Nicht schuldfähig26-Jähriger hat einen Polizisten gebissen und wird freigesprochen

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Das Amtsgerichtsgebäude in Euskirchen mit Bäumen im Vordergrund.

Am Amtsgericht in Euskirchen saß ein 26-Jähriger auf der Anklagebank. Der Prozess endete mit einem Freispruch.

Nach einem Brand in Weilerswist geriet der Verursacher mit der Polizei aneinander. Vor Gericht attestierte ihm ein Gutachter eine Psychose.   

Die Liste der Vorwürfe gegen Moussa S. (Name geändert) war lang. Die Staatsanwaltschaft legte ihm Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, Körperverletzung, Beleidigung und Sachbeschädigung zur Last. Und obwohl er einen Teil der Taten eingeräumt hatte, wurde er jetzt in einem Prozess am Amtsgericht Euskirchen freigesprochen.     

Richter Felix Marienfeld folgte mit seinem Urteil entsprechenden Anträgen der Anklagebehörde und der Verteidigung. Ausschlaggebend für den Freispruch war das Gutachten eines psychiatrischen Sachverständigen. Er hatte erklärt, es sei nicht auszuschließen, dass Moussa S. die Straftaten im Zustand der Schuldunfähigkeit begangen habe.       

Der Angeklagte hatte in Weilerswist  Kochtopf auf dem Herd vergessen

Der heute 26-Jährige hatte am 4. Dezember 2021 in einer Flüchtlingsunterkunft in Weilerswist, in der er lebte, gegen 22.15 Uhr einen Feuerwehreinsatz ausgelöst. Er war eingeschlafen, während ein Kochtopf auf einem eingeschalteten Herd stand. Mit Verdacht auf eine Rauchgasvergiftung sollte der Guineer, der zu diesem Zeitpunkt rund 2,4 Promille Alkohol im Blut hatte, ins Krankenhaus gebracht werden, wogegen er sich aber heftig zur Wehr setzte. 

Mehrere Polizisten fixierten ihn auf einer Liege im Rettungswagen. Einem von ihnen biss S. in den Oberarm, und zwar derart stark, dass der Beamte anschließend rund eine Woche dienstunfähig war, wie er als Zeuge vor Gericht sagte. In den sechs Monaten danach musste er zudem viermal sein Blut untersuchen lassen, um sicher sein zu können, dass er sich durch den Biss keine HIV-Infektion eingehandelt hatte.   

26-Jähriger erklärte vor dem Amtsgericht, er höre Stimmen im Kopf

In der Anklageschrift hieß es, Moussa S. habe auch versucht, Polizisten zu bespucken, sie aber verfehlt. Dies bestritt der Angeklagte ebenso wie den Vorwurf, er habe Beamte beleidigt. Dass er sich gegen den Transport im Rettungswagen gesperrt hatte, räumte er ein. Verteidiger Bernhard Scholz erklärte, sein Mandant habe sich gegen die polizeiliche Maßnahme gewehrt, weil er ihren Sinn nicht erkannt habe.        

Moussa S. sagte, dass die Vorstellung, ins Krankenhaus zu müssen, bei ihm starke Angst verursache. Auslöser sei eine Behandlung in einer Neusser Klinik 2019 gewesen. Dort habe man ihm bei einem Eingriff an der Schulter Nerven durchtrennt und mit einer Injektion in den Bauch Schmerzen zugefügt. Seither höre er Stimmen in seinem Kopf und nehme Blitze vor seinen Augen wahr. Diese Blitze habe er auch gesehen, als die Polizei ihn ins Krankenhaus bringen wollte.     

Der Gutachter sprach von paranoid gefärbter Angst des 26-Jährigen

Der Gutachter attestierte S. eine paranoide Psychose. „Ich hatte nicht den Eindruck, dass er irgendetwas erzählt, um vielleicht nicht zur Verantwortung gezogen zu werden“, schilderte er seine Eindrücke aus der Exploration. Womöglich sei die paranoid gefärbte Angst vor Krankenhäusern und Ärzten so stark gewesen, dass sie ihn an jenem Abend dazu gebracht habe, sich den Polizisten zu widersetzen.

„Ich wollte nicht, dass man mich tötet“, habe S. „recht eindrücklich“ über die Situation gesagt.  Sie sei geprägt gewesen von einer psychotischen Störung, die durch die starke Alkoholisierung noch verstärkt worden sei. Er schließe nicht aus, dass die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten ausgeschaltet gewesen sei.

Dies galt nach Ansicht des Sachverständigen auch am 13. Mai 2022, als Moussa S. gegen vier in der Martin-Luther-Straße abgestellte Autos trat, sodass ein Sachschaden von etwa 800 Euro entstand, wie es in der Anklageschrift hieß. S. erklärte, er könne sich daran nicht erinnern. „Wenn ich das aber gemacht haben sollte, bitte ich dafür um Entschuldigung.“ In einem weiteren Anklagepunkt – auch hier ging es um die Beleidigung von Polizisten – wurde er ebenfalls freigesprochen.

Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft erklärte in ihrem Plädoyer: „Wie der Gutachter nachvollziehbar ausgeführt hat, kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Angeklagte zu den Tatzeitpunkten schuldunfähig war.“ Deshalb beantragte sie Freispruch. Dem schloss sich das Gericht an.

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