vom Verbandswasserwerk Euskirchen auf die Anschuldigungen. Seine Chronologie der Ereignisse sieht folgendermaßen aus: Die Zirkusleute hätten bereits im vergangenen Jahr an der ehemaligen Fabrik ohne Genehmigung ein Standrohr zur Wasserentnahme aus dem Leitungsnetz angebracht. Dieses habe das Verbandswasserwerk zunächst eingezogen.

Im Februar 2016 habe man ein ordnungsgemäßes Standrohr – auch in Absprache mit dem Kreis – aufgestellt. „Im Vertrag haben wir darauf hingewiesen, dass wir kein Trinkwasser liefern. Das wird über Standrohre nicht gemacht. Wir dürfen auch nicht dauerhaft über ein solches Rohr versorgen“, so Müller.

Nur als Winterquartier

Die Maßnahme sei nur als Winterquartier gedacht gewesen. Doch dann sei es Sommer geworden, Mitarbeiter des Wasserwerks hätten das Standrohr abbauen wollen. Müller: „Einmal wurden zwei Mitarbeiter bedroht, ihnen würde die Hand abgehackt.“ Ein anderes Mal seien er selbst und der Prokurist bedroht worden. Man habe Strafanzeige gestellt, das Ermittlungsverfahren sei eingestellt worden, da der Beschuldigte hinreichend gewarnt sei.

Nach der Kündigung des Vertrags und einer einstweiligen Verfügung kam es im November 2016 vor dem Amtsgericht Euskirchen zu einem Vergleich. Man einigte sich darauf, dass die Zirkusleute das Standrohr spätestens Ende Januar 2017 zurückgeben. In dem Vergleich war geregelt, dass die Zirkusleute nach dem 1. Februar 2017 im Verbreitungsgebiet des Wasserwerks kein Standrohr mehr aufstellen dürfen.

Polizeischutz

Doch das Standrohr wurde laut Müller nicht zurückgegeben. „Wir haben am 6. Februar unter Polizeischutz unser Standrohr eingezogen“, berichtet Müller. Im Vorfeld habe man das Mechernicher Ordnungsamt sowie das Veterinär- und das Gesundheitsamt beim Kreis informiert. „Gleichzeitig haben wir die Klaue, in die das Standrohr eingeschraubt wird, ausgebaut, weil wir durch die illegalen Entnahmen vorgewarnt waren“, erläuterte Oliver Müller weiter.

Anonyme Anrufe, möglicherweise von einem Nachbarn, seien, so Müller, am 8. Februar beim Wasserwerk eingegangen: Es sei wieder ein Standrohr illegal montiert worden. „Am Dienstag erhielten wir einen Anruf, dort schieße eine Wasserfontäne in die Luft“, so Müller. Unter Polizeischutz sei das Rohr abgebaut worden, man habe Strafanzeige erstattet.

Nachbarn spendeten Wasser

Dass die Klaue irgendwo im Versorgungsnetz ausgebaut worden ist, vermutet man laut Müller beim Wasserwerk. Ein Landwirt habe später angerufen, auf seinem Acker liege eine Leitung, man solle diese entfernen: Nachbarn hatten Wasser gespendet. Eine dauerhafte Weiterleitung des Wassers an Dritte sei aber nicht zulässig, weshalb man das untersagt habe. Anwohner hätten danach die Handynummer des diensthabenden Wasserwartes an die Zirkusleute weitergegeben, dann habe dieser laut Müller Drohanrufe erhalten und sei erpresst worden.

Das Landgericht Bonn habe sich mit dem Einzug des Standrohrs zwischenzeitlich noch einmal beschäftigt: Demnach habe der ehemalige Zirkus Atlas keinerlei Anspruch auf ein Standrohr und könne auch keine Prozesskostenhilfe geltend machen. (pe)  

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