Plünderungen in HochwassergebietenViele packen an - und manche klauen

Lesezeit 4 Minuten
Wiederaufbau Bad Münstereifel

Überall Müll und Schrott in den Straßen wie hier in Bad Münstereifel.

Düsseldorf – Es ist nicht allein die Not, die das Hochwasser mit sich brachte. Die Umweltkatastrophe lässt auch in menschliche Abgründe blicken. Bisher seien 65 Fälle von Diebstahl und 31 Fälle von besonders schwerem Diebstahl sowie zwölf Betrugsfälle bekanntgeworden, hielt der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU) in dieser Woche in Düsseldorf im Innenausschuss des Landtags fest. Zudem wurden Körperverletzung, Sachbeschädigung und Unterschlagung in zusammengenommen 15 Fällen registriert. „Deswegen ist und bleibt die Polizei natürlich auch vor Ort“, so Reul. Bisher gab es nach seinen Angaben 23 Festnahmen, darunter sei in vier Fällen Untersuchungshaft angeordnet worden.

Vielfach seien Einsatzkräfte durch Schaulustige behindert worden - man habe mehr als 4300 Platzverweise aussprechen müssen. Zugleich betonte Reul: „Die allermeisten, die jetzt in die Regionen kommen, wollen nichts klauen und sich bereichern, sondern mitanpacken.“

Auch ein Sprecher der Kölner Polizei bestätigt auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“, dass es immer wieder zu Straftaten kommt. Zwar werde nicht in großem Stil geplündert, dennoch sei es natürlich bemerkenswert und beklemmend, dass sich Menschen an der Not anderer bereicherten. In vielen Fällen geht es um Schrott, der aufgesammelt wird. In den Katastrophengebieten fallen den Einsatzkräften immer wieder sogenannte Schrotthändler auf, die am Straßenrand deponierte Möbel für Müll halten und mitnehmen wollen. Dabei ist die Lage eine andere: Die von der Flut geschädigten Menschen trocknen ihren zum Teil noch nutzbaren Besitz am Straßenrand oder wollen diesen dort reinigen. Das Einsammeln dieser zum Teil persönlichen Gegenstände wird strafrechtlich verfolgt. In anderen Fällen könne man die Delikte nicht als Plünderung bezeichnen, so der Kölner Polizeisprecher – in Bad Münstereifel bemerkten Beamte, die sich auf Streife befanden, Licht in einer Buchhandlung. Als sie dem nachgingen, stellt sich heraus, dass ein stadtbekannter Dieb in das Geschäft eingedrungen war.

Alles zum Thema Herbert Reul

Vereinzelte Selbsthilfe

Vereinzelt komme es auch zu Selbsthilfe, bestätigte der Sprecher. Es gebe in einigen Ortschaft wie im Kreis Euskirchen Bewohner, die nachts die Häuser bewachten. „Das ist aus Sicht der Polizei ein schwieriges Thema.“ Auch komme es vermehrt zu Anzeigen, wenn fremde Fahrzeuge in Ortschaften gesichtet würden oder Unbekannte ortsansässigen Bürgern verdächtig vorkämen. Die Polizei würde dem jeweils nachgehen – in den meisten Fällen erwiesen sich die Anschuldigungen allerdings als gegenstandslos.

Die Bürger könnten darauf vertrauen, dass die Polizei in den betroffenen Gebieten vermehrt Streife fahre, an dieser Praxis halte man immer noch fest, auch wenn schon Tage seit der Katastrophe vergangenen seien. Täglich sind bis zu 500 Polizisten im Einsatz, um neben der Vermisstensuche auch weiterhin das Hab und Gut der von der Naturkatastrophe getroffenen Menschen in den Kreisen Rhein-Sieg und Euskirchen zu schützen.

In Rheinbach-Oberdrees stoppten Polizisten etwa einen 43-Jährigen sowie dessen 13-jährigen Neffen, die keine glaubhaften Angaben zur Herkunft von zwei im Auto befindlichen E-Bikes und hochwertigem Werkzeug machen konnten. Die Einsatzkräfte stellten das mutmaßliche Diebesgut sicher und nahmen den Mönchengladbacher fest. In seiner Wohnung fanden die Beamten außerdem 14 Laptops.

Kiste mit Munition

Auch in einem Transporter, der in Meschenich unterwegs war, fanden Beamte fast 30 mit Schlamm bedeckte und nasse Werkzeugkisten - Bohrmaschinen, Schlagbohrer, Sägen und Hochdruckreiniger. Da die Fahrerin keine Angaben über die Herkunft der hochwertigen Werkzeuge machen konnte, stellten die Beamten die mutmaßlich aus dem Katastrophengebiet stammenden Gegenstände sicher. In Swisttal-Odendorf nahmen die Beamten einen speziellen Fund entgegen, nämlich eine Kiste mit mehreren tausend Schuss scharfer Munition.

Ein besonderes Problem sind Falschmeldungen in den sozialen Netzwerken. So werden Horrormeldungen über geplünderte Kaufhäuser verbreitet; in einem besonders dreisten Fall ermittelte die Polizei darüber hinaus aufgrund eines Facebook-Fotos einer durch Hochwasser zerstörten Wohnung. Die Tatverdächtigen nutzten das Foto, um damit einen Spendenaufruf zu starten. Das Posting sei inzwischen gelöscht. Die Polizei registriert zudem Falschmeldungen über den Rückzug der Einsatzkräfte aus dem Hochwassergebiet. Dabei handele es sich um „Fake News“, betonen die Beamten ausdrücklich. Die Polizei sei weiterhin präsent und nehme jeden Hinweis auf mögliche Plünderungen und Diebstähle ernst. Viele der Falschmeldungen entstammen offenbar der sogenannten Querdenker-Szene. Hier kommt es auch immer wieder zu Behinderungen von Aufräumarbeiten und polizeilichen Ermittlungen.

Das könnte Sie auch interessieren:

Auch in Rheinland-Pfalz beschäftigen immer wieder Straftaten die Polizei. Insgesamt seien dort bisher 31 Straftaten festgestellt worden, davon 25 mit Eigentumsbezug, berichtete Innenminister Roger Lewentz (SPD) am Donnerstag in einer Sondersitzung von drei Fachausschüssen des Landtags in Mainz. Es habe vier vorläufige Festnahmen gegeben. „Bisherige Meldungen über eine angebliche Vielzahl von Plünderungen haben sich bislang nicht bestätigt.“

KStA abonnieren