„Revolution von Rechts“Oberbergs Politik reagiert auf geheimes Treffen in Potsdam

Lesezeit 6 Minuten
Nach dem geheimen Treffen in Potsdam äußert sich Oberbergs Politik sehr deutlich.

Nach dem geheimen Treffen in Potsdam äußert sich Oberbergs Politik sehr deutlich.

Die Pläne, die rechte Kräfte offenbar bei einem Geheimtreffen in Potsdam geschmiedet haben, sorgen auch in Oberberg für Abscheu.

Nach dem konspirativen Treffen offenkundig rechter Kräfte in Potsdam, an dem wie berichtet mit Simone Baum (Engelskirchen-Loope) und Michaela Schneider (Morsbach) auch zwei Oberbergerinnen teilgenommen haben sollen, stellt sich auch hier vor Ort die Frage, wie es dazu kommen konnte – und vor allem, was kurz- und mittelfristig getan werden kann und muss, dass es nicht zu einer „Revolution von Rechts“ kommt.

Die Stimmungslage nach Bekanntwerden des Treffens fasst Morsbachs Bürgermeister Jörg Bukowski zusammen: „Berlin oder Potsdam sind von Morsbach erst einmal weit weg. Dass so ein Treffen in Potsdam offenbar unter Beteiligung von Menschen aus dem Ort stattgefunden hat, berührt einen dann noch ganz anders, das macht einen betroffen.“ Zu den bekanntgewordenen Inhalten der Zusammenkunft sagt Bukowski, dass damit Grenzen überschritten worden seien. „Ich bin einfach nur schockiert darüber.“ Wenig überraschend sei das Potsdamer Geheimtreffen aktuell in all seinen Terminen das Gesprächsthema. Wie die CDU in Morsbach reagiere, bleibe indes noch abzuwarten.

Morsbacher SPD hat bereits reagiert

Die Morsbacher SPD hat reagiert. Sie fordert hier „Aufklärung, Stellungnahme und Distanzierung der betroffenen Ortsverbände, deren Kreisen agierende Personen zugeordnet werden. Ein bloßes Gerede von einer ,Brandmauer nach Rechts' reicht hier nicht mehr aus“, heißt es in einer Mitteilung.

Oberbergs SPD-Chef Thorsten Konzelmann spricht im Zusammenhang mit dem Geheimtreffen von der „kritischsten Herausforderung für die Demokratie in Deutschland seit deren Gründung“. Das sei definitiv ein Problem der bürgerlichen Mitte. „Wenn jemand jetzt noch nicht den Schuss gehört hat und versteht, dass sich die AfD immer weiter radikalisiert, dann weiß ich nicht, was noch passieren muss.“ Dass an dem Treffen offenbar auch zwei CDU-Mitglieder aus Oberberg teilgenommen hätten, dafür könne die CDU nichts, sagt Konzelmann.

„Kopflose Situation der Ampel“

Gleichwohl verlangt er von CDU-Chef Friedrich Merz, nicht länger mit dem Feuer zu spielen, nur um sich davon Wählerstimmen zu erhoffen. Die Gründe für die aktuelle Entwicklung sieht der oberbergische SPD-Chef durchaus auch im Zusammenhang mit der bisweilen „kopflosen Situation in der Regierungskoalition in Berlin“, zu der neben Grünen und FDP auch Konzelmanns SPD gehört. Und er macht auch gar keinen Hehl daraus, dass es unter den AfD-Wählern auch viele gebe, die von der SPD gewechselt seien.

In der Morsbacher Nachbarkommune Waldbröl wählten bei der letzten Landtagswahl im Jahr 2022 knapp 14 Prozent AfD, fast drei Mal so viel wie im NRW-Schnitt. Im Ortsteil Maibuche kam die Partei sogar auf 60 Prozent. Gleichzeitig leben in der Stadt viele Russlanddeutsche. Kein Wunder, dass Bürgermeisterin Larissa Weber bekanntgewordene Inhalte des Treffens in Potsdam „schockierend“ findet. Allerdings auch die Tatsache, dass eine Teilnehmerin offenbar in der Nachbarschaft lebt. Was die Deportation von Menschen angeht, die bei dem Treffen wohl Thema war, sagt Weber, dass sich die Teilnehmer besser mal mit dem Thema befasst hätten. Ohne eine Vielzahl von Ausländern hätte es das Wirtschaftswunder in Deutschland nicht gegeben. „Und das können wir heute fortsetzen.“ Und wenn den Leuten, die in Potsdam waren, etwas an Deutschland liegen würde, würden sie anders handeln, sagt die Waldbröler Bürgermeisterin.

Bodo Löttgen, langjähriger CDU-Generalsekretär und Fraktionschef im Düsseldorfer Landtag, spricht sogar von der „größten Gefahr für die Demokratie“. Zugleich wirft er die Frage auf, was versäumt wurde in den letzten Jahren, dass eine Partei wie die AfD habe entstehen können. Die Situation, die jetzt offenbar wurde, sei nicht in den letzten zwei Jahren entstanden, sondern auch dadurch, dass Raum gelassen wurde für eine neue Partei, sagt Löttgen.

Löttgen beklagt, dass sich die Kommunikation weitgehend verändert habe

Daran sei die CDU nicht ganz unschuldig, weil sie diesen Platz nach Rechts gelassen habe – und damit für eine Partei, die die millionenfache Deportation von Menschen fordere, eine Partei, der sich mehr als 40 000 Menschen angeschlossen hätten. „Und die jetzt schon mehr Zustimmung hat als die Nationalsozialisten im Jahr 1930“, sagt Löttgen. Er beklagt, dass sich in den letzten Jahren die Kommunikation weitreichend verändert habe. Verabredungen über soziale Netzwerke im Internet seien an der Tagesordnung. Gleichzeitig aber könnten zuständige Stellen im Land nicht mitlesen, was Löttgen als Problem sieht. In den USA sei das auf Grund anderer Gesetze gar kein Problem. „Datenschutz darf bei uns aber nicht zum Täterschutz werden. Bei antidemokratischen Aktionen gehört der ernsthaft überprüft“, so der CDU-Politiker.

Löttgen macht die Bedeutung des Treffens in Potsdam mit einem weiteren Vergleich deutlich: „Das hier ist wesentlich ernster als das, was in der Reichsbürgerszene passiert. Das hier ist der Versuch einer Revolution von Rechts“. Er selbst hatte sich bereits im Jahr 2014 einem Streitgespräch mit Marcus Pretzell, dem damaligen Landesvorsitzenden der AfD, gestellt. Schon damals habe er vor der Gefahr gewarnt und sagt daher heute, er müsse sich nicht sagen lassen, dass er die Entwicklung nicht habe kommen sehen. Und er erinnert in diesem Zusammenhang an ein Zitat des Juristen und prägenden Autors der Verfassung, Carlo Schmid: „Notfalls muss man den Mut zur Intoleranz denen gegenüber aufbringen, die die Demokratie gebrauchen wollen, um sie umzubringen.“ Mittel- und langfristig, so sagt Löttgen, müsse es aber auch darum gehen, die Männer und Frauen in der Kommunalpolitik zu stärken und vor allem wertzuschätzen. Man könne nicht oft genug sagen, dass dort die Wiege der Demokratie stehe.

Die Morsbacherin Michaela Schneider, die kein CDU-Mitglied ist, ist schon nicht mehr Mitglied der Mittelstands- und Wirtschaftsunion Oberberg, wie der Vorsitzende Christian Berger sagt, ohne den Namen zu nennen: „In Zusammenhang mit der Berichterstattung zum Treffen ist klar, dass die dortigen Äußerungen diametral zum Wertekanon der MIT sowie der gesamten Unions-Familie stehen. Es war klar: Sollten sich die Berichte bestätigen, wonach ein MIT-Mitglied an diesem Treffen teilgenommen hat, würden wir mit dem Kreisverband Konsequenzen prüfen.“

Dies sei inzwischen bereits erfolgt und innerhalb von 24 Stunden zu einem Abschluss gebracht worden. „Seitens der MIT Oberberg hat sich das Thema einer Anwesenheit eines Mitgliedes inzwischen durch freiwilligen Austritt erledigt. Ein entsprechendes Verfahren konnte durch klare, aber zugleich sehr konstruktive Gespräche mit einer betreffenden Person somit vermieden werden. “


Ausschlussverfahren

Nach Bekanntwerden des Treffens rechter Aktivisten in Potsdam hat der CDU-Kreisverband ein Parteiausschlussverfahren gegen eines ihrer Mitglieder eingeleitet. Das bestätigte der Vorsitzende, Carsten Brodesser, am Freitag dieser Zeitung. Den Namen nannte er aus parteirechtlichen Gründen nicht, sagte der Lindlarer Bundestagsabgeordnete. Das CDU-Mitglied, das an dem Potsdamer Treffen teilgenommen haben soll, habe bis zur nächsten Vorstandssitzung der Landespartei am 26. Januar Zeit, sich zu äußern.

Aus Vorstandskreisen war am Freitagabend zu erfahren, dass es sich um Simone Baum aus Engelskirchen handeln soll. Die CDU reagiert damit auf einen Bericht über das Treffen im November in Potsdam. Zu den Teilnehmern zählten AfD-Politiker und mindestens ein CDU-Mitglied sowie Mitglieder der nicht zur CDU gehörenden Werteunion. 

KStA abonnieren