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TanzsportFoxtrott mit vier Rädern

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Rollifahrerin Lisa Pohlig probiert das Tanzen zum ersten Mal aus, Lehrer Udo Dumbeck zeigt seiner Partnerin die Figuren.

Rollifahrerin Lisa Pohlig probiert das Tanzen zum ersten Mal aus, Lehrer Udo Dumbeck zeigt seiner Partnerin die Figuren.

Leverkusen – Käme jetzt ein Tänzer mit verbundenen Augen in den Saal, dann hätte er einen sonderbaren Gedanken denken: Seltsam, würde er denken, diese Kommandos kenne ich. Aber die nächsten sind mir völlig unbekannt. „Rückwärts, Tap, Vorwärts, Tap.“ – bekannt. „In den Arm drehen und Schub.“ Unbekannt. Neugierig würde er also schauen – und Udo Dumbeck sehen. Der Mann, der mit den Rollis tanzt. Dumbeck ist der Vorsitzende der Abteilung Tanzen im Behindertensportverband NRW. Er bringt seit 20 Jahren Menschen mit Behinderung Discofox, Cha-Cha-Cha, Walzer und was es sonst noch so alles gibt an Standards, bei. Nun versucht er auf Wunsch der hiesigen Tanz-Sport-Gemeinschaft (TSG) auch in Leverkusen sein Wissen an den Mann und die Frau zu bringen.

Tanzsporthalle an der Robert-Blum-Straße

Es ist die erste Stunde, die er in der Tanzsporthalle an der Robert-Blum-Straße gibt. Gekommen sind immerhin zwei Paare – jeweils ein „Rolli“ und ein „Fußtänzer oder „Fussi“, wie es im saloppen Fachjargon heißt. Und die 23-jährige Lisa Pohlig. Während die Paare – Marion Golzem und „Rolli“ Rolf Rink kommen aus Leverkusen, Thomas und „Rolli“ Eva Hassa sind Bekannte von Dumbeck aus Duisburg – bereits fit auf Beinen und Rädern sind, kennt sich Lisa Pohlig noch nicht aus. Sie sitzt nicht nur im Rollstuhl. Sie ist auch stark sehbehindert, was die Aufgabe für Udo Dumbeck besonders anspruchsvoll macht. Aber eben auch besonders schön; man merkt, hört und sieht ihm an, mit wie viel Herz und Leidenschaft er bei der Sache ist, wenn er sich Lisa schnappt und mit ihr übers Parkett wirbelt.

Freude kommt direkt zurück

„Ich mache das so gerne, weil die Freude der Menschen, mit denen ich arbeite, direkt und ungefiltert zu mir zurückkommt“, sagt Dumbeck. Dabei lächelt er übers ganze Gesicht und erzählt mit Begeisterung davon, wie er tanzt mit Menschen, die im Rollstuhl sitzen, die blind sind, die taub sind, die Demenz haben. „Und das sind nur ein paar von den Handicaps, die ich regelmäßig erlebe.“ Aber: Tanzen lernen könne jeder. „Es kommt am Ende ja nicht auf die Technik an, sondern darauf, dass die Tänzer die Musik und den Rhythmus fühlen.“ Und fühlen könne jeder.

Thomas Hassa relativiert das zwar ein bisschen, wenn er sagt: „Das Tanzen mit einem Partner, der im Rollstuhl sitzt, ist schon etwas völlig anderes.“ Er habe selber „normal“ getanzt, ehe er mit seiner behinderten Ehefrau den Kurs wagte. Aber ein besonderer Sportrollstuhl mit kleinen Vorderrädern und regelmäßiges Üben führen irgendwann doch zum Erfolg: Wenn die Hassas lateinamerikanisch tanzen, dann sieht das schon gekonnt aus. Stehend und sitzend. „Und dahin wird unsere Lisa auch irgendwann kommen“, sagt Dumbeck und lacht wieder. Auch Wolf-Dieter Rückwart, der erste Vorsitzende der TSG Leverkusen, lacht. Er sitzt an der Seite und schaut sich die rollenden Paare an. „Diesen Nachmittag wiederholen wir bald.“ Er hofft er auf ein paar Teilnehmer mehr. „Denn dann machen wir daraus einen regelmäßigen Kurs.“ Leverkusen habe lange auf so etwas warten müssen. Jetzt aber tanzen sie auch hier, die „Rollis“.

Informationen über das Tanzen für Rollstuhlfahrer gibt es auf der Internetseite der TSG.

www.tsg-leverkusen.de

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