Themen von Suizid bis GewaltStadt Leverkusen baut Schulsozialarbeit massiv aus

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Verantwortliche der Berufsschulen und der Stadt freuen sich über neue  Schulsozialarbeiter am Campus Bismarkstraße

Verantwortliche der Berufsschulen und der Stadt freuen sich über neue Schulsozialarbeiter am Campus Bismarkstraße.

Drei neue Vollzeitstellen wurden alleine an den beiden Berufskollegs an der Bismarckstraße geschaffen, in diesem Jahr sollen weitere folgen.

Suizidgedanken, häusliche oder sexuelle Gewalt, Zukunftssorgen oder auch einfach nur: „Mein Lehrer ist doof“ – die Themen, die Schülerinnen und Schüler des Berufskollegs mit sich herumtragen, sind vielfältig und teilweise schwerwiegend. „Irgendwann haben wir gemerkt: Montags kann man eigentlich keinen Unterricht machen, weil man erst einmal alles aufarbeiten muss, was am Wochenende so passiert ist“, sagt Margot Ohlms, Schulleiterin des Geschwister-Scholl-Berufskollegs.

Ihr und ihrem Kollegen Luer Ebermann, Leiter des benachbarten Berufskollegs für Wirtschaft und Verwaltung, war klar: Das können Lehrkräfte nicht mehr auffangen, weder zeitlich noch inhaltlich. Und auch nicht Daniela Kroening allein, die vor zwölf Jahren als erste Schulsozialarbeiterin an den Campus Bismarkstraße kam – und auf sich gestellt für beide Schulen mit insgesamt 3200 Schülerinnen und Schülern zuständig war. Vor drei Jahren dann sind Ohlms und Ebermann mit ihrem Wunsch nach deutlich mehr Schulsozialarbeit an die Stadt und die Politik herangetreten, schließlich hatten sich schon vor Corona, vor allem aber auch während der Pandemie die Probleme deutlich verschärft. 

Hoher Bedarf an vielen Schulen

„Wir haben das Problem gesehen und bei allen städtischen Schulen nachgefragt, wer Bedarf an Schulsozialarbeit hat“, erklärt Schuldezernent Marc Adomat. Das Ergebnis: Der Bedarf ist sehr hoch. Anfang 2023 verständigt sich der Stadtrat darauf, 25 Schulsozialarbeiter anzustellen, um den Haushalt nicht zu sehr zu belasten, sollten fünf davon noch im Jahr 2023 kommen, zehn in diesem Jahr und zehn weitere im Jahr 2025. Bei der Verteilung wurden folgende Kriterien gesetzt, erklärt Adomat: „Zuerst die Berufsschulen, dann die Förderschulen und auf dritter Priorität die vom Hochwasser betroffenen Schulen.“ Danach kommen Gymnasien, die bislang teilweise gar keine Schulsozialarbeit hatten, schließlich erfolgt die Verteilung nach dem Sozialindex.   

Ich habe zunächst Lehramt studiert, aber schnell gemerkt, dass es mir gar nicht um den Lehrauftrag an sich geht, sondern um die Arbeit mit den Jugendlichen
Sevilin Gebelein, Schulsozialarbeiterin

So arbeiten seit Ende des vergangenen Jahres, statt früher einer, insgesamt vier Schulsozialarbeiterinnen und zwei männliche Kollegen an den beiden Berufsschulen. Alle haben unterschiedliche Hintergründe, sind aber glücklich, in Leverkusen gelandet zu sein. Heike Fischer zum Beispiel ist 54 Jahre alt und hat 25 Jahre lang in der stationären Jugendhilfe und einer Mutter-Kind-Einrichtung gearbeitet. „Jetzt habe ich mir gedacht: Ich will raus aus der stationären Hilfe, aber weiter mit Jugendlichen arbeiten. Hier passiert viel, das finde ich toll.“

Sevilin Gebelein, Mo Kraus und Lukas Kampel sind alle noch unter 30, Hanna Schmitt Anfang 30 - ein sehr junges Team, wie Ohlms lobend hervorhebt. „Ich habe zunächst Lehramt studiert, aber schnell gemerkt, dass es mir gar nicht um den Lehrauftrag an sich geht, sondern um die Arbeit mit den Jugendlichen“, sagt Gebelein. Schmitt hat eine Ausbildung als Kinder- und Jugendcoach gemacht: „Hier in der Schule habe ich aber die Möglichkeit, intensiver mit einzelnen Jugendlichen zu arbeiten, weil man sich über eine lange Zeit immer wieder sieht.“

Kraus hat in einem sozialpsychiatrischen Wohnheim gearbeitet, inklusive Schicht-, Nacht- und Wochenenddiensten. „Außerdem habe ich doch festgestellt, dass ich mich lieber einer jüngeren Zielgruppe widmen möchte.“ Kampel dagegen suchte die ältere Zielgruppe: In der Grundschule fühlte er sich nicht richtig aufgehoben.

Nun sind sie alle an der Bismarckstraße, zusammen mit Tobias Galka, der seit einigen Jahren vom Land als Schulsozialarbeiter am Berufskolleg beschäftigt ist. Seine neuen Kollegen sind allesamt bei der katholischen Jugendagentur als Träger beschäftigt. „Damit haben wir gute Erfahrungen gemacht“, sagt Adomat. Das koste die Stadt genau so viel, wie wenn sie sie selbst anstellen würden – und das sei natürlich einiges, bei 25 neuen Stellen. „Ich werde immer gefragt: Was spart uns das denn? Das kann man natürlich nicht genau beziffern, aber ich bin mir sicher: In der Zukunft werden wir sehr davon profitieren.“  


So werden die neuen Stellen verteilt

Von den fünf Vollzeitstellen (VZ) aus dem Jahr 2023 gingen drei an die Berufskollegs (teilweise auf mehrere Personen verteilt) und zwei an Förderschulen: Die Pestallozzischule (1,5 VZ) und die Hugo-Kükelhaus-Schule (0,5).

Die zehn Stellen für 2024 sollen wie folgt vergeben werden: Schule an der Wupper (0,5 - bereits besetzt); Lise-Meitner-Gymnasium (1), Freiherr-vom-Stein-Gymnasium (1), Landrat-Lucas-Gymnasium (2), Werner-Heisenberg-Gymnasium (1), GGS Heinrich-Lübke-Straße (0,5); Sekundarschule (0,5); GGS Opladen (1); GGS im Kirchfeld (0,5), Theodor-Heuss-Realschule (1) und die Montanus-Realschule (1).  

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