WahlMüller setzt sich auf turbulentem Parteitag als CDU-Kandidat durch

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Gratulation an Holger Müller nach seinem Wahlsieg.

Gratulation an Holger Müller nach seinem Wahlsieg.

Rhein-Berg – „Wenn Sie es wollen, gehöre ich noch lange nicht zum alten Eisen, aber ich bin ein eiserner Alter“, schwört der Landtagsabgeordnete Holger Müller die CDU-Mitglieder seines Wahlkreises 21 (Bergisch Gladbach/Rösrath) in einer gewohnt markigen Rede ein, um noch einmal als Kandidat für den Landtag nominiert zu werden. Es gelingt ihm. Mit 105 zu 86 Stimmen setzt sich der 68-Jährige am Samstag bei der Kreisversammlung der Christdemokraten gegen den vom CDU-Stadtverband Bergisch Gladbach aufgestellten Unternehmer Dr. Oliver Schillings (46) durch. Dass der Gladbacher Stadtverband rund viermal so groß ist wie der Rösrather, der Müller erneut unterstützt, spielt am Ende keine Rolle. Manchem Gladbacher CDU-Funktionär versteinert da die Miene.

Dass Kreisparteichef Rainer Deppe im Wahlkreis 22 (Overath, Kürten, Odenthal, Wermelskirchen, Leichlingen, Burscheid) ohne Gegenkandidaten mit großer Mehrheit (79 von 82 Stimmen) erneut als Landtagskandidat des zweiten rheinisch-bergischen Wahlkreises aufgestellt wird, scheint fast nebenher zu laufen. Im Mittelpunkt dieses Kreisparteitags steht das politische Duell zweier Kandidaten aus Rösrath und Gladbach, das bereits im Vorfeld für einiges Aufsehen gesorgt hatte.

Nur kurz rechnet Müller bei seiner Vorstellung mit der rot-grünen Landesregierung ab, dann hebt der 68-Jährige zu Seitenhieben auf den Gladbacher CDU-Vorstand und dessen eigene Kandidatennominierung an und räumt vorsorglich mit der gegen ihn selbst im Vorfeld erhobenen Kritik auf.

„Weil ich fit bin“

Warum er noch einmal antrete? „Weil ich fit bin“, sagt Müller und nennt weitere Gründe: Weil er ein freier und unabhängiger Kandidat sei, auch finanziell, nie Lobbyist gewesen sei und keine Geschäfte mit der Stadt Rösrath oder dem Rheinisch-Bergischen Kreis gemacht habe; weil er in der Landtagsfraktion und in der Region sehr gut vernetzt sei; weil er ein „Vertreter des traditionellen Markenkerns der CDU“ sei und „nicht dem Zeitgeist nachlaufe“; weil er als „älterer Kandidat“ die Mehrheit der CDU-Wähler repräsentiere. Die wolle er ansprechen, habe aber auch nie die jungen Wähler aus dem Blick verloren. Dass vor fünf Jahren von seiner vermutlich letzten Kandidatur gesprochen habe, räumt Müller ein. Aber: „Erstens können sich Zeiten ändern, und zweitens wusste ich damals nicht, dass ich heute noch so kämpferisch gut drauf bin und mich für die CDU nach wie vor von morgens bis abends einsetze.“ Er wolle nicht, dass der Posten des CDU-Landtagskandidaten „verramscht“ werde.

Offen greift Müller Gladbachs Bürgermeister Lutz Urbach an, der in der ersten Reihe neben Müllers Herausforderer Dr. Oliver Schillings sitzt. Noch Mitte Mai habe Urbach ihm gesagt, er werde sich für Müller einsetzen, erinnert sich der Rösrather. Dabei sei, wie Vize-Parteichef Schillings später eingeräumt habe, bereits seit Ostern „sehr intensiv“ über einen eigenen Gladbacher Kandidaten“ nachgedacht worden und dabei sei „nichts nach draußen gedrungen“. Müller ironisch: „So stelle ich mir offene Parteiarbeit vor.“ Und zu Urbach und Schillings gewandt: „Das war nicht fair.“

Vorwürfen, er habe zu wenig für Gladbach getan, hält Müller allein Erfolge der vergangenen Wochen entgegen – etwa die beschlossene Verdichtung des Fahrplans der Straßenbahn-Linie 1, einen Taxibus für Bärbroich und Herkenrath sowie den Bensberger Quartierbus. Mit der „Lebenslüge Autobahnanschluss Bahndamm“ hingegen habe Gladbach viel Zeit vertan, es müsse endlich etwas „ganz Anderes“ her, eine „gemeinsame Lösung für den rechtsrheinischen Raum“. Wo die ansetzen könnte, sagt Müller nicht.

Schillings schlägt zurück

Schillings zahlt es Müller nicht mit gleicher Münze zurück. Im Gegenteil: Er zollt seinem Konkurrenten „Dank und Respekt“ dafür, dass Müller die Politik im Kreis in den letzten Jahrzehnten mitgeprägt habe. Zugleich empfiehlt sich der Inhaber einer Kommunikationsagentur, der im SV Bergisch Gladbach 09 aktiv war und die Initiative „Leben und Arbeiten in Bergisch Gladbach“ aus der Taufe gehoben hat, als jemand, der etwas bewegen könne, und konservative Werte, Ideale und Botschaften wieder mehr nach draußen bringen könne. Schillings: „Es ist Zeit für einen Wechsel.“ In Teamarbeit und als „Dienstleister für die Bürgerinnen und Bürger“ im Kreis wolle er sich unter anderem für mehr Wirtschaftswachstum, Bildung und bessere Verkehrsinfrastruktur, innere Sicherheit einsetzen.

Obwohl für Schillings unter anderem Vize-Parteichefin Birgit Bischoff auf der Bühne Partei ergreift, kann sich der Gladbacher in der folgenden turbulenten Abstimmung (siehe Kasten) nicht durchsetzen. Routiniert und doch deutlich reserviert wirken danach im Freudenjubel für Müller die Glückwünsche von Gladbachs Parteichef Thomas Hartmann und Bürgermeister Lutz Urbach.

Die Frage nach eigener Enttäuschung weist Urbach zurück: „Ich bin Demokrat. Ich gebe die Stimme ab, und dann zählt’s. Jetzt müssen wir zusehen, dass die CDU den Wahlkreis wiedergewinnt.“ Bekanntlich hatte den 2012 die SPD-Landtagskandidatin Helene Hammelrath geholt. Müller kam über die Reserveliste in den Landtag.

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