BrieftaubenHerkenrather ist der Meister der gefiederten Raser

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Brieftauben sind wahre Navigationsexperten. Für ihre Wettflüge müssen sie konditionell gut in Form sein.

Brieftauben sind wahre Navigationsexperten. Für ihre Wettflüge müssen sie konditionell gut in Form sein.

  • Georg Fröhlingsdorf aus Herkenrath ist Deutscher Meister im Verband Deutscher Brieftaubenzüchter.
  • Seine Tauben legen regelmäßig Strecken nach Süddeutschland zurück.

Bergisch Gladbach – Im April geht sie wieder los, die Saison der reisenden Brieftauben, die über Hunderte Kilometer zurück in ihre Schläge finden. Georg Fröhlingsdorf, 57, aus Herkenrath hat von diesen Brieftauben mehr als 100. Ihm macht keiner was vor: Er ist der amtierende Deutsche Meister im Verband Deutscher Brieftaubenzüchter, im Herbst hat er den großen Preis auf Bundesebene gewonnen. Fröhlingsdorf ist der Züchter der schnellsten Taube aus ganz Deutschland, der „As-Taube“. Auf fünf Wettflügen der vergangenen Saison war diese Brieftaube aus Fröhlingsdorfs Schlag die Erste in der Addition aller Flugzeiten. Taube Nr. 03318-14-469V flog zweimal von Straubing zum heimischen Schlag in Herkenrath, einmal von Wegscheid, Regensburg und Amstetten.

80 Kilometer in der Stunde

„Im letzten Flug hat unsere Taube unter 4085 den zweiten Konkurs gemacht, den zweiten Platz“, berichtet Fröhlingsdorf stolz. 450 Kilometer in sechseinhalb Stunden. Erstaunlich: Tempo 80 gilt als eine normale Reisegeschwindigkeit für die Tiere. Platz zwei reichte zum Gesamtsieg der Wettflugserie, zum ersten Mal holte der Herkenrather Züchter den Bundespreis ins Bergische Land.

Ehefrau Veronika freute sich mit über den Sieg, sie unterstützt das Hobby voll und ganz. Vieles im Tagesrhythmus ist bei dem Ehepaar getaktet nach den Bedürfnissen der Tauben. „Im Urlaub versorgt unsere Tochter die Tiere“, erklärt Georg Fröhlingsdorf.

Ohne Training geht es nicht. Im Frühjahr wird viel trainiert, „wie bei den Fußballern“, sagt Fröhlingsdorf und lacht.

Tauben regeln Tagesablauf

Sein Hobby ist zeitintensiv: „Um 6 Uhr hole ich die Männchen raus zum Freiflug, um 7 Uhr die Weibchen.“ Eine Stunde wird übers Land geflogen. Dann hisst der Züchter eine Flagge an einer Stange, Zeichen, dass die Flugzeit endet. Die bange Frage folgt: Sind alle heil zurück gekommen? Habichte und Falken schlagen übers Jahr jede zehnte Reisetaube.

Die Flugtage sind immer etwas Besonderes. Fröhlingsdorf ist in der Reisevereinigung Bergisch Gladbach Mitglied, Treff ist „auf dem Horn“ in der Stadtmitte. Die Vereinsmitglieder geben ihre Reisetauben für den Wettflug ab, im Hänger werden sie durch ganz Deutschland zu ihrem Startpunkt gebracht. Aufgelassen werden sie später alle zur gleichen Zeit.

Chip misst die Reisezeit

Oft richten die Fröhlingsdorfs dann einen Kaffee-und-Kuchen-Nachmittag für Freunde aus. Gemeinsam wird auf die Rückkehr der Tiere gewartet; so ist es fast an jedem Sonntag von Mai bis September. Und dann kehren die Tiere in den Schlag zurück. „Das sind die schönsten Augenblicke“, berichtet der Züchter.

Mittels eines elektronischen Chips am Schlag wird die Reisezeit gemessen und in einem komplizierten Verfahren gewichtet; so werden die Leistungen vergleichbar. Wie die Tiere den Weg zurück in die Heimat orten, hat die Wissenschaft noch immer nicht eindeutig geklärt. „Wichtig ist für die Navigation, dass die Tiere in einem festen Schlag aufwachsen“, sagt Fröhlingsdorf.

Ab dem ersten Lebensjahr könne man die Taube losschicken, Exemplare im zweiten Lebensjahr brächten die besten Leistungen. Bis ins sechs Lebensjahr schicke er die Tiere auf Reise. „Einzelne Tauben können bis zu 20 Jahre alt werden.“ Solche Veteranen hatte er auch schon in seinem Schlag.

Ein täglicher Ablauf seit 40 Jahren

Hinterm Haus hat Fröhlingsdorf seine flatternden Freunde untergebracht, das freundliche Gurren empfängt den Züchter. Bei Bewegung schauen die Tiere neugierig aus ihren Volieren, die Köpfchen gehen rauf und runter, sie scharren mit den Füßen.

Im Großverschlag gibt es mehrere Kabinen, gerade ist Zeit gewesen, die einjährigen Jungtiere von den älteren zu trennen. Nach der morgendlichen „Flugschau“ wird gutes Körnerfutter für die Kondition serviert und der Schlag ein erstes Mal am Tag saubergemacht. Füttern und saubermachen muss Fröhlingsdorf spätnachmittags ein zweites Mal. Es ist ein täglicher Ablauf, seit jetzt 40 Jahren.

Im Wohnzimmer stehen die Schränke voll mit blitzenden Pokalen. „17-mal bin ich Vereinsmeister gewesen“, zählt Fröhlingsdorf auf. Obwohl er bescheiden geblieben ist, gibt er doch zu, dass der Sieg auf Bundesebene „einmalig“ für ihn gewesen sei. Zwei Platzierungen unter den ersten zehn habe er schon errungen, ganz nach vorn sei er aber zum ersten Mal gekommen.

Betrüblich ist für den Brieftaubenfreund, dass immer weniger Menschen sein Hobby teilen. „Früher hatten wir über 200 Mitglieder im Verein“, erinnert er sich. „Jetzt werden die Züchter immer weniger, die Jugend wächst nicht nach.“

35 Mitglieder hat die Brieftaubenvereinigung Bergisch Gladbach heute. Aber als Züchter seien davon nur noch 18 aktiv. Auch bei den Ausstellungen werde es zunehmend schwierig, geeignete Räume zu finden. Er erinnert sich an einen Fall in Bergisch Gladbach, bei dem 600 Euro für zwei Tage Ausstellung vom Verein gefordert worden seien.

Kaum noch Raum für die Geflügelten

Auch die Gaststätten, früher beliebte Treffpunkte für die Vereinsschauen, zeigten sich meist ablehnend. „Das passt offenbar nicht mehr zur Hygiene in den Lokalen“, vermutet der Herkenrather bedauernd. Er selbst hat als Jugendlicher mit Rassegeflügel angefangen, daheim auf dem elterlichen Hof, der in Sichtweite seiner Wohnung liegt. „Früher hatten ja fast alle hier eine kleine Landwirtschaft. Die Tauben waren selbstverständlich.“ Heute hätten viele Menschen aber kaum noch Platz dafür. „In Mietwohnungen geht es gar nicht“.

Zur neuen Saison wird Fröhlingsdorfs Siegertaube nicht am Start sein. Sie ist an einen anderen Züchter verkauft worden. Eine Vorsichtsmaßnahme. „Es gibt Diebstähle“, sagt Fröhlingsdorf. Eine beste Taube der Vorjahre sei einem anderen Züchter gezielt bei einem Einbruch gestohlen worden. Nach dem Verkauf geht Fröhlingsdorfs Siegertaube beim neuen Besitzer in die Zucht. „Würde sie aufgelassen und zurückfliegen, käme sie immer wieder zu meinem Schlag nach Herkenrath“, sagt Fröhlingsdorf. Diese Programmierung ans Bergische sei nicht mehr zu ändern.

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