Abiturientin18-Jährige schwebte in Lebensgefahr – vermutlich wegen K.o.-Tropfen

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In einem unbemerkten Moment lässt jemand die K.-o.-Tropfen ins Glas fallen. Die Folgen können lebensgefährlich sein.

In einem unbemerkten Moment lässt jemand die K.-o.-Tropfen ins Glas fallen. Die Folgen können lebensgefährlich sein.

  • Charlotte T. hatte noch nie einen Alkoholabsturz, dennoch sackte sie plötzlich auf der Feier einer Freundin zusammen.
  • Für den Vater steht fest, dass ihr K.o.-Tropfen verabreicht worden sind.
  • Sie schwebte für kurze Zeit in Lebensgefahr.

Bergisch Gladbach – Das Bier, das auf einem Stehtisch stand, schmeckte süßlicher als ein normales Kölsch, aber nicht schlecht. Charlotte T. kippte es am Freitagabend um 23.30 Uhr herunter.

Die 18-Jährige feierte mit Freunden privat in einem Jugendhaus,  war vom Tanzen durstig. Vorher hatte sie zwei Gläser Hugo, einen Schnaps und ein halbes Bier getrunken. „Ich weiß noch, dass ich dann wieder auf die Tanzfläche ging, mehr nicht“, sagt die 18 Jahre alte Abiturientin. Ihre Freundinnen erzählten ihr später, sie sei einfach auf der Tanzfläche umgefallen. 

Vage meint sie zu wissen, wie sie plötzlich weiche Knie bekam und wegsackte. Als sie  wieder zu sich kam, lag sie im Krankenhaus. „Ich bin dann noch einmal kurz wach geworden, sah einige Gesichter über mir, die mich aufforderten zu atmen. Dann war ich wieder weg“, sagt Charlotte und ergänzt: „Am Samstagmorgen bin ich wieder wach geworden.“

Sie war für sechs Stunden ins künstliche Koma versetzt worden. „Die Lage meiner  Tochter war sehr ernst. Dies erklärte mir der Arzt, der meine Tochter im Krankenhaus aufgenommen hat“, sagt Vater Johannes T.. Bei einer Vitalitätsskala von drei bis 15, bei der 15 für völlig gesund und drei für tot steht, sei seine Tochter bei fünf, habe der Arzt gesagt.

Niemand rief die Polizei

Die Party – es war der 18. Geburtstag einer Bekannten – lief bis in die frühen Morgenstunden weiter.  Als der Rettungsdienst eintraf, ging eine erste Vermutung dahin, dass die junge Frau einfach zu viel getrunken habe. Die Polizei rief niemand. Für den  Vater  von  Charlotte T. steht unterdessen fest, dass seine Tochter von K.-o.-Tropfen ausgeknockt wurde.  Die Aussagen der Ärzte im Krankenhaus seien für ihn eindeutig.  Alle Symptome sprächen seiner Meinung nach dafür: Charlotte war nicht ansprechbar, hatte keinen Muskeltonus, kann sich an nichts erinnern. Als sie wieder zu sich kam, wusste sie nicht, wo sie war. Sie habe nicht besonders viel getrunken. Charlotte bestätigt die Aussage ihres Vaters: „Ich hatte nicht viel getrunken, habe in meinem Leben noch nie einen Alkoholabsturz gehabt.“ Als sie am Samstag das Krankenhaus verließ, habe ihr eine Ärztin gesagt, dass sie K.-o.-Tropfen verabreicht bekommen habe. Und sie sei nicht die erste Patientin, die in der Jugendeinrichtung gefeiert habe und mit solchen Symptomen in das Krankenhaus gekommen sei.

Zwei Tage nach dem Vorfall relativiert Chefarzt Dr. Stefan Korsten die Aussage seiner Mitarbeiterin und stellt klar:  „Oft ist es schwer zu unterscheiden, ob es sich  einfach um  zu viel Alkohol oder   K.-o.-Tropfen handelt.  Die Symptome sind ähnlich“, sagt der  Chefarzt.  Korsten bestätigt allerdings, dass Charlotte T. nicht die erste Patienten sei, die mit einer K.-o.-Tropfen-Vergiftung im Krankenhaus behandelt werden musste. Allerdings könne er nicht bestätigen, dass es in einer bestimmten Jugendeinrichtung eine besondere  Häufung gebe.

Warum man in dem aktuellen Fall nicht die Polizei eingeschaltet hat, um noch am Freitagabend nach den Tätern zu fahnden, erklären die Ärzte mit ihrer Schweigepflicht.  Allein aus diesem Grund habe man nicht die Polizei informieren können. „Ich habe erst am Morgen, als Charlotte aufwachte und sprechen konnte, Anzeige erstattet, darüber ärgere ich mich sehr“, sagt der Vater. „In der Nacht, als  mir ein  Arzt sagte, die Lage sei sehr ernst, habe ich daran einfach nicht  gedacht.“

Die Vernehmung von Charlotte durch einen Polizeibeamten ergab keinen Hinweis auf einen Schuldigen.  Polizeisprecher Richard Barz: „Wir können nur sagen, dass dem Opfer die Tropfen, wenn es denn welche waren, nicht gezielt  verabreicht wurden. Nach der ersten Vernehmung ist klar, dass sie das Getränke zu sich genommen hat, obwohl es nicht ihre Flasche war.“ Die Polizei im Rheinisch-Bergischen Kreis hat in ihrer Polizeistatistik für die Jahre 2015 und 2016 keine Fälle von K.-o.-Tropfen verzeichnet.

Auch dem Leiter des  Jugendzentrums   sind keine derartigen Vorfälle mit  in seinem Haus bekannt.   Im übrigen habe es sich bei der Veranstaltung, die Charlotte auf die Intensivstation brachte, um ein private Geburtstagsfeier  gehandelt. Die Räume seien  vom Veranstalter  angemietet worden.

„Mir geht es so lala“, sagt Charlotte vier Tage nach der Party.  Sie ist am Dienstag auf dem Weg zur Polizei, wird wieder verhört. Eigentlich müsste sie lernen, sie steht kurz vor dem Abitur.

Im Moment  sei daran aber  nicht zu denken. Haben die Ermittler Erfolg und erwischen die Täter, müssen diese mit  einer empfindlichen Strafe rechnen. Ist den Tätern  die Gabe von K.-o.-Tropfen nachzuweisen, droht ihnen eine Haftstrafe von bis zu  fünf Jahren.  

Die Substanz

Bei den  K.-o.-Tropfen handelt es sich um   die  synthetische Droge   GHB (Gamma-Hydroxybuttersäure), auch als Liquid Ecstasy bekannt. GHB steigert das körpereigene Glückshormon Dopamin und wirkt  zunächst entspannend, dann euphorisierend, libidosteigernd, höhere Dosen führen zu Schläfrigkeit und koma-ähnlichem Tiefschlaf. Zusammen mit Alkohol oder Opiaten besteht die Gefahr einer Atemlähmung.  GBL (Gamma-Butyrolaceton) ist eine Massenchemikalie und wird in Industriereinigern oder Nagellackentfernern eingesetzt.

Es gilt als  Vorstufe zu GHB, ist aber im Gegensatz zu diesem nicht verschreibungspflichtig; bei Bodybuildern ist es als Aufbaumittel beliebt.  Die Tropfen kann man nicht sehen, nicht riechen und nicht schmecken. Die Substanzen können in einem Zeitraum von zwölf Stunden im Urin nachgewiesen werden, im Blut bis circa acht Stunden  nach der Einnahme.   (eck)

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