200 Tage nach der FlutKirchenglocken in Gemünd läuten wieder

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Kirchturm St. Nikolaus Gemünd

Die Kirchturmuhr in Gemünd geht wieder.

Schleiden-Gemünd –  Dong, dong, dong – es ist Viertel vor vier am Donnerstagnachmittag, die Glocken von St. Nikolaus in Gemünd läuten, und Karl Wilhelm Jansen ist selig. „Das ist schon wunderbar.“ 203 Tage sind seit der Flut vergangen, 203 Tage war es still in Gemünd. „Ja, die Ruhe ist jetzt vorbei hier“, sagt Jansen und lacht.

Um 23.08 Uhr am 14. Juli 2021 erreichte das Wasser die Stromverteilung in Gemünd – das Licht ging aus, die Kirchturmuhr blieb stehen. Seitdem hing die stehengebliebene Uhr wie ein Mahnmal über dem Ort.

Er habe sich in den vergangenen Monaten häufig dabei erwischt, wie er auf den Balkon gegangen sei, um auf die Uhr zu schauen, berichtet Jansen. Aber die Uhrzeit verriet ihm der Blick auf den Kirchturm nicht.

Spuren der Flut in der Kirche noch unübersehbar

Jansen ist der stellvertretende Vorsitzende des Kirchenvorstands und wohnt gleich gegenüber der Kirche. Jeden Tag ist er seit der Katastrophe in dem Gotteshaus und sieht nach dem Rechten. „Hier sieht es noch nicht schön aus“, sagt er bei einem Blick in das Kircheninnere.

Auf dem Boden ist eine dicke Schicht aus Staub und Dreck, es riecht leicht modrig. In der Kirche herrsche eine Feuchtigkeit von 55 Prozent, sagt Jansen. Das sei an sich zwar okay, aber die Wände seien nach wie vor nicht trocken. Zwei große Trockengeräte laufen seit Monaten jeden Tag. Aber es dauere einfach „bei dem Volumen, das wir haben“, seufzt er.

Karl Wilhelm Jansen

Karl Wilhelm Jansen

Es ist noch viel zu tun in der Kirche, das ist unübersehbar. Doch es gibt auch Lichtblicke. Die 80 Kirchenbänke beispielsweise wurden von einem Schreiner abgeschliffen und zweimal neu lackiert. Ihnen ist die Flut nicht mehr anzusehen. „Die sehen aus wie neu“, sagt Jansen. Und jetzt läuten eben auch die Glocken wieder. „Du siehst jeden Tag das Dilemma, und dann ist das wieder so ein kleiner Schritt nach vorne“, beschreibt Jansen seine Gefühlslage.

So ist die Lage in der evangelischen Kirche

Es wuchs Gras im Kirchenraum

Immer noch still steht die Uhr der evangelischen Kirche in Gemünd. Aber auch hier soll sich bald etwas tun, wie Pfarrer Erik Schumacher berichtet. „Auf jeden Fall wird die Kirche wieder hergerichtet.“

Zunächst sollen Boden und Wände neu gemacht werden. Denn der alte Putz und die Holzbalken hatte man nach der Flut komplett rausreißen müssen. Da sich unter dem alten Holzboden Erde befunden habe, sei in der Zwischenzeit durch die feuchtwarme Luft ein fast schon ansehnlicher Rasen in der Kirche gewachsen, berichtet Schumacher.

Die Kirche war vor der Flut als Kulturkirche für Veranstaltungen genutzt worden. Das könne er sich durchaus wieder so vorstellen, sagt Schumacher. Ihm und der Gemeinde sei wichtig, dass die Kirche nicht nur als Gemeindeort wieder nutzbar werde, sondern als ein offener Ort für alle Gemünder. 

Zwar waren die Glocken oben im Kirchturm weit von den Fluten entfernt, die elektronische Steuerung in einem Nebenraum aber stand komplett unter Wasser. Schon im August habe er eine neue Steuerung bestellt. Erst am Montag sei sie angekommen, so Jansen. „Wir haben viele Anrufe gehabt, wann die Glocken wieder läuten“, berichtet er. Am Mittwochnachmittag war es dann soweit. „Um 17 Uhr, da haben sie das erste Mal wieder geläutet.“ Einen ganzen Tag habe der Handwerker von der Fachfirma daran gearbeitet. „Das war schon aufwendig.“ Ganz fertig ist das Geläut noch nicht, es fehlt noch die Programmierung für Sonderfälle. „Zum Beispiel an Karfreitag sollen die Glocken ja nicht läuten“, erklärt Jansen.

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Wann die Glocken wieder zu einer Messe läuten werden, kann er noch nicht abschätzen. „Am liebsten morgen“, sagt er. Aber eine Weile werde es wohl noch dauern. Zum Teil müsse noch alter Putz von den Wänden geschlagen werden, dann müsse gereinigt und neu gestrichen werden. „Pfingsten vielleicht“, wagt Jansen eine Prognose. „Dieses Jahr auf jeden Fall.“

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