ProzessSieben Monate auf Bewährung für Ex-Vorsitzenden von Euskirchen Türk Gencligi

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Ein Schiedsrichter und sein Assistent mit einem Pulk aufgebrachter Zuschauer.

Schiedsrichter in der Klemme: Aus dieser Situation heraus erfolgte der Flaschenwurf.

Für das Amtsgericht Euskirchen war klar, dass der 44-Jährige den Schiedsrichter nach Abbruch eines Spiels mit einer Flasche beworfen hat.

Sieben Monate auf Bewährung und eine Geldstrafe in Höhe von 3000 Euro, zu entrichten an den Verein Rote Nasen Deutschland — mit diesem Urteil endete der Strafprozess gegen den ehemaligen Vorsitzenden des Fußballvereins Euskirchen Türk Gencligi. Angeklagt worden war der 44-Jährige wegen gefährlicher Körperverletzung und Beleidigung. Für das Amtsgericht ist damit klar, dass er derjenige ist, der am 18. Mai 2022 nach dem Abbruch des Kreispokalspiels zwischen seinem Verein und dem TuS Zülpich eine halbgefüllte 0,5-Liter-Plastikflasche auf den Schiedsrichter der Partie geworfen hat.

Der dritte und letzte Verhandlungstag war dabei vor allen Dingen eines: irritierend. Der Staatsanwalt sprach von einer „ungewöhnlichen Situation“, Richterin Stefanie Diel von einer „etwas seltsamen Hauptverhandlung“. Der Angeklagte war am Montagnachmittag nicht erschienen.

Nach rund 20-minütiger Wartezeit rief der Verteidiger in seinem Büro an, um die Telefonnummer seines Mandanten zu erfragen. Angerufen hat er ihn dann aber nicht, sondern nur per Handy angeschrieben. „Ich muss ihn nicht anrufen“, sagte er auf den Einwand der Richterin.

Verteidiger legte während Verhandlung sein Mandat nieder

Die Verhandlung sollte dann ohne den Angeklagten fortgesetzt werden. Dem widersprach der Verteidiger allerdings. Eine entsprechende Belehrung, dass der Prozess ohne den 44-Jährigen fortgeführt werden dürfe, fehle. Gericht und Staatsanwalt bewerteten die Sachlage allerdings anders und stützten sich auf die Ladung zur Hauptverhandlung. Daraufhin legte der Verteidiger sein Wahlmandat nieder, zog seine Robe aus, und verließ unter den staunenden Blicken von Richterin und Staatsanwalt den Gerichtssaal.

Der Staatsanwalt hielt sein Plädoyer demzufolge nur für das Gericht und die Zuschauer. Für ihn ist es erwiesen, dass der Flaschenwurf durch den Angeklagten ausgeführt wurde. Besonders die Aussage eines damaligen Schiedsrichterassistenten war für die Staatsanwaltschaft entscheidend. Diese sei „prägnant, lebensnah und anschaulich“ gewesen.

Vorstandsmitglied kam knapp um Falschaussage herum

Durch den „Tunnel des Mobs“, so zitierte der Staatsanwalt den damaligen Schiedsrichterassistenten, habe er freie Sicht auf den Werfer gehabt, ihm in die Augen geschaut und „so viel Hass“ gesehen. „Das hat sich eingeprägt, das war eine unglaublich belastbare Aussage“, sagte der Staatsanwalt, für den es keinen Zweifel gab, dass der Schiedsrichterassistent den Angeklagten gesehen habe.

Die Einlassungen eines Zeugen der Verteidigung, ein Vorstandsmitglied des Vereins, der am zweiten Verhandlungstag zur Entlastung des Angeklagten beitragen sollte, seien unergiebig gewesen. „Er ist glücklicherweise noch um eine Falschaussage herumgekommen“, fasste der Staatsanwalt die Aussage dieses Zeugen zusammen. Er kam zu dem Schluss, dass die „merkwürdige Strategie der Verteidigung eine Schneise der Verwüstung“ hinterlassen habe. „Schweigen ist nicht immer eine sinnvolle Strategie“, meinte er.

Aussage des Schiedsrichters hatte strafmildernden Charakter

Strafmilderndes sei wenig vorgetragen worden. Höchstens die Aussage des Opfers, des verletzten Schiedsrichters, der ein Hämatom unter dem Auge und eine Gehirnerschütterung davongetragen hatte. „Er hat gesagt, dass er sich durch so eine Tat den Spaß am Sport als Schiedsrichter nicht nehmen lasse“, so der Staatsanwalt.

Strafverschärfend war für ihn hingegen, dass der Flaschenwurf keine Affekthandlung gewesen sei, sondern es eine „Vorlaufzeit“ gegeben habe: „Erst war der Angeklagte auf dem Platz, dann gab es die Verfolgung durch den Torwart, die im Mob endete, dann erst flogen der Ball und die Flasche. Das ist nicht schlagartig eskaliert. Der Ärger hatte Raum, um sich abzukühlen.“

Staatsanwalt: „Pervertierung des sportlichen Gedankens“

Die Tat sei eine „Pervertierung des sportlichen Gedankens.“ Es sei eine Außenwirkung entstanden, „die wir nicht haben wollen“. Anlässlich des Vorstrafenregisters des Angeklagten forderte der Staatsanwalt zehn Monate auf Bewährung.

Für das Gericht mitentscheidend war dann aber doch auch die Aussage des bereits erwähnten Zeugen am zweiten Verhandlungstag. Zwar sei der ehemalige Vorsitzende vom Vorstand des Vereins nie belastet worden. Es habe aber wohl auch in Vorstandssitzungen nie geheißen, dass er nicht der Flaschenwerfer war.

Ex-Präsident kam seiner Vorbildfunktion nicht nacht

Die Anklage wegen Beleidigung (der 44-Jährige soll den Schiedsrichter auf dem Platz als „Missgeburt“ bezeichnet haben) sei bei der Strafzuweisung zu berücksichtigen. Als Präsident habe er laut Richterin eine Vorbildfunktion gehabt. Genau das Gegenteil habe er dann gezeigt: Während Teile seines Vereins den Schiedsrichter abschirmten, habe er eine Flasche geworfen.

Und auch die Verteidigungsstrategie kommentierte sie: Diese sei mit einem Befangenheitsantrag und dem nun erfolgten Verlassen der Verhandlung nur darauf angelegt gewesen, das Verfahren zu zerschießen.

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