Bensberger GerichtKölnerin soll ihren Sohn in S-Bahn bedroht und misshandelt haben – keine Strafe

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Ein Zug der S-Bahnlinie 11 hält im Sommer an einem vollen Bahnsteig in Köln.

Ein Zug der S-Bahnlinie 11 hält im Sommer an einem vollen Bahnsteig in Köln.

Eine Kölnerin (25) stand in Bensberg vor dem Jugendschutzgericht, weil sie ihren Sohn in der S11 misshandelt und bedroht haben soll. 

Es herrscht ein rechtes Tohuwabohu in der S11, als diese am 16. September 2023 um 18.20 Uhr von Köln Hansaring bis Bergisch Gladbach fährt. Die Bahn ist voll, innen kommt es zu einer hässlichen Szene zwischen einer Mutter und ihrem inzwischen vierjährigen Sohn, die erst jetzt am Bensberger Jugendschutzgericht ihren Abschluss findet.

Außer reichlich Spesen nichts gewesen

Die Entscheidung, die die neue Bensberger Jugendschutzrichterin Pauline Willberg am Ende verkündet, lässt sich so zusammenfassen: Außer Spesen nichts gewesen, aber die gibt es dafür reichlich, und zahlen dafür muss nicht etwa die Kölner Krankenhaushelferin Chantal G. (Namen geändert), sondern die Allgemeinheit.

Das Verfahren wegen Bedrohung und Körperverletzung zum Nachteil von Sohn Paule, das zunächst mit einem üppigen Strafbefehl enden sollte, wird eingestellt – mit der Besonderheit, dass der Staat nicht nur die Reisekosten des von Berlin nach Bensberg gekommenen Belastungszeugen trägt, sondern auch die Verteidigerkosten der gering verdienenden ledigen Mutter zweier Kinder.

Die Beweislage gegen die Angeklagte Chantal G. ist schwierig

Allerdings ist die juristische Lage auch vertrackt. Laut Anklage soll Chantal Paule gedroht haben, ihm auf den Mund zu schlagen, wenn er nicht endlich Ruhe gebe. Anschließend habe die junge Frau mit dem Faible für sichtbare Tattoos ihrem Kind auch noch höchst schmerzhaft das Ohr umgedreht.

Das bestreitet Chantal G. aber energisch. Paule habe schon am Hansaring die ganze Zeit ins Gleisbett springen wollen, sie habe ihn mit Mühe davon abhalten können. In der Bahn sei er dann wie so oft völlig ausgeflippt, habe gebrüllt, geschlagen, getreten, sie gebissen. Sie habe ihn an der Wange zu sich gezogen und klargemacht: „Wenn du nicht ruhig bist, knallt es.“

Ich würde meinem Kind niemals wehtun. Ich habe selbst Gewalt erfahren und weiß, wie das ist.
Die Angeklagte vor Gericht

Mit „Knallen“ habe sie aber lediglich ein abendliches Tablet- oder Süßigkeitenverbot gemeint. „Ich würde meinem Kind niemals wehtun. Ich habe selbst Gewalt erfahren und weiß, wie das ist.“ Keinesfalls habe sie auch geäußert, sie werde dem „Kind aufs Maul schlagen“.

Der Verteidiger überreicht Fotos von blauen Flecken der Frau und mehrere Schreiben der Stadt Köln, die das Verhaltensproblem des Vierjährigen bestätigen sollen. Paule soll demnächst in seiner Kita besonders gefördert werden – auch um zu vermeiden, dass er gehänselt wird.

Berliner Diplom-Informatiker schildert Szene in der S-Bahn

Ganz anders hört sich die Schilderung von Bernd P. an. Der 49-jährige Diplom-Informatiker und Softwareentwickler berichtet, dass er in der Bahn das äußerst unruhige Kind auf der einen Seite und wüste Drohungen auf der anderen zunächst nur gehört habe.

Auch der Spruch „Ich setze dich im Wald aus“ sei gefallen. Schließlich habe er sich zu der Angeklagten, ihrem Sohn und weiteren Begleiterinnen gestellt, um zu deeskalieren. Beim Ohr umdrehen sei er dazwischen gegangen: „Hören Sie auf, dem Kind wehzutun. Das dürfen Sie nicht!“ Ein etwa 30 Jahre altes Paar habe sich zwischenzeitlich um das Kind gekümmert, um es zu beruhigen. Leider seien die jungen Leute vor der Endstation ausgestiegen.

Polizeieinsatz am Gladbacher S-Bahnhof

Er selbst habe die Kölner Polizei alarmiert, die die Bergisch Gladbacher Kollegen informiert habe. Eine Streifenwagenbesatzung sei mit Blaulicht zum S-Bahnhof gekommen und habe die Aussagen aufgenommen. Zwischendurch seien er und sein Sohn als „Missgeburten“ tituliert worden.

Für das Gericht bleibt die Wahrheitsfindung schwieg: Bernd P. kann die von einer Freundin begleitete Chantal G. nicht sicher als Täterin identifizieren. Eine weitere Zeugin ist nicht innerhalb der Drei-Wochen-Frist zu erreichen. Am Ende nennen es Richterin und Ankläger wesentlich, dass Chantal jetzt Hilfe bekommt und alles besser wird. Für die Kölnerin hat sich das Prozedere gelohnt: Der Strafbefehl hätte sie dem Vernehmen nach 900 Euro gekostet.

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