Langes VorstrafenregisterAngeklagter in Bergisch Gladbach sieht Gefängnis als seine Rettung

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Die Fenster einer Justizvollzugsanstalt sind vergittert.

Die Fenster einer Justizvollzugsanstalt sind vergittert.

Wie ausgewechselt, weil nach einigen Monaten Haft clean, tritt ein Ladendieb  in  Gladbach vor Gericht – und kassiert weitere sechs Monate.

 „Die JVA hat mein Leben gerettet“: Die Worte von Ralf L. wirken ehrlich. Der 44-jährige Angeklagte, der in Wirklichkeit anders heißt, ist von zwei Justizwachtmeistern in den Verhandlungssaal von Strafrichter Ertan Güven im Bensberger Amtsgericht gebracht worden, wo ihm die Handschellen abgenommen werden.

Ralf L., gelernter Metzger, aber seit 30 Jahren drogenabhängig, hat sich seinen Rauschgiftkonsum mit immer neuen kriminellen Aktionen finanziert. Aktuell sitzt er gerade eine Haftstrafe in der JVA Remscheid ab — nachdem er vorher immer wieder mit Geld- oder Bewährungsstrafen davongekommen ist.

Ladendiebstahl beim Discounter und im Schuhgeschäft

Die drei Straftaten, für die er dieses Mal in Bergisch Gladbach vor Gericht steht, sind klassische Kleinkriminalität: Am 11. Oktober 2023 hat der in Köln-Dellbrück wohnende Mann die Stadtgrenze nach Bergisch Gladbach überquert und bei „Netto“ auf der Mülheimer Straße im Ortsteil Gronau unter anderem Schokolade und Hautcremes im Wert von 47,73 Euro gestohlen. Von dort aus zog er weiter in Richtung Bergisch Gladbacher Innenstadt.

Marihuana-Besitz wird nicht bestraft

50 Minuten später versuchte er bei „Siemes“, also quasi direkt an der Bergisch Gladbacher Polizeizentrale, erneut zu shoppen ohne zu zahlen: Dieses Mal hatte er Kleidung eingesteckt, darunter Kappen und Jogginghosen im Gesamtwert von 198,70 Euro. Und außerdem, und das war Punkt drei der Anklage, hatte er 0,8 Gramm Marihuana dabei, als ihn die Polizei dann festnahm und durchsuchte.

Die 0,8 Gramm Marihuana hakt Strafrichter Ertan Güven in der Verhandlung als Allererstes ab: „Wir stellen es ein, weil es seit dem 1. April nicht mehr strafbar ist.“ Bleiben die beiden Diebstähle, bei denen Pflichtverteidiger Bruno Eickholt einwirft, ob es denn im ersten Fall nicht um Geringwertiges gehe, da der Wert unter 50 Euro liege.

Die Staatsanwaltschaft widerspricht: Die Grenze der Geringwertigkeit liege nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht bei 50, sondern bei 25 Euro. Geringwertig hin oder her: Im Anschluss gesteht der Angeklagte beide Diebstähle, für die er natürlich auch zu bestrafen sei, wie er ergänzt.

Das Vorstrafenregister ist riesig

Angesichts von 29 Eintragungen in das Bundeszentralregister seit dem Jahre 1995 fordert die Staatsanwaltschaft für die beiden Diebstähle insgesamt 11 Monate Haft ohne Bewährung.

Dagegen plädiert Verteidiger Eickholt für Milde: Sein Mandant sei seit 30 Jahren abhängig, zuletzt vom Heroin. Jetzt, in der Justizvollzugsanstalt, arbeite er daran und habe noch viele Monate Haft aus früheren Verurteilungen vor sich. Auch angesichts des unterm Strich überschaubaren Schadens fordert der Jurist insgesamt vier Monate Haft, diese aber mit Bewährung. Eickholt: „Ich kann mir keine positivere Prognose vorstellen als in diesem Fall!“

Richter Güven verurteilt Ralf L. wegen der beiden Ladendiebstähle schließlich zu sechs Monaten Haft ohne Bewährung. Zwar sei der Angeklagte seit seiner Inhaftierung im November vergangenen Jahres sehr motiviert, an seiner Sucht zu arbeiten, doch sei er noch nicht sehr stabilisiert. Ralf L. nimmt das Urteil sofort an.

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