Zwei BundesländerFamilie vom Gesetz getrennt – Kreis will Fall erneut prüfen

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Ali, Adawiya,Evan und, Ahmed Benezaeed dürfen zurzeit nicht zusammenleben. Der Kreis wird den Fall nun erneut prüfen.

Ali, Adawiya,Evan und, Ahmed Benezaeed dürfen zurzeit nicht zusammenleben. Der Kreis wird den Fall nun erneut prüfen.

Bergisch Gladbach – Mutter in Bergisch Gladbach, Sohn in Schwarzenbruck. Seit mehr als einem Jahr wartet die irakische Familie Banezaeed darauf, endlich zusammenleben zu dürfen. Doch der Weg zu Mutter und Geschwistern ist versperrt, blockiert durch bürokratische Hürden. Aufgrund der Recherche dieser Zeitung hat die Ausländerbehörde des Rheinisch-Bergischen Kreises zugesichert, den Fall neu zu prüfen.

„Familien gehören zusammen“, sagt Adawiya Banezaeed. Man sorge für jedes einzelne Mitglied, sei immer füreinander da. Die 51-Jährige ist verzweifelt. Die Trennung von ihrem Sohn Ali zermürbt sie. Die Familie ist nicht gleichzeitig aus dem Irak geflüchtet und in zwei verschiedenen Bundesländern gelandet.

Jeden Tag telefonieren Mutter und Sohn. Es sind sorgenvolle Gespräche: über den Alltag, den die Mutter ohne Mann an ihrer Seite bewältigen muss. Über die Schwierigkeiten, die der jüngste, jetzt 16-jährige Sohn Ahmed am Berufskolleg hat.

Gesundheitliche Probleme der Mutter

Über die vielen gesundheitlichen Probleme der Mutter, das erzählt Jian Jamil, eine Freundin, die an diesem Nachmittag als Übersetzerin hilft. Wenn Ali wie jetzt zu Besuch in der Lückerather Wohnung ist, sind alle glücklich. Sogar Schwester Evan aus Bad Honnef ist gekommen. Aber alle sind auch bereits ein wenig traurig. Denn am nächsten Tag reist Ali wieder ab, die Familie ist wieder entzweit.

Zwar haben die Stadt Bergisch Gladbach und die Ausländerbehörde des Landkreises Nürnberger Land der Familienzusammenführung zugestimmt – schriftlich am 2. August. Doch das Schreiben hat keine Wirkung. Denn die Ausländerbehörde des Rheinisch Bergischen Kreises entscheidet in letzter Instanz über die Verlegung der Wohnsitzauflage nach Bergisch Gladbach. „Bei unser Ablehnung haben wir das Ausländerrecht ordnungsgemäß angewendet“, erklärt Gerald Petri, Dezernent für Sicherheit und Ordnung. Flüchtlinge könnten von der Wohnsitzauflage befreit werden, wenn sie für sich selbst aufkommen könnten und somit nicht auf Sozialleistungen angewiesen seien.

Umverteilungsantrag als Schlupfloch

Einziges Schlupfloch, das die deutsche Asylgesetzgebung in solchen Fällen bietet: der Antrag auf länderübergreifende Umverteilung. Doch solche Umverteilungsanträge gelten nur für Härtefälle: für minderjährige Kinder und ihre Eltern, für Ehepartner, für besonders kranke und pflegebedürftige Menschen. Für Männer wie Ali – volljährig und gesund – ist das Schlupfloch nicht gedacht. Und die Aussicht auf eine feste Arbeit stehe schlecht. „Ich weiß nicht, wie das gehen soll“, sagt der 25-Jährige, der schon gut Deutsch spricht. Seine Anmeldung bei einer Leiharbeitsfirma sei nicht angenommen worden. Die Begründung lautete: Er wohne zu weit entfernt und sei nicht kurzfristig einsetzbar.

Die ehrenamtlichen Helfer des Mentorenprojekts der evangelischen Kirchengemeinde halten das System für absurd und lebensfremd: „Die in diesem Fall positiven Erfolgsaussichten bei der Integration werden nicht berücksichtigt“, kritisiert Dr. Werner Großeschallau. Das sei bürokratisch und unmenschlich.

Seit mehr als einem Jahr setzt er sich gemeinsam mit Marlies zur Nieden dafür ein, die Familie wieder zu vereinen. Niemandem würde durch den Umzug ein Nachteil entstehen, argumentieren sie. Im Gegenteil, durch die gemeinsame Wohnung müsste der Steuerzahler geringere Kosten tragen. „Hier wurde zum Schaden der Betroffenen und zum Schaden der Allgemeinheit entschieden“, sagt Großeschallau.

Kontakt mit den Kollegen aus Nürnberg

Die Ausländerbehörde will nun prüfen, ob das Schlupfloch der sozialen Härte für Familie Banezaeed gilt. „Wir wussten nichts davon, dass die Mutter krank ist“, sagt Petri. Diese Fragen zu klären wäre eigentlich die Aufgabe der Nürnberger Behörde gewesen. „Wir nehmen Kontakt zu den Nürnberger Kollegen und zu den betroffenen Familienmitgliedern auf“, verspricht Dieter Schielinski, Abteilungsleiter für das Ausländerwesen.

Bis dahin steckt Ali weiter in einem moralischen und emotionalen Dilemma. Der junge Mann kann seinen Auftrag als männliche Autoritätsperson innerhalb der Familie nicht erfüllen, was in ihrer Heimat eine große Rolle spielt. Er kann sich schlechter in Deutschland integrieren, da er sich Sorgen um die Familie machen muss, statt sich auf das Lernen der deutschen Sprache und eine Ausbildung zu konzentrieren. „Außerdem wäre er eine wirklich wichtige Stütze für seine gesundheitlich angeschlagene Mutter“, sagt Marlies zur Nieden.

Die Mentorin vermutet, dass psychische Probleme die Auslöser sein könnten für die vielen gesundheitlichen Probleme von Adawiya Banezaeed. In dieser Woche muss sie operiert werden. Der stationäre Aufenthalt im Krankenhaus stellt die 51-Jährige vor Probleme, weil der minderjährige Sohn dann unbeaufsichtigt ist. Und 450 Kilometer südlich sitzt Ali in einer Flüchtlingsunterkunft, obwohl er ein Bett in Gladbach hätte.

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