Im MegafonBurscheider Friseure schneiden Bedürftigen kostenlos die Haare

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Hatice Aydin schneidet einer Kundin im Megafon die Haare.

Hatice Aydin schneidet einer Kundin im Megafon die Haare.

Zum zweiten Mal bieten vier Burscheider Friseure kostenlose Haarschnitte für Tafelkunden an. Die Aktion kommt gut an. 

An diesem Samstagnachmittag verwandelt sich das Megafon in Burscheid in einen Friseursalon. Genauer gesagt: Einen Friseursalon, der kostenlose Haarschnitte anbietet. Kunden der Tafel können sich heute von drei Burscheider Friseuren die Haare schneiden lassen. Das Angebot ist noch ganz neu in Burscheid: Zum zweiten Mal schwingen Hatice Aydin und ihre Kollegen hier Kamm und Scheere.

Die Burscheider Friseurin hatte die Idee für eine solche Aktion laut eigener Aussage schon sehr lange. Sie ist auch bei den „Barber Angels“ tätig, einer Organisation, die Haarschnitte für Obdachlose anbietet. Im vergangenen Oktober konnte sie ihren Gedanken in Burscheid endlich in die Tat umsetzen. Zuvor hatte sie schon andere Städte angefragt, allerdings nur Absagen erhalten.

Vier Friseursalons arbeiten gemeinsam

Gemeinsam mit den Salons „Hasenjäger“, „Sven von Eitzen“ und „Migu“ will Aydin bedürftigen Burscheidern nun eine Freude machen. Sie ist sehr froh über die Unterstützung ihrer Kollegen, immerhin sei man nur als Team stark, alleine schaffe man wenig.

Wie genau Aydin auf die Idee gekommen ist, weiß sie nicht mehr so ganz. Sie habe einfach gewusst, dass sie die Aktion unbedingt anbieten möchte. „Ich habe mir nie Gedanken darüber gemacht, warum ich das machen will. Vielleicht bin ich einfach ein guter Mensch“, sagt sie und lacht, „ich weiß es nicht.“ Ohne Liebe zu dem Beruf ist das Angebot allerdings nicht umsetzbar, immerhin geben die Friseure einen halben Samstag ihrer Freizeit für das Projekt her.

Von halb drei bis halb sechs frisieren sie ihre Kunden, Auf- und Abbau sind da noch nicht eingerechnet. „Ich bin eine leidenschaftliche Friseurin, ich bin verliebt in meinen Beruf“, erzählt Aydin. Den anderen Friseuren geht es da ähnlich, sie helfen gerne mit. „Wenn man was Gutes tun kann, bin ich doch gerne dabei“, ergänzt Friseur Miguel „Migu“ Colaco. Abgesehen von den drei Friseuren, die Hatice Aydin unterstützen, habe sie bei ihren Anfragen nur Absagen von den Friseuren in Burscheid und Hilgen bekommen. „Da bin ich traurig“, sagt sie. 

Wenn man was Gutes tun kann, bin ich doch gerne dabei
Miguel Colaco

Immerhin kommt das Angebot sehr gut an: An einem Samstagnachmittag bemühen sich die Friseure über 20 Menschen ein Lächeln auf das Gesicht zu zaubern. Und das klappt in der Regel auch.

Die Wohltätigkeit der Burscheider Friseure wurde bereits ausgenutzt

Eine alleinerziehende Mutter, die ständig Ausgaben für ihre Kinder hat, schließlich wachsen sie und brauchen oft neue Kleidung. Die Mutter würde gerne mal zum Friseur gehen, aber dafür reicht das Geld nicht – diese Vorstellung hat Hatice Aydin, wenn sie daran denkt, für wen sie ihr Angebot eingerichtet hat. So ganz hatte das allerdings nicht funktioniert. An die erste kostenlose Haarschneide-Aktion im Oktober waren die Burscheider Friseure noch etwas naiv herangegangen. Damals mussten die Kunden keinen Bedürftigkeitsnachweis erbringen und das sei auch von ein paar Personen ausgenutzt worden. Deswegen müssen die Burscheider nun vorab einen Tafelausweis vorzeigen. 

Die nächste kostenlose Haarschneide-Aktion für Tafelkunden wird vorraussichtlich in drei bis vier Monaten stattfinden. Dann wird es auch nicht notwendig sein, vorab einen Termin zu machen. Davon erhoffen sich Aydin und ihre Kollegen etwas Wartezeit einsparen zu können. Außerdem seien ein paar Personen zu ihren Terminen auch nicht erschienen, ärgert sich Aydin. 

Wer allerdings mehr als pünktlich zum Friseurtermin erscheint, sind Yuliia, Vira und Margarita. Eine halbe Stunde vorher sind sie schon im Megafon. Die sechsjährige Margarita möchte eine komplette Veränderung: Hatice Aydin soll ihre langen Haare auf Kinnhöhe kürzen. Danach sind ihre Haare sehr viel voller, laut Margarita „kuschliger“ – sie ist überglücklich. „Ich liebe meine neuen Kuschelhaare“, sagt sie und ist gespannt, wie ihr Erzieher in der Kita darauf reagieren wird.

Ich liebe meine neuen Kuschelhaare
Margarita, sechsjährige Ukrainerin

Ihre Mutter ist dankbar, dass es das Angebot gibt. „Ich denke, das ist ein gutes Angebot, weil es kostenlos ist. Das letzte Mal musste ich beim Friseur achtzig Euro für unsere drei Haarschnitte bezahlen“, sagt Yuliia, die vor anderthalb Jahren mit ihren zwei Töchtern aus der Ukraine floh. Sie arbeitete dort als Anwältin, in Deutschland arbeite sie leider zur Zeit noch nicht, erzählt sie. 

Auch ihre zwölfjährige Tochter Vira freut sich über das Angebot. „Ich wollte meine Haare lieber kürzer haben, ich wollte das mal ausprobieren und jetzt habe ich die Möglichkeit dazu. Ich bin einfach glücklich.“

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