Mario S.Rheindorfer schloss sich dem IS an – keine Bestätigung für Tod

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Panzer, Pistole, Kalaschnikow: So posierte der Rheindorfer zu Beginn als Dschihadist in Syrien. Die Seite ist heute gelöscht.

Panzer, Pistole, Kalaschnikow: So posierte der Rheindorfer zu Beginn als Dschihadist in Syrien. Die Seite ist heute gelöscht.

Leverkusen – Ist der aus Rheindorf stammende Mario S., der aus Leverkusen in den Dschihad nach Syrien und in den Irak zog (wir berichteten), tot, wie die Bild-Zeitung unlängst schrieb? Einen Beweis dafür gibt es nicht, als Quelle dient in dem Bericht „ein Mitglied des Isis-Geheimdienstes Amniyat in Mossul“.

Der Geheimdienst des Islamischen Staats soll den Rheindorfer demnach hingerichtet haben, ohne dass dafür handfeste Beweise geliefert wurden. Das Blatt zitiert den namentlich nicht genannten Geheimdienstmitarbeiter so: „Er postete viel im Internet, war gesprächig und wollte dann auch noch fliehen.“

Auch Mario S. Mutter, Heike S. und der Vater Nicola S. werden in der Reportage zitiert, dass sie nach dem April 2016 keine Mitteilung ihres Sohnes mehr erhalten hätten. Anfragen unserer Zeitung bei Familie S. blieben unbeantwortet.

Die Fahndung läuft weiter

Den deutschen Ermittlungsbehörden reicht die dünne und keineswegs belegte Informationslage nicht. Die Polizei wird die Fahndung nach dem Leverkusener nach wie vor aufrechterhalten, war aus der Behörde zu erfahren. Beim LKA laufe ein Ermittlungsverfahren, sagte ein Sprecher.

Den Medienbericht kenne man natürlich, hieß es, aber die Polizei könne ihn nicht bestätigen. Die Behörden sind nicht besonders auskunftsfreudig, aber demnach liegen auch der Polizei keine Beweise für den Tod des Rheindorfers vor.

Ohne dass der Polizeisprecher das konkret sagt, muss man mit einem Täuschungsmanöver der Terrororganisation rechnen, einen im Krieg erfahrenen Terroristen für tot zu erklären. Zumal der im Medienbericht zitierte Hinweisgeber selbst zum Geheimdienst des Islamischen Staats gehören soll.

Als Rapper inszeniert

Der Werdegang war offenbar typisch: Lehrer, die ihn an der Hauptschule Scharnhorststraße unterrichteten, erinnern sich an einen unauffälligen Jungen, durchschnittlich in den Leistungen wie auch in sozialer Hinsicht: Weder soll er ein „Loser“ gewesen sein, noch ein „Alphatier“.

Ab etwa 2010 setzte er sich im Netz gelegentlich als Nachwuchs-Rapper in Szene und wedelte in einem Internetvideo mit einem Geldbündel von 4500 Euro in 500-Euro-Scheinen, dazu die Textzeile: „Ich will kein Leben voller Sorgen und Kummer, will Geld, Bitches und Kaviar und auch mal ’nen Hummer“.

Dann kam der Wechsel zum Islam, die Kontakte oder Beweggründe sind im Nachhinein nicht mehr nachvollziehbar. Mario S. ist ein Kind des Internets: Sein Bekenntnis per Telefon zum neu gefundenen Glauben ist noch heute im Netz dokumentiert. Zu sehen ist der Kölner Hassprediger Abou Nagie, der dem Leverkusener am Telefon das islamische Glaubensbekenntnis vorspricht.

Man ist zu der Zeit sehr freigiebig mit den Informationen: Aus dieser Zeit liegen Fotos vor, die Mario S. mit seinen Salafisten-Kumpels zeigen, von denen manche heute noch in Leverkusen wohnen.

Belegt ist, dass der 25-jährige Mario S. damals auf einer muslimischen Partnervermittlungswebseite eine Frau suchte: Im Hintergrund seines Profilbilds hängt schon die schwarze Flagge des IS. Das Online-Portal führt ihn bis heute als Karteileiche. Der nun ehemalige Gangsta-Rapper Mario aus Leverkusen nennt sich zunächst „Islam Muhammed“, später „Abu Zubayr“, zuletzt veröffentlichte er auf Twitter unter dem Pseudonym „Abu Glock“ ab und zu Bilder in eitler Pose aus dem Kriegsgebiet.

Selfies mit Waffen

Angeblich aus Mossul und immer mit Waffen. Glock war anscheinend die bevorzugte Pistolenmarke des Rheindorfers. In den folgenden Jahren lud der ehemals Rheindorfer Junge italienischer Abstammung genug Schuld auf sich, dass es für eine ordentliche Haftstrafe gereicht hätte. Seine aktive Teilnahme an Kampfhandlungen hat er selbst gefilmt und auf Facebook veröffentlicht.

Auch nach dem Abgang nach Syrien – offenbar ging die Reise im Sommer 2013 wie so oft über die Türkei – veröffentlichte er zunächst eifrig Bilder und Videos in sozialen Medien. Selbst Schießübungen in heiterer Gewinner-Stimmung und ein Video mit Kalaschnikow verbreitete er von Syrien aus auf seiner Facebook-Seite mit über 1700 Freunden. Darunter fanden sich viele Leverkusener, selbst Institutionen, wie eine örtliche Moschee und eine Rheindorfer Koranschule.

Offenbar erkannte ihn damals die Propaganda-Abteilung des IS als Werbe-Figur für den Dschihad, er traf medienwirksam Dennis Cuspert: Es existiert ein Bild der beiden Ex-Rapper Arm in Arm mit Gewehr und erhobenen Zeigefingern, die Geste der Islamisten.

Der Leverkusener galt als Veteran unter den Dschihadisten, denn er schloss sich früh Isis an. Er hielt sich schon im Kriegsgebiet auf, als das „Kalifat“ ausgerufen wurde. Nach 2015 wurden die öffentlichen Nachrichten aus dem Dschihad seltener.

Schließlich begann auch Facebook damit, derartige Propaganda-Profile zu löschen. Irgendwann verebbte die Propagandaquelle des Ex-Leverkuseners ganz. Heike S., die Mutter, soll den Wunsch nach einer Trauerfeier geäußert haben.

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